Sanja Iveković

  • Die 1949 in Zagreb geborene Sanja Iveković studierte zunächst an der Akademie der bildenden Künste in ihrer Geburtsstadt bevor sie vom 68er Geist geprägt als feministische Künstlerin mit Fotomontagen, Videoinstallationen und Performances bekannt wurde. Inzwischen hat sie sich auch anderen politischen Themen zugewandt.
    Nach 1987 (documenta 8), 2002 (documenta 11) und 2007 (documenta 12) nimmt Sanja Iveković dieses Jahr zum 4. Mal an einer documenta, der dOCUMENTA (13) teil.


    2011 hatte sie am Museum of Modern Art in New York eine Einzelausstellung „Sweet Violence“, bei der u.a. ihre Arbeiten als Pionier der Videokunst gezeigt wurden:
    http://www.moma.org/visit/calendar/exhibitions/1148


    Sanja Iveković lebt in Zagreb.
    http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20120602195955

  • Wenn ich gefragt werde welche Künstler mir spontan einfallen, die 2002 auf der documenta vertreten waren, so gehört neben der Iranerin Shirin Neshat mit ihrem Film „Tuba“ die kroatische Künstlerin Sanja Iveković zu den ersten an die ich mich erinnere.


    Zwar war ihr Werk ein auf einem kleinen TV-Gerät im Fridericianum gezeigtes Video von ca. 3,5 Minuten mit dem Titel „Personal Cuts“ in den Ausmaßen recht bescheiden, noch dazu nicht neu, sondern von 1982, also noch vor dem Zerfall Jugoslawiens entstanden, aber ich kann mich auch heute 10 Jahre später noch genau an das gezeigte erinnern:


    „Personal Cuts“ zeigt zunächst den Kopf der Künstlerin, der mit einer schwarzen Strumpfmaske bedeckt ist. Mit einer Schere schneidet sie ein Loch in die Maske. Dann ein kurzer Ausschnitt aus der staatlichen Fernsehserie „Die Geschichte Jugoslawiens“ – wieder ein Schnitt in die Maske – eine Sequenz aus der jugoslawischen Fernsehreihe – ein Schnitt usw. Am Ende blickt Sanja Iveković von der Maske befreit in die Kamera.
    http://www.moma.org/interactiv…jaivekovic/#personal-cuts


    Neben diesem Video hatte Sanja Iveković im zweiten Stock des Fridericianum ein Archiv zur Aufarbeitung persönlicher Schicksale eingerichtet. Aufhänger dazu war, wenn ich mich recht erinnere, die Suche nach der KZ-Nummer ihrer eigenen Mutter, die in Auschwitz war, aber überlebte. Ein Raum der immer gut besucht war.

  • Im Vergleich zu 2002 nahm die documenta-Arbeit von Sanja Iveković auf der documenta 2007 einen sehr viel größeren Platz ein und war das von den Medien am meisten beachtete Kunstwerk. Kaum ein Bericht über die documenta 12, der auf ein Bild des Mohnfeldes mit seiner trügerischen Schönheit, das den Friedrichsplatz in ein rotes Blütenmeer, einen „roten Platz“ verwandelt hatte, verzichtete.
    http://de.wikipedia.org/w/inde…etimestamp=20070815090719


    Für ihr „Mohnfeld“ säte Sanja Iveković 90% Klatschmohn und 10% Blaumohn auf dem Platz vor dem Fridericianum aus und spielte so symbolisch auf verschiedene auch politische und revolutionäre Ikonographien an:


