Beiträge von ink-heart

    Hallo! :winken:


    Einige Diskussionen um die Qualität von Texten haben mich zu dieser Frage gebracht: Auf der einen Seite haben wir ja alle bestimmte grundsätzlich mitteilbare Kriterien (vielleicht nicht immer bewusst), an der wir die Güte von Texten messen, auf der anderen Seite lässt ein Text einen ja auch mit einem bestimmten Gefühl zurück, das schon viel schwieriger vermittelbar ist; der Einfachheit halber nenne ich es mal 'Nicht-Mögen'; gemeint ist eigentlich die ganze Spannbreite negativer Gefühle, die euch so einfällt oder überfällt. :zwinker:


    Gibt es das bei euch, dass beides auseinanderklafft? Dann wäre ich supergespannt, auf welche Bücher das zutrifft.


    Liebe Grüße
    ink-heart


    Die Amerikaner schreiben um Geld damit zu verdienen, ein Großteil der Europäer schreibt, weil sie schreiben müssen.


    Das halte ich für ein ziemlich pauschales Urteil. Natürlich gibt es jede Menge Triviales, aber Sozialkritisches etc. (was meiner Ansicht nach auch nicht per se zu guter Literatur führt) findet sich auch durchaus zahlreich.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, was du unter 'Müssen' verstehst, aber wenn das bedeutet, innerlich gehetzt von großen Botschaften zu schreiben, die man unters Volk zu bringen hat, ziehe ich ein solides Kunsthandwerk vor. :breitgrins:

    Auch wenn ich die deutsche Gegenwartsliteratur nicht so in Bausch und Bogen verurteilen möchte: Was Foer betrifft, gebe ich dir recht.


    Ich kenne bisher nur "Extremely Loud ..." ("Everything is Illuminated" steht aber schon bereit) und es war wirklich eines der wenigen Bücher der letzten Zeit, die mich so beeindruckt haben, dass ich noch eine ganze Weile daran 'arbeiten' musste. Die Art, wie Foer in dem Artikel verwurstet wird, finde ich reichlich unpassend. Eine Menge Schriftsteller jeden Alters hat versucht, die kindliche/jugendliche Erzählperspektive einzusetzen und meistens geht das sowas von daneben. In "Unglaublich nah ..." gelingt es großartig.


    Jemandem vorzuwerfen, dass er professionell schreibt ('Creative Writing Course') ist einfach lächerlich; mir fallen diverse Autoren - ja, in diesem Falle hauptsächlich deutschsprachige - ein, die sich vielleicht mal für etwas Ähnliches einschreiben sollten. Und dass er zusätzliche Mittel der Textgestaltung, Bilder etc. einsetzt (niemals als Selbstzweck übrigens, sondern sehr überlegt und gekonnt) kann man ja durchaus positiv sehen. Gute Literatur kann (und muss sogar) heute eben anders aussehen als vor zweihundert Jahren.

    Hallo Madeleine! :winken:



    Und meine Einstellung dem "Werther" gegenüber hat sich mit dem Alter verändert. Zum 1. Mal habe ich ihn mit 17 gelesen und wäre fast mit ihm gestorben. Beim 2. Mal war ich so Mitte 30 oder älter und habe nicht mehr ganz verstanden, was mich an dem verweichlichten Jüngling, der sein Leben nicht in den Griff bekam, denn so fasziniert hatte.


    Genau so ging es mir auch. Aber das ist ja auch häufig bezeichnend für Werke sehr junger Autoren. :breitgrins:


    Zitat


    Wie müßte ich ihn denn nun bewerten, wenn ich das objektiv tun wollte?


    Objektive Bewertungen sind eigentlich ein Paradoxon, oder? Man kann nur versuchen, sich seine Wertmaßstäbe bewusst zu machen (die sich im Laufe des Lebens ja durchaus ändern) und sie wenn nötig zu erklären. Streit über Literatur ist doch eigentlich immer ein Streit über Erwartungen und implizite Wertmaßstäbe, die eben nicht bei allen gleich aussehen.

    Der Grad der Identifikationsmöglichkeiten wird in der "Hochliteratur" ja eher nicht als Kriterium akzeptiert oder umgekehrt proportional angelegt: je größer die (unreflektierte) Identifikation des Lesers, desto wertloser die Literatur. Die unglaublich unterschiedlichen Leserpsychen und das Positive an Werken, die sehr unterschiedliche Wahrnehmungsweisen erlauben, wird dabei ziemlich oft übergangen.


