Juli 2008-William Shakespeare: King Lear

  • Hallo zusammen! :smile:


    Wegen Urlaub und danach Post-Urlaubs-Stress erst jetzt die Anmerkungen aus Günthers Essay. Vielleicht interessiert es euch ja trotzdem noch.


    Dann bin ich mal gespannt; nur her damit :winken:


    Günther liest das Drama - etwas überspitzt gesagt - als ein Werk über Sprache, eigentlich sogar ein sprachkritisches Werk. Dass man mit Sprache lügen kann und im Schweigen wahrhaftiger sein kann als im Sprechen, wird ja schon ganz am Anfang, im Gespräch Lears mit seinen Töchtern, deutlich. Aber Sprache wird noch in vielen anderen Szenen reflektiert, z. B. von Edmund, der über die Bedeutung des Wortes "Bastard" nachdenkt und klarmacht, dass Sprache etwas sehr Subjektives ist und die eigene Weltsicht spiegelt - und natürlich auch, dass man mit ihr bewusst täuschen kann. Die täuschende, ehrliche oder verweigerte Sprache ihrerseits schafft harte Fakten: Lear verstößt Cordelia, Gloucester Edgar. Kent behauptet, wer klug sei, sage wenig. Er selbst aber, der eigentlich allzu (?) Ehrliche, setzt sich eine Maske auf, verstellt sich auch mit Hilfe der Sprache. Unehrliche Sprache kann also gut und böse sein, ehrliche auch - Fazit: Auf die Sprache ist kein Verlass. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Narr, der nur durch 'unvernünftige' Sprache die vernünftige Sicht der Dinge offenbar macht.


    Am Beispiel Lears wird nach Günther außerdem eine Art Sprachzerfall deutlich gemacht. Während der König sich anfangs noch sehr pompös und zeremoniell äußert, verfällt er nach und nach in ein emotionales Sprachchaos, im späteren Stadium mit (scheinbar) schwer nachvollziehbaren Assoziationssprüngen. Irgendwann meint Lear, die Sprache demaskiert und das 'Ding an sich' erkannt zu haben; was das ist, kann er allerdings sprachlich nicht mehr mitteilen ...


    Vermutlich habe ich die Thesen (ungefähr 20 Seiten) damit sehr unzulänglich zusammengefasst. Ich hoffe, ihr habt trotzdem einen Eindruck von diesem interessanten Ansatz. Frank Günther hat inzwischen unglaublich viele Shakespeare-Dramen übertragen, und ich denke, ich werde mir noch einige der zweisprachigen Ausgaben zulegen. Die Teile, die ich genauer auf Deutsch gelesen habe, schienen mir sehr bedacht (und manchmal mutig) übersetzt, und wie gesagt lohnt in meinen Augen allein der Essay diese Ausgabe.


    :winken:

  • Hallo ink-heart,


    danke für den Überblick über Frank Günthers Essay. Die Sprache ist mit Sicherheit sehr bedeutend im Lear, das haben wir damals an der Uni auch besprochen, wenn ich mich recht erinnere. V.a. an Lear selbst kann man sehr schön sehen, wie er langsam vom pompösen König zum chaotischen "Narren" wird. Wenn ich das nächste Mal in einen Buchladen komme, werde ich mal in eine Frank Günther-Übersetzung hineinschauen. Ich weiß, daß sie sehr kraftvoll und eher modern sind, im Gegensatz zu den Schlegel/Tieck-Übersetzungen, die ja oft glätten und beschönigen und Shakespeares' oft auch saloppe und unflätige Sprache unter den Tisch fallen lassen. Aber das war damals eben dem Dichtergenie Shakespeare nicht angemessen :zwinker:.


    Viele Grüße
    thopas