Felix Timmermans: Dämmerungen des Todes (1910)
Felix Timmermans (1886-1947) war ein flämischer Autor und Maler, der internationales Ansehen besonders durch seinen Roman „Pallieter“ von 1916 erhielt.
Die hier vorgestellte Sammlung von fünf Erzählungen „Dämmerungen des Todes“ sind ein Frühwerk, das während einer Phase der Depression und Sinnsuche entstand, die durch den Ausbruch und das Überstehen einer schweren Krankheit abgeschlossen wurde, in deren Folge dann der lebensbejahende „Pallieter“ entstand.
Zum Inhalt
Die fünf kurzen Schauergeschichten (nur die zweite „Der Keller“ ist knapp fünfzig Seiten lang) beschreiben jeweils eine Krisensituation im Leben ihrer Protagonisten, die alle männlich sind und meist entweder religiös oder anderweitig spirituell gebunden sind. Eine Mutter stirbt, als sie gerade auf dem Weg der Besserung scheint (Der Leichenbitter); Ein junger Mann ist inspiriert von orientalischen Schriften, die den Weg zur Erkenntnis und besseren Welt in einem Leben absoluter Reinheit zweier füreinander bestimmter Eheleute sieht und verweigert seiner Frau infolgedessen die körperliche Liebe und die Aussicht auf ein Kind (Der Keller); Ein Totengräber hebt während einer Epidemie ein Grab auf Vorrat auf und fürchtet sich dann, dass er damit sein eigenes Grab geschaufelt hätte (Das siebte Grab); Ein junger Mann zieht sich zur Sinnsuche in ein Kloster zurück und wechselt die Zelle, weil er glaubt, verfolgt zu werden, am nächsten Morgen ist seine ursprüngliche Zelle zerstört (Die weiße Vase). Schließlich will ein Romeo und Julia-Paar wegen seiner aussichtslose Liebe den gemeinsamen Tod im Wasser suchen, aber nur die Frau ertrinkt und der Mann freut sich zunächst, überlebt zu haben, fühlt sich dann aber immer mehr von der Frau zum Wasser gezogen (Das Ungekannte).
Form und meine Meinung:
Die Geschichten sind im überladenen Stil der vorigen Jahrhundertwende verfasst, mit einer reichen Adjektivausschmückung und vielen sprachlichen Bildern, voller Symbolik. Besonders fällt dabei die Beschreibung von Sonnenuntergängen auf, die in jeder der Geschichten eine Rolle spielen. Auch wenn sich hier zum Teil noch Epigonalität und jugendliche Ausdrucksschwäche zeigen, haben die Geschichten doch einen starken Sog durch ihre sehr dichte Atmosphäre und vermitteln auch ein sehr intensives Bild der flämischen Marschlandschaft mit ihren weiten baumlosen Ebenen und alten, von Klöstern und Kirchen geprägten Siedlungen. Religion wird als Erlösung häufig gesucht, aber nicht gefunden, es bleibt eine bleischwere Vorstellung von der Vorbestimmung des Schicksals beherrschend. Mir sind sowohl Mystik als auch Schauergeschichten fremd, dennoch fand ich es interessant, in diese fremde Welt der Dunkelheit und spiritueller Getriebenheit zu schauen. Dicker hätte der Band dafür aber auch nicht sein müssen. Für Leser, die Schauergeschichten mögen, ist das aber wohl ein lesenswertes Büchlein, leider nur noch antiquarisch erhältlich.