Februar 2010: Siegfried Lenz - Deutschstunde

  • Hallo,


    nun bin ich auch durch.
    Wie vor fast 30 Jahren bin ich auch jetzt wieder von diesem Buch begeistert.
    Die Thematik der Pflichterfüllung unter allen Umständen hat mich wieder gefesselt. Allerdings bin ich der Ansicht, daß der Roman von der Spannung lebt, die sich zwischen Vater Jepsen und Nansen aufbaut. Die Auswirkung dieser Auseinandersetzung auf Siggi Jepsen war für mich der Mittelpunkt und damit auch die Frage, wie wirkt sich ein Verhalten auf andere Menschen aus. Und der Gegensatz zwischen dem freigeistigen Künstler und dem Polizisten, der einfach nur seine Pflicht erfüllt, aus seiner Sicht. Nicht hinterfragen, sondern nur gehorchen. Wobei ich auch etwas den Eindruck dadurch hatte, daß die "Rollenverteilung" somit deutlich ist und vllt. gewollt/ungewollt (?) relativ einfach ist. Hat Nansen eigentlich irgendwelche negative Eigenschaften? Abgesehen vllt. von einer gewissen Arroganz, die dem Künstler wohl anhaftet.
    Besonders hervorheben will ich aber auch einmal die sehr gelungenen Landschaftsbetrachtungen und -beschreibungen. Diese Bilder von der Nordsee, der tiefe, zerfurchte Himmel mit den Sturmwolken, habe ich selten so plastisch vor meinem geistigen Auge gesehen. Nun gut, ich habe aber auch eine gewisse Affinität zum Norden. Immer wieder dieses Bild, wie Vater Jepsen mit seinem Fahrrad gegen den Wind sich auf den Deich hochquält! So ist aus meiner Sicht sein Leben verlaufen, immer wieder das Anrennen gegen Hindernisse ohne im Grunde zu wissen, warum er das tut!
    Und zuletzt der interessante Gesichtspunkt, wohin auch Freundschaft (zwischen Vater Jepsen und Nansen) führen kann. Die unterschiedliche Entwicklung von Menschen einer Gegend! Aber eins ist für mich auch klar, in ihrer Sturköpfigkeit sind sie sich völlig gleich!


    Soweit,


    Gruß


    josmar

  • Hallo,


    Überhaupt kommt mir die Geschichte nach dem Ende des Krieges etwas konfus vor. Es wird alles recht schnell, z.T. nur indirekt über die Studienarbeit von Mackenrodt, erzählt. Aber vielleicht ist das ja bewusst so gestaltet, um Siggis zunehmende Desorientierung zum Ausdruck zu bringen.


    Ja, das kam mir auch so vor... Mich hat das Kapitel mit der Theateraufführung zunächst sehr irritiert, aber letztendlich hatte ja auch diese Szene ihre "Daseinsberechtigung" dahingehend, dass Klaas wieder auftauchte und das Leben nach dem Krieg etwas nähergebracht wurde...
    Und die Studienarbeit von Mackenroth "erzählt" sehr viel über die Entwicklung von Siggi...



    Nicht hinterfragen, sondern nur gehorchen. Wobei ich auch etwas den Eindruck dadurch hatte, daß die "Rollenverteilung" somit deutlich ist und vllt. gewollt/ungewollt (?) relativ einfach ist. Hat Nansen eigentlich irgendwelche negative Eigenschaften? Abgesehen vllt. von einer gewissen Arroganz, die dem Künstler wohl anhaftet.


    Ja, das scheint mir auch so... Nein, Nansen ist auch für mich eindeutig der "Sympathische", der über allem steht und überall nur positiv erscheint. Jepsen hingegen... Aber trotz allem Negativen, dass man über Jepsen sagen kann, richtig unsympathisch war er mir nicht - er tat mir eigentlich eher leid, weil er aus seiner Haut einfach nicht herauskann und sich somit selbst im Weg steht...



    Besonders hervorheben will ich aber auch einmal die sehr gelungenen Landschaftsbetrachtungen und -beschreibungen. Diese Bilder von der Nordsee, der tiefe, zerfurchte Himmel mit den Sturmwolken, habe ich selten so plastisch vor meinem geistigen Auge gesehen.


    Ja, die Landschafstbeschreibungen, die mir teilweise schon fast etwas zu langatmig waren, sind schon sehr gelungen und tragen dazu bei, sich die Landschaft gut vorstellen zu können... Scheint ja eine etwas abseits und recht ländliche Gegend zu sein - ob die Thematik zwischen Jepsen und Nansen in einer Stadt wie Berlin überhaupt jemals so entstanden wäre?? Und in Sachen Sturheit stehen sich die beiden auch meiner Meinung in nichts nach - jeder auf seine Art eben...
    So, ich werde das Buch Anfang der Woche wieder in der Bücherei abgeben - bin aber sicher, dass ich es nicht zum letzten Mal gelesen habe .... Danke für den Tipp und die Lesegruppe!!
    Herzliche Grüße
    Birgit

  • Hallo zusammen, leicht verspätet auch mein Fazit: ein für mich sehr lesenswertes Buch. Die Themen Pflicht, Gehorsam, Widerstand sind eindrücklich eingearbeitet und blieben bei mir stark haften. Die Charaktere fand ich sehr liebevoll gestaltet, auch die Nebenrollen wie z. B. Joswig. Beeindruckt haben mich auch die Landschaftsbeschreibungen; man spuert geradezu den Wind brausen.


    Zu Nansen: ich finde schon, dass er auch negative Eigenschaften zugeschrieben bekommt, naemlich seine Intoleranz. Aber das gefaellt mir auch, dass er nicht als eindimensionaler Gutmensch gezeichnet wird. Mit Jens geht es mir wie thebi: ich kann ihn trotz seiner Fehler nicht völlig schlecht finden. Auch Siggi ist nicht einfach einzuordnen. Was es letztlich mit seiner Bildermanie auf sich hat, wird offen gelassen. Die Frauen sind Lenz nicht so gelungen, finde ich: Siggis Mutter bleibt trotz interessanter Ansaetze etwas blass, undauch von Hilke haette ich gern mehr gelesen.


    Aber das ist ja ein kleiner Kritikpunkt. Ansonsten fand ich das Buch sehr gut, und die Leserunde hat mir viel Freude gemacht :winken:


    Schoene Gruesse
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]