nach langer Pause

  • Ich bin lange nicht hiergewesen. Hier ein neuer Ansatz. - Brief an die Isar


    Um die Ecke denken. Das Gegenstrebige Heraklits. Der griechische Handwerker. Ausgewogene Spannung der Gegensätze. Nichts limonadenhaftes.
    In den Zeiten wo das Geschwätz an der Tagesordnung ist, sind Gedichte wie Kraftkugeln, in denen es vibriert, funkelt und summt.
    Im bedrängten Munde die Zunge. Immer wieder klingt der Schlag der Uhr hinein – und so verbringst du deine kurzen Tage – das Stundenglas, der Sand, der fällt, der Wimpernschlag, der die Sekunde teilt.
    Es sind auch Notizen aus dem Erdreich, so der Titel eines Gedichts.
    Hier nun aber einige Beobachtungen, die ich gemacht habe. Sie sind nicht so ernst zu nehmen, denn es sind „Einfühlungen“, keine nachprüfbaren Dinge. Ich will Ihnen keineswegs Konkurrenz machen. Ich gehe ja auch von meiner Eefahrung mit Texten und Menschen aus. Und ich benutze meine „Nase“.
    Ihr Brief besticht durch eine Diszipliniertheit beim Formulieren. Ganz ungewöhnlich wirkt dann der Gegensatz, - Sie schreiben anschließend aufgelockert, einmal auch putzig, und salopp („sonst fasle ich noch Seiten weiter“).
    Ich gewinne den Eindruck, dass Sie sich klar ausdrücken und auch im täglichen Leben klare Entscheidungen fällen. Halbheiten sind Ihnen zuwider. Fühlen Sie sich „angefahren“, so wird es bitterer Ernst.
    Jede Bemerkung zu einem Menschen, die ein Rat sein könnte, muß sehr behutsam ausgesprochen werden; dabei ist auch zu bedenken, dass der Sprecher selber ein Mensch ist, der mancher Hilfe bedarf, der nicht frei ist von Anerkennungswünschen, ja, der vielleicht sogar „in der Tinte sitzt“. Und während ich dies schreibe, geht mein Blick immer wieder zu dem Gedicht „Die unvollkommene Vollkommenheit“. Hierzu fallen mir Ihre Worte ein, - man kann seine Schrift nicht verstellen. Kann man denn einen Wesenszug, den man hat, ändern? Ich glaube, es sind nur kleine Kurskorrekturen möglich, - unsere Eigenart kommt immer wieder durch, so wie die Kompassnadel nach Norden schwingt. Sie sehen, - ich bin bei den Inhalten. Wer pferfekt seinen Koffer packt, seine Zeilen aufs Papier bringt, wer exakt denkt, - für den ist doch schon von Bedeutung, wie sein Nebenan, wie sein Gegenüber ist. Denn meine Zuwendung, wenn ich das Absolute liebe, wird die nicht auch absolut sein – und meinen Partner möglicherweise überfordern?


    Alles dies sind Gedanken-Angebote. Aber eine Aussage will ich wagen. Ich fürchte, Sie haben zuweilen das Problem, entweder folgerichtig, sehr genau – oder aber spontan zu sein. Sind wir spontan, so wagen wir es, dass unser Handeln sehr rasch abläuft. Wie leicht geraten wir schnell dorthin, wo wir uns nie sehen wollten. Ihr Originalton, - „küsst sie kess aufs Knie, aufs Kinn, auf den Kopf“.


    Nun bitte ich Sie aber von Herzen um eins, - nehmen Sie diesen „Zwischenbrief“ als Dank und sehen Sie darin keine Besserwisserei und nicht Neunmalkluges. Denn natürlich taste ich mich voran, und der Kaninchenhügel ist wohl das Sprechende an diesem Bief, - plötzlich ist da eine Idee, mit einem Mal ist da eine Stimme, die einem etwas gibt, die einem etwas sagt, - bleiben Sie nicht mit kalten Händen stehen, wenn der Schnee mit kleinen festen Flocken den Münchener Hauptbahnhof zuweht und die Stadt fast ohne Licht ist, weil unablässig die weißen Bausch-Bällchen, die jetzt dicker werden und pluschiger, treiben. Sondern blicken Sie nach oben, wo etwas Helle ist, die uns das Leben leichter macht: Erwartung, ein Streifen Hoffnung, so dass wir wissen, dass es weitergeht, während, mit zwei ganz kalten Händen, das Pochen unsres Herzens bleibt.
    Gruß an die Isar

    Eine Folge konsequenter Augenblicke ist immer eine Art von Ewigkeit selbst.

    Einmal editiert, zuletzt von litfink ()