Rätsel Brecht Keuner Pflaumenbaum

  • Hallo,


    vielleicht hat der ein oder andere von euch schon mal über die Geschichte von Herrn Keuner und dem Pflaumenbaum nachgedacht. Also ich habe 30 Jahre über diese Geschichte nachgedacht. OK, nicht am Stück natürlich, aber alle paar Jahre habe ich die Geschichte noch mal hervorgeholt und nachgelesen, ob ich sie jetzt verstehe. Gestern ist mir die Erleuchtung gekommen, die ich gerne mit euch teilen möchte. Bzw. ich möchte ein Rätsel daraus machen.


    Die Geschichte ist sehr kurz, vllt 15 Zeilen. Wer sie nicht zur Hand hat, man findet sie schnell, wenn man "herr keuner konsequenz pflaumenbaum" googlet. Die Geschichte ist aber auch schnell nacherzählt:


    Herr Keuner wollte den Kontakt zu einer bestimmten Person abbrechen, weil er sie nicht mochte. Er erfuhr, dass die Person zur Miete in einem bestimmten Haus wohnte und vom Vermieter verlangt hatte, einen Pflaumenbaum abzuschlagen, da dieser der Person das Licht wegnahm. Der Vermieter hatte sich aber geweigert, weil er erst abwarten wollte, bis die Pflaumen reif waren. Keuner überlegte, ob er dieses Ansinnen der Person als Grund dafür nehmen könnte, den Kontakt zu ihr abzubrechen. Später erfuhr Keuner, dass die Person dem Vermieter in der Zwischenzeit das Haus abgekauft und dann den Pflaumenbaum abgeschlagen hatte. Er brach den Kontakt zu der Person wegen ihres inkonsequenten Verhaltens ab.


    Nun das Rätsel: Wieso ist dieses Verhalten inkonsequent? Die Person wollte den Baum abschlagen und hat es dann später tatsächlich getan. Das ist doch absolut konsequent, oder? Warum nennt Herr Keuner dieses Verhalten inkonsequent?


    Das ist die Frage, über die ich 30 Jahre nachgedacht habe und auf die ich jetzt eine Lösung habe. Die will ich aber nicht gleich hier präsentieren, sondern euch erst mal Gelegenheit geben, selbst darüber nachzudenken.


    2 Tipps noch dazu:


    Zunächst muss man wissen, dass Herr Keuner in diesen Geschichten immer als eine Art Lehrer auftritt. Selbst wenn das, was er sagt, falsch oder absurd klingt, so ist es doch immer "in einem höheren Sinne wahr".


    Der zweite Tipp: Viele Herr-Keuner-Geschichten und so auch diese lassen sich als Illustrationen eines bestimmten Spruchs lesen. Diesen Spruch werde ich verkehrt herum schreiben, für diejenigen, die versuchen wollen, das Rätsel ohne den zweiten Tipp zu lösen.


    NIESTSSUWEB SAD TMMITSEB NIES SAD


    Ich würde mich sehr freuen, wenn sich einige von euch an dem Rätsel beteiligen würden. Vllt gibt es noch andere Lösungen, aber ich mir sicher, eine absolut stimmige gefunden zu haben.


    Viele Grüße,
    Kismet

  • Mir ist aufgefallen, dass ich die Geschichte in einem Detail falsch wiedergegeben habe. Sorry.


    Keuner wollte ursprünglich den Kontakt zu der Person nicht wegen des Ansinnens abbrechen, den Baum abzuschlagen, sondern die Person hatte zu diesen Zeitpunkt den Baum bereits abgeschlagen und Keuner wollte den Kontakt deswegen abbrechen.


    Der Rest der Geschichte und insbesondere das Rätsel bleibt davon jedoch unberührt.


    Nochmal: Wieso ist das Verhalten der Person inkonsequent. Den Baum abschlagen wollen und dann abschlagen, das ist doch eigentlich konsequent, oder?

  • Die Inkonsequenz könnte darin liegen, dass der Pflaumenbaum ein Chiffre für Produktionsmittel des Eigentümers darstellt. Der besitzlose Mieter hat von dem Vorhandensein des Baumes keinen Vorteil (wenn man im Sommer von Schattenwurf absieht). Sei Interesse richtet sich also auf dessen Beseitigung. Wenn der Mieter nun die Seite wechselt und Produktionsmittel erwirbt, kehrt sich die Interessenlage um: er müsste jetzt Interesse an der Erhaltung von Produktionsmitteln haben und dieses Interesse notfalls auch gegen die Wünsche der neuen nichtbesitzenden Mieter durchsetzen, anstatt sein eigenes Kapital zu verschrotten. Die Inkonsequenz besteht darin, dass der ehemalige Mieter und neue Eigentümer zwar Besitzender geworden ist, aber nicht gemäß seiner neue Rolle zu handeln versteht.


    Das würde dann auch zum dialektischen Materialismus passen, nicht?

  • Alle Achtung! Respekt!


    Ja, das trifft ziemlich genau das, was ich dazu auch sagen wollte.


    Man kann die Sache auch mit dem marxistischen Spruch "Das Sein bestimmt das Bewusstsein" erklären.


    Jemand will / will nicht den Baum abhacken - das ist die Seite des Bewusstseins (Wollen ist ein Bewusstseinsakt).


    Jemand ist Mieter / Hausbesitzer - das ist die Seite des Seins, was jemand ist.


    Solange er als Mieter den Baum abhacken wollte, stimmten Sein und Bewusstsein noch überein. Als Hausbesitzer müsste aber eigentlich sein Sein sein Bewusstsein bestimmen und er dürfte nicht länger den Baum abhacken wollen. (Aus den von Dir genannten Gründen.) Dass er dies aber dennoch will, darin liegt die Inkonsequenz. Die Inkonsequenz besteht darin, dass er nicht konsequent sein Bewusstsein durch sein Sein bestimmen lässt.

  • Und wo steht, dass er inzwischen neue Mieter hatte und sich nicht weiterhin als Eigentümer durch den Baum belästigt fühlte?


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit


  • Und wo steht, dass er inzwischen neue Mieter hatte und sich nicht weiterhin als Eigentümer durch den Baum belästigt fühlte?


    Gruß
    Meier


    Das steht nirgendwo, aber wer seinen DiaMat gelernt hat, der weiß, dass es auf solche Empfindlichkeiten nicht ankommt, da zählt nur Haben und Nichthaben. Marxismus ist Materialismus, nicht Befindlichkeitspflege. :breitgrins:

  • Die Frage, ob er sich nicht auch als Hausbesitzer durch den Baum gestört fühlt, ist durchaus relevant. Das Beispiel ist aber so konstruiert, dass diese Möglichkeit nicht zum Tragen kommt. Wenn man genau liest, geht es nämlich nicht um die Frage, ob der Baum prinzipiell abgehackt werden soll oder nicht, sondern nur um die Frage, ob man vor dem Abhacken erst noch die Pflaumen ernten sollte. Selbst wenn ihn als Hausbesitzer der Baum immer noch stört, wäre es in jedem Fall doch sinnvoll, noch die Ernte abzuwarten. Darin liegt die Inkonsequenz.