Ich kann jedem der sich für die Ilias und Odyssee interessiert wärmstens die Kurse „Iliad of Homer & Odyssey of Homer“ von Prof. Elizabeth Vandiver, erschienen bei „The Teaching Company“ empfehlen. Da hab ich jedenfalls die meisten Informationen her.
Was ich gerade arg fnde: Der trojanische Krieg war anscheinend vollkommen umsonst.
Helena weilt wieder in Sparta und Menelaos hat sie wieder akzeptiert. Warum um Himmels willen haben sich dann zahlreiche Männer bei Troja um diese Frau geprügelt wenn dann sowieso wieder alles so ist wie vorher?
@ Jaqui, zur Sinnlosigkeit des trojanischen Krieges: Volle Zustimmung, wenn es sich um einen realen Krieg gehandelt hat. Zehn verschwendete Jahre für alle Beteiligten. Wirklich komisch, dass das die Zeitgenossen Homers anscheinend nicht gesehen haben.
Naja, zunächst mal ist es ja eine Selbstverständlichkeit daß es sich in einer Kriegergesellschaft kein König