Wolfgang Koeppen: Jugend

  • …war erschienen als Band 500 der Bibliothek Suhrkamp, und in dieser Edition fand ich sie in der Wühlkiste einer nahegelegenen Büchergilde. Der nur etwa 140 Seiten lange Text schildert – vermutlich, so genau ist das nicht bekannt – teils autobiografische, teils fiktive Erlebnisse und Impressionen des Erzählers – überwiegend, aber nicht ausschließlich in der Ichform niedergeschrieben. In der Erzählebene ist er das „früheste“ Werk Koeppens, die Zeit ist der Fehlstart der deutschen Republik nach dem Ende des ersten Weltkriegs, einzelne Erinnerungsskizzen reichen auch noch in die Kriegsjahre zurück, es gibt im Übrigen keinen zeitlich linearen Ablauf. Werkhistorisch ist er das letzte zusammenhängende Prosawerk Koeppens. „Jugend“ hat anscheinend eine etwas verschlungene Werkgeschichte; Koeppen selbst stellte in Abrede, dass es Vorstudien zu einem größeren Roman gewesen seien. Als Zeugnis der Zeit einer Schaffenskrise kann man jedenfalls nur staunen: das schmale Büchlein hat es in sich.


    Mit Koeppens drei großen Romanen hatte ich immer meine Probleme. Der Sprachduktus war mir fremd, ich kam damit einfach nicht ins Reine, ohne so recht sagen zu können, warum. Mit „Jugend“ verhält es sich umgekehrt: Sprache und Stil sind viel hakeliger, aber mit allen ihren Komplikationen überzeugen sie mich mehr. Ans Expressionistische grenzende Bilder und Metaphern, über und über gehäuft; innere Monologe, in Joycescher Manier ohne Satzzeichen (wer denkt schon mit Punkt und Komma?); Perspektivwechsel von erster in dritte Person, alles durchwirkt mit einem grimmigen Humor. Es ist gegenüber den drei populären Romanen Koeppens mit Abstand der modernste und formal anspruchsvollste Text, in dem es um den Sturz der letzten Abkömmlinge eines Pommerschen Gutsinhabergeschlechts ins Mittellose geht, um die persistierende Macht der alten Herrschaftsschicht, um das Durchschlagen unter elenden Verhältnissen und die Maskeraden einer darübergestülpten Flitterwelt.


    Gar nicht auszudenken, was erst aus einem Roman mit diesen Attributen geworden wäre.