Christian Heinrich Spieß: Das Petermännchen

  • Ich lese gerade mit großer Freude diesen Roman aus dem Jahr 1791, auf den ich durch Zufall gestoßen bin.

    Das Petermännchen ist eine Art Hausgeist, der in der Familie des Hauptprotagonisten, des Ritters Rudoph, seit langer Zeit auftritt. Rudolph macht sich den kleinen Geist gefügig und erbittet bzw. verlangt von ihm alle möglichen Dienste, vor allem bei seinen Liebeshändeln. Amüsant ist, dass das Petermännchen verheiratet ist mit einem Peterweibchen, aber von diesem getrennt und verfeindet lebt. Auch das Peterweibchen steht Rudolph zu Diensten, versucht aber gleichzeitig das Petermännchen auszustechen. Die beiden versehen Rudolph mit allen möglichen zauberischen Gegenständen, z.B. einem Gürtel, der vor sexueller Versuchung schützt, und einem Hut, der unverwundbar macht; liegen dabei aber ständig in Konkurrenz und versuchen ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Rudolph will es mit beiden nicht verderben und laviert immer hin und her.


    Die menschlichen Protagonisten - Rudolph und seine verschiedenen Geliebten - erscheinen von ihren Leidenschaften getrieben und wenig vernünftig. Rudolph fühlt sich zu immer neuen Frauen hingezogen und muss im zweiten Teil sogar seine Seele dem Teufel verkaufen. In manchen Punkten erinnert der Plot an den berühmten Schauerroman "Der Mönch", der 1796 erschien. Allerdings moralisiert Spieß sehr viel weniger als der Autor des "Mönch" und hat auch wesentlich mehr Humor. Ich kann das Buch empfehlen. Bin noch nicht ganz durch und sehr gespannt, wie es ausgeht.

  • Den zweiten Teil des Romans fand ich weniger reizvoll. Rudolph verschreibt seine Seele dem Beelzebub und damit hebt der Erzähler penetrant den Zeigefinger. Sowohl die Plotstruktur als auch der Erzählton ähneln immer mehr Lewis' "Mönch" - eine Passage etwa, in der eine Frau während eines hysterischen Anfalls "ungewollt ihre Reize enthüllt", könnte direkt aus Lewis' Feder stammen. Übrigens heißt es auch in dem Wiki-Artikel zu Lewis, er sei "von deutschen Trivialautoren vom Schlage eines Christian Heinrich Spieß beeinflusst".


    Ein nettes Zitat: Rudolph schachert mit Beelzebub um die verbleibende Zeit seiner Lebensjahre. Beelzebub will seine Seele in zwölf Jahren einheimsen, Rudolph verlangt vierzig. Beelzebub darauf: "Solch einen Termin gibt der Elendeste meiner Teufel nicht, geschweige denn ihr Oberster. Guter Freund, die Ware (gemeint ist die Seele) ist nicht mehr so theuer; man kann sie wohlfeiler haben.(...) Die Wollust und der Luxus sind gute Kunden, sie versehen mich hinlänglich. Krieg und Faustrecht schleppt mir auch genug zu, und in Zukunft wird es noch besser werden. Ehe noch fünfhundert Jahre vergehen, wird man Seelen umsonst haben und nicht zu kaufen brauchen; da werden die Leute keinen Gott mehr glauben und meinen Teufeln selbst in die Klauen laufen."