Hallo Gontscharow!
Dass du die Novelle doch nochmal gelesen hast, finde ich klasse. :smile: Und die Textstelle, die du zitierst, ist wirklich interessant. Kitsch wäre sie in meinen Augen nur dann, wenn Mahlke hier ein Sprachrohr seines Autors wäre - was er aber nicht ist. Grass stellt ihn ja als suchenden und gerade in der zweiten Hälfte des Buches auch fehlgeleiteten Jugendlichen dar. In der ganzen Novelle hat die Marienverehrung Mahlkes ja ziemlich deutlich erotische Untertöne: In der Kirche sieht er ihr (die dort ohne Kind steht) auf den Bauch, Pilenz erwähnt seinen begehrenden Blick, er erzählt Pilenz er werde wegen der Jungfrau nie heiraten. Wenn man das alles zusammennimmt, kann man seine Schilderung auch als halluzinierte Vergewaltigung lesen (Schießwerkzeuge werden ja allgemein ziemlich häufig als Phallussymbole bemüht). Inwieweit sein Erfolg und diese Vorstellung miteinander zusammenhängen kann ich auch nicht sagen. Ich würde aber behaupten wollen, dass das sehr viel eher psychologisch, vielleicht als eine Art Selbstsuggestion von Potenz, als religiös zu begründen ist. Überhaupt ist die ganze Novelle in meinen Augen eher religionskritisch. Dafür spricht z. B. die Anpassung Gusewskis an die herrschenden Normen (die Namensänderung), seine scheinbar am Rande erwähnten homoerotischen Übergriffe und nicht zuletzt das Ritterkreuz.
Warum Pilenz das Bild mit an die Front nimmt? Wahrscheinlich weil er von Mahlke nicht loskommt, ihm immer noch versucht nachzueifern, ohne es eigentlich zu wollen. Die Tragik bei Pilenz sehe ich vor allem in seiner Nicht-Entwicklung. Nichts von dem Geschehenen bringt ihn auch nur einen Schritt weiter. Auch als Erzähler, (fünfzehn?) Jahre nach den geschilderten Ereignissen, hat er es noch nicht fertiggebracht, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.
Liebe Grüße :winken:
ink-heart