    Wobei ich Eco zu Gute halte, dass er wohl keine Botschaft vermitteln will. Höchstens die Intellktuellen (sprich: die Literaturkritiker und Literaturwissenschafter) verarschen und ihnen Stoff zur Beschäftigungstherapie liefern.


    Ich glaube ja an das Gute im Menschen und auch in Herrn Eco :breitgrins:. Das Wesentliche ist wohl wirklich, was man von Literatur will und worauf man bereit ist, sich einzulassen.


    Speziell für dich ein Zitat aus der "Nachschrift" zu NdR:

    Zitat

    Was für einen Idealleser wünschte ich mir, als ich schrieb? Einen Komplizen, gewiss, der mein Spiel mitmachte. (...) Und wenn du dann gut genug bist, erkennst du sogar, wie ich dich in die Falle gelockt habe, schließlich hatte ich's dir bei jedem Schritt deutlich gesagt, ich hatte dich unüberhörbar gewarnt, dass ich dabei war, dich ins Verderben zu ziehen! Aber das Schöne an Teufelspakten ist ja gerade, dass man sie klarsichtig unterschreibt, wissend, mit wem man sich einlässt. Wofür käme man sonst zum Lohn in die Hölle?


    Mir gefällt das. Ich gebe zu, dass er da durchaus sehr selbstbewusst, wenn nicht sogar selbstgefällig ist. Aber wer das so offen sagt und es außerdem noch drauf hat, darf das. :smile:

    Noch eine nicht-klassische, aber sehr intensiv dargestellte amour fou: LiebesLeben von Zeruya Shalev. Auch hier die Beziehung zwischen einer jüngeren Frau und einem älteren Mann, die für die Ich-Erzählerin zur Hörigkeit wird, aus der sie sich lange nicht lösen kann.

    Diese Diskussion finde ich so interessant, dass ich mich angemeldet habe. :winken: Meine intensivere Eco-Lektüre ist zwar schon eine Weile her, aber gerade "Der Name der Rose" hat mir ausgesprochen gut gefallen, genauso wie einige der semiotischen und literaturtheoretischen Veröffentlichungen.



    Ich habe das Buch zweimal gelesen (das erste Mal als ich noch auf der Schule war) und ich habe es hauptsächlich als spannenden Mittelalter-Krimi gelesen. Auch bei der zweiten Lektüre hat es wieder Spaß gemacht


    Das ist ein Grund, warum ich den Roman ausgesprochen gelungen finde. Man kann ihn als Detektivroman lesen und die philosophischen/historischen Ausführungen weitgehend überblättern, man kann ihn als historischen Roman, als Schauerroman und auf viele weitere Arten lesen. Man kann auch darin wühlen und alle möglichen literarischen, philosophischen, semiotischen etc. Bezüge finden - muss man aber nicht, um ihn zu mögen. Mir gefällt das, weil es so "demokratisch" ist und das Lesevergnügen grundsätzlich unabhängig von allen Vorkenntnissen entstehen kann. :smile:


    Sandhofer, deinen "Zerbrösel"-Einwurf finde ich besonders spannend, weil er dem sehr nahekommt, was mich bei Literatur furchtbar auf die Palme bringen kann: Da möchte mir jemand eine Botschaft vermitteln, ohne sie direkt auszusprechen (oder in ganz schlimmen Fällen sogar doch, indem er sie irgendwie explizit einbaut) und ich fühle mich als Leser unterschätzt und verkaspert - man merkt die Absicht und man ist verstimmt (von wem war das noch?)


    In Ecos Fall ging es mir nicht so. Um hier schon beim zweiten Lesen die "Scharniere" zu erkennen, muss man schon einen verflixt guten Bildungshintergrund auf mehreren Gebieten haben *hutzieh*; der Mehrheit der Leser geht das sicherlich nicht so. Und selbst wenn man sie erkennt, sehe ich die zweifellos vorhandene Konstruiertheit hier nicht als Mittel der Belehrung, sondern eher als Aufforderung zum Spiel (ob man das mag, ist natürlich eine andere Sache). Dies ist sicher kein Roman, der einen emotional mitreißen kann, vielleicht mit Ausnahme einzelner Passagen beim ersten Lesen. Aber das muss ja auch nicht bei jedem Roman sein. Denkanstöße in alle möglichen Richtungen gibt er sicher, wenn man sich darauf einlässt, aber ohne mit wedelndem Zeigefinger zu belehren - was ich ihm hoch anrechne.