Februar 2003 - Charlotte Bronte: Jane Eyre

  • Hallo Markus!
    Jane Eyre gehörte niemals zur Arbeiterklasse oder Unterschicht. Sie ist eine gebildete junge Frau mit abgeschlossener Schulausbildung. Das war zu der Zeit nicht gerade üblich, vor allem nicht für Frauen. Als ungebildete Arbeiterin hätte sie in einer Fabrik gearbeitet oder in einem Geschäft (s. Mary Gahrton von Elizabeth Gaskell - die im übrigen auch eine Charlotte Brontë Biographie geschrieben hat).


    Was Jane Eyre erlebt ist viel mehr der Snobismus der landbesitzenden Oberschicht gegenüber den verarmten Verwandten bzw. der armen unteren Mittelschicht.


    Jane Eyre sprach sicherlich ein korrektes und gutes Englisch - jedenfalls macht sich niemals jemand über ihre Sprache lustig. Auch dies ist ein Zeichen für ihre Schichtzugehörigkeit. Sprache ist übrigens in England immer noch ein Zeichen für die Schicht. Das was wir in der Schule lernen, wird von ca. 3% der Bevölkerung gesprochen...


    Die Sozialkritik Brontës betrifft auch vor allem die Stellung der Frau, die keine Möglichkeit hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Alle Berufe führen sie in dienende, abhängige Stellung.


    Gruß
    Atomium

  • Zitat von "nimue"

    Hallo? Liest eigentlich jemand außer mir an dem Buch? *grins*


    Ich bin inzwischen auf Seite hundert und völlig gefangen! "Jane Eyre" ist meiner Meinung nach kein Vergleich zu "Sturmhöhe". Die Charaktere sind nicht so eindimensional beschrieben und ich kann mich so richtig in Jane's Lage versetzen. Die Wut über die Ungerechtigkeit, die ihr widerfährt, und der Wunsch nach Liebe und Zuneigung. Sehr faszinierend finde ich auch die Beschreibung von Helen, die Charlotte Bronte ja nach dem Vorbild ihrer Schwester Maria geschaffen haben soll. Maria wurde ebenfalls in der Schule, in der die Mädchen waren, von einer Lehrerin getriezt. Die Dialoge zwischen Schülerin und Lehrerin sind laut meinem Anhang fast genauso geschehen. Dennoch wundert es mich, dass Helen alle Ungerechtigkeit so stoisch und gottergeben über sich ergehen lässt. Jane ist da schon mehr meine Kragenweite ;-)


    Liebe Grüße
    nimue



    Bin mir nicht sicher, ob mein Beitrag HIER an richtiger Stelle ist. Ich wage es trotzdem.
    Ich fühle mich nämlich genötigt, "STURMHÖHE" von Emily Bronte gegen "Jane Eyre" zu verteidigen.


    Als ich "Wuthering Heights" (klingt einfach schöner) las, war ich total verstört: wo denn, wenn nicht in diesem Roman, wären alle Irrwege, die die Liebe gehen kann, wäre eine obsessive Liebe beeindruckender geschildert worden, wenn nicht eben hier? Eine Obsession, die bis zur Grabschändung geht. Zwei Menschen, die keine Konventionen anerkennen wollen, statt dessen ihren ungefilterten Gefühlen nachgehen.


    Es geht ja nicht darum, zu werten, es geht nur darum, eine Ahnung zu bekommen, was (alles) möglich, denkbar, vorstellbar ist. Literatur als Darstellung von etwas Möglichem, nicht zwangsweise realem.


    Und welcher Mut - ein solcher Roman, geschrieben ZU JENER ZEIT und VON EINER FRAU. Gleichberechtigung gab es damals nicht - die Brontes haben ihre ersten literarischen Versuche unter einem männlichen Pseudonym veröffentlicht, weil sonst an eine Drucklegung gar nicht zu denken gewesen wäre!


    Ich denke, WEGEN des Themas des Romans kann es nicht darum gehen, die Hauptpersonen sympatisch oder unsympatisch zu finden - aber ich habe mir eine solche Biographie durchaus vorstellen können.
    Für mich eines der GANZ GROSSEN ROMANE!
    (Und dann lege ich Kate Bushs "The Kick Inside" in den CD-Player und höre "Wuthering Heights" - bekomme Gänsehaut und DURCHLEBE die ganze Verzweiflung der Catherine Earnshaw).


    Ansonsten, liebe nimue: "Jane Eyre" ist gleichwohl großartig.


    Ich hoffe, meine Leidenschaft für "Sturmhöhe" hat mich nicht Dir gegenüber unfair werden lassen. Das wäre nicht meine Absicht gewesen, deshalb


    Liebe Grüße
    Knightley

    Er selbst kam sich nicht wirklich vor, wie er da, über die Wirklichkeit träumend, durch sie hindurchging
    <br />
    <br />Zitat aus &quot;Hardenberg. Eine Novelle&quot; von Jürg Amann