Auf Hölderlin stieß ich zufällig sehr früh. Ohne ihn natürlich mit 10, 11 Jahren zusammenhängend zu lesen und wirklich verstehen zu können, zogen mich schon damals einige zufällig ausgewählte Bruchstücke aus dem "Hyperion" und einige Verse vom Sprachklang her befremdlich an.
Seitdem wurde Friedrich Hölderlin für mich eine feste Größe, die ich fortan nie mehr vergaß. So las ich beispielsweise mit 17 / 18 den Hölderlin-Essay Norbert von Hellingraths in der von Oskar Loerke herausgegebenen Essaysammlung "Deutscher Geist". So freute ich mich mit 19 darüber, feststellen zu können, dass auch der junge Nietzsche mit etwa 15, 16 Jahren Hölderlin für sich entdeckt hatte. Mit 20 wurde dann "Der gefesselte Strom" mein Lieblingsgedicht, das ich seitdem auswendig kann und zu unterschiedlichen Lebenszeitpunkten, es mir innerlich vorsagend, neu verstehen lernte.
Nebenbei: Dass auch eine ganze Reihe von Komponisten von Brahms bis Nono in ihrer eigenen Musik - und auch französischsprachige Lyriker wie Philippe Jaccottet (als Übersetzer des "Hyperion") - Hölderlin für sich entdeckt haben, freut mich übrigens besonders.
Ein kleines dilettantisches gedichtähnliches Gebilde von mir selber, das vor 15 Jahren spontan entstand, verrät etwas von meiner Auch-Vorliebe für Hölderlin. Es sei daher hier mitgeteilt:
K a u m
Als ich vierzehn war
sagte mein Vater
er habe Furcht
ich hätte kein Gefühl
da ich
außer Balladen
erkennbar
kaum Gedichte mochte.
Als ich achtzehn war
bedeuteten mir Trakls
Schwermut und Sprachklang
viel
und Hölderlins
heilige Nüchternheit
kaum weniger.
Als ich zwanzig war
drängte ich mich
selber verwegen ins Gedicht
und verstummte
kaum ehe ich begann.
Heute mit fünfzig und mehr
f i n d e ich noch immer -
Gesuchtes
und Ungesuchtes.
GFL, 2. 6. 1994