Karl Krolow

  • Karl Krolow: Gedichte und poetologische Texte (seit 1948 – 1983)


    Karl Krolow (1915-1999) gilt als einer der wichtigsten Lyriker der deutschen Nachkriegsliteratur.

    Er durchschritt in seinem Werk unterschiedliche literarische Strömungen, von denen er einige für sein Werk nutzte und abwandelte. Er begann mit Naturlyrik in der Tradition von Oskar Loerke und Wilhelm Lehmann, nahm dann nach dem Krieg Anregungen vor allem aus der französischen Lyrik auf und verwandte zum Beispiel Elemente des Surrealismus. Bald aber entwickelte er immer mehr seinen eigenen Stil des Minimalismus, der individuellen Zurückgenommenheit, der dem Stoff, den Sachen, den Emotionen im Gedicht weniger Raum geben will als den grundsätzlichen Themen, die Krolow umtrieben: z.B. was man mit Sprache eigentlich ausdrücken kann und wie sprachlos man oft ist, gegen Gewalt, Terror und Krieg, das Leben im ständigen Angesicht des Todes, die erstarrte Gesellschaft.

    Krolow verwendete klassische, strenge Gedichtformen wie das Sonett und genauso oft freie Verse ohne Bindung durch Reim und Metrum.

    Ich habe ein kleines Reclam-Heftchen mit 34 Gedichten und vier poetologischen Texten gelesen. Einiges gefällt mir sehr gut, gerade wegen der oben erwähnten Zurückgenommenheit.


    Ein Beispiel:


    Neues Wesen (1967)


    Blau kommt auf

    Wie Mörikes leiser Harfenton.

    Immer wieder

    wird das so sein.

    Auf die verschiedenen Wände

    scheint Sonne.

    Jeder erwartet das.

    Frühling, ja, du bist’s!

    Man kann das nachlesen.

    Die grüne Hecke ist ein Zitat

    aus einem unbekannten Dichter.

    Die Leute streichen auch

    ihre Familien an, die Autos,

    die Boote.

    Ihr neues Wesen

    gefällt allgemein.


    Womit ich Probleme habe, ist, dass Krolows Haltung während des Nationalsozialismus weder in meinem kleinen Büchlein noch in dem, was ich im Netz gefunden habe, von und über ihn, wirklich thematisiert wurde. Nur eine Bürgerinitiative, die sich mit ihm beschäftigte, als eine Straße in seinem langjährigen Wohnort Darmstadt nach ihm benannt wurde, hat herausgefunden, dass er Mitglied der HJ, der NSDAP und sogar Referent beim Reichsführer SS für das deutsche Volkstum war, seine frühen Gedichte in NS-Blättern veröffentlichte. Dazu nimmt er in den Interviews und Texten, die ich bisher gefunden habe, nicht Stellung, wird aber auch nicht danach gefragt. Nach dem Krieg hat er sich sehr eindeutig gegen jede Art von Gewalt und Diktatur gewandt, aber bei dieser Vergangenheit bleibt doch ein ziemliches Geschmäckle übrig, auch wenn es sicherlich schwierig war, als Autor in jenen Zeiten berufstätig zu sein.