Joseph Lloyd Carr

  • Dieser Autor ist in Deutschland noch nicht so bekannt. Das sollte sich aber ändern!


    J.L.Carr: Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten (1975)


    Joseph Lloyd Carrs (1912-1994) Werk ist seit einigen Jahren auf Deutsch erhältlich: Berühmt wurde der Schriftsteller und Pädagoge besonders durch seinen Roman „Ein Monat auf dem Lande“, der auch verfilmt wurde.

    Inhalt
    In dem fiktiven Dorf Steeple Sinderby in den Fens, jenem tief liegenden entwässerten Moorland rund um die große Bucht The Wash in Ostengland, herrscht ländliche Ruhe. Einige kluge Köpfe jedoch feilen an einem großen Vorhaben: Der ehemalige Ligaspieler Alex Slingsby, der aufgrund eines tragischen Unfalls seiner Frau seine erfolgversprechende Profikarriere aufgegeben hat und nun als Sportlehrer im Dorf arbeitet, sein ungarischstämmiger Schuldirektor Kossuth mit herausragenden pädagogischen Fähigkeiten sowie der reiche Bauer Fangfoss, der der Vorstand jedes Vereins und aller Institutionen der ländlichen Gemeinde ist, planen, den verschlafenen Fußballverein des Dorfs zum Pokalwettbewerb der englischen Ligen anzumelden und dort möglichst weit zu kommen. Dies wollen sie schaffen mit den sechs grundlegenden Fußballregeln des Schuldirektors Kossuth, die der Motivation der Spieler und grundlegender Taktik gewidmet sind. Sie aktivieren einen weiteren ehemaligen Profi, Sid Swift, und mithilfe des Pfarrers als Flügelstürmer und des Milchmanns als Torwart sowie weiterer schräger Typen schlagen sie zunächst die Nachbargemeinden, darunter besonders die Bischofsstadt Barchester, dann die Vertreter der vierten bis ersten Liga, erwarten im Halbfinale zu Hause Manchester City und besiegen schließlich im letzten Moment auch die Glasgow Rangers im Finale im Wembley Stadion.

    Stil und meine Meinung.

    Der kleine Roman oder die umfangreiche Novelle (knappe 200 Seiten) ist ein Glanzstück englischer Erzählkunst und ebensolchen Humors. Als Ich-Erzähler dient der Grußkartenspruchschreiber und Vereinssekretär sowie Mädchen für alles Joe Gidner, der dies alles als Entwurf zur offiziellen Gedenkschrift über das Pokalabenteuer schreibt, was ihm die Möglichkeit eröffnet, kleine Sidekicks zu machen und sich der Charakterisierung der handelnden Personen zu widmen, ironisch und dennoch mit Menschenliebe, wie es eben die großen englischen Schriftsteller so unvergleichbar beherrschen. Die Schläue, mit der anhand der Kossuthschen Regeln und deren Umsetzung durch Alex Slingsby die Wanderers ihre eigenen Nachteile zu ihren Vorteilen umwidmen, kann einen nur erstaunen und in fassungsloses Lachen ausbrechen lassen. So machen sie, da die höheren Vereine nur das Spielen auf ebenen, gut gepflegten Plätzen kennen, eine ihrer holprigen Wiesen zu ihrem Verbündeten, die außerdem an einem Hang liegt, so dass die Kopfbälle der besser ausgebildeten Gegner entweder über alle hinwegfliegen oder die Brust der anderen Spieler treffen. Manchester City dagegen scheitert im Halbfinale an den engen kleinen Wegen zum „Stadion“ der Wanderers, so dass selbst der Mannschaftsbus stecken bleibt und die erschöpften Profis eine Meile zu Fuß durch den schweren Boden bis zum Veranstaltungsort wandern müssen. Skurille Dorfbewohnerinnen wie die für eine Sekte missionierende Schwester des Pfarrers, die lokale Sportreporterin oder eine Gang von resoluten jungen Frauen unterstützen die Wanderers. Aber auch die Melancholie kommt nicht zu kurz, die reizarme Landschaft der Fens, das abwechslungsarme Leben dort und das ständige Bewusstsein, dass die Ereignisse dieses Wettbewerbs unwiederholbar sind, geben der Erzählung die nötige Tiefe. Daneben erfreuen den Liebhaber der englischen Literatur zahlreiche literarische Anspielungen, besonders auf die Barchester-Reihe von Anthony Trollope, in der dieser sich satirisch mit der Arroganz der High Church-Vertreter auseinandersetzt, was Carr im Rahmen des Fußballduells der beiden Clubs fortführt.


    Ich werde ganz sicher mehr von diesem Autor lesen!