    Bei den Griechen war der Mohn Persephone geweiht, aber auch der Gott des Schlafes Hyphnos wird oft mit Mohnblumen in der Hand dargestellt. Der Klatschmohn gilt also als Zeichen für Fruchtbarkeit, Schlaf, Vergessen und Tod kann aber auch als Symbol für Vergänglichkeit gedeutet werden, heute noch blüht er wunderschön rot und morgen schon hat er alle Blätter verloren. Im angelsächsischen Raum ist der rote Mohn ein Symbol für das Gedenken an gefallene Soldaten, in den kommunistischen Ländern stellte er den Geist von Widerstand und Revolution dar. Der Blaumohn dagegen macht auf die Drogenproduktion vor allem in Afghanistan aufmerksam
    Wie in anderen öffentlichen Kunstwerken hatte Sanja Iveković für das „Mohnfeld“ mit feministischen Aktivistinnen zusammengearbeitet. Solange der Mohn blühte ließ die Künstlerin bei schönem Wetter zweimal täglich (um 12 und 17 Uhr) aus Lautsprechern revolutionäre Gesänge und Befreiungslieder ertönen. Zunächst vier Lieder vom Chor der Zagreber Frauengruppe Le Zbor in kroatischer Sprache gesungen und dann fünf weitere Lieder in den beiden in Afghanistan gesprochenen Sprachen Dari und Pashto von Studentinnen der revolutionären Vereinigung der Frauen Afghanistans. Durch die Besetzung des öffentlichen Raumes betonte Sanja Iveković die menschenrechtliche Komponente ihres Werkes. Mit ihren Kooperationspartnerinnen übte sie Kritik an der Verletzung der Rechte der Frauen und an den „demokratischen Gesellschaften“ in denen sie leben.

  • Durch das Poppy Field von 2007 und dessen Verbindung zu Afghanistan war Sanja Iveković für die diesjährige documenta, die u.a. die Verwischung der Grenze zwischen Natur und Kunst zum Ziel hat prädestiniert. Aber Sanja Iveković, immer für eine Überraschung gut, hat sich für ihr zweigeteiltes Werk „The Disobedient“ von zwei historischen Dokumenten anregen lassen:


    In den Archiven der Gedenkstätte für das „Arbeitserziehungslager“ (KZ) im ehemaligen Kloster Breitenau bei Kassel, wo Tausende Zwangsarbeiter vor allem aus Osteuropa zwischen 1940 und 1945 gefangen gehalten wurden, fand sie eine bürokratische Aufstellung, die den Grund für die Inhaftierung nennt, meistens „arbeitsscheu“. Für „The Disobedient (Reasons for Imprisonment)“ ließ Sanja Iveković diese Gründe auf Poster drucken und im öffentlichen Raum in ganz Kassel aufhängen um an den Einsatz von Zwangsarbeitern im 3. Reich zu erinnern und eine Brücke zu schlagen zum heutigen neoliberalen Kapitalismus, der neue Formen der Ausbeutung gefunden hat.


    Ein Pressefoto, das 1933 in der „Hessischen Volkswacht“ erschien inspirierte Sanja Iveković zum zweiten Teil ihrer Arbeit: „The Disobedient (The Revolutionaries)“:
    Das Bild fasziniert: Ein Esel, gefangen hinter Stacheldraht, von einer Menschenmenge begafft, wird von einem Nazioffizier verhöhnt, scheint sich aber zu weigern sich zu unterwerfen. Dieses symbolische „KZ für widerspenstige Staatsbürger“ war auf dem Kasseler Opernplatz als Warnung errichtet, nicht bei Juden zu kaufen.
    http://www.mydocumenta.de/docu…derspenstige-2350510.html


    Neben dieses Bild hat Sanja Iveković in einem Raum in der Neuen Galerie in Vitrinen 50 Plüschesel gestellt
    http://bturn.com/wp-content/up…06/Documenta-2-crop-2.jpg


    und jeden Esel (das symbolische Beast of Burden) mit dem Namen eines Widerstandskämpfers oder einem Opfer politischer Gewalt versehen z.B.


    Jan Palach
    http://www.radio.cz/de/rubrik/…-des-studenten-jan-palach


    Anna Politkowskaja
    http://www.faz.net/aktuell/pol…oss-ins-herz-1387177.html


    Primo Levi
    http://www.wollheim-memorial.d…_uomo_von_primo_levi_1958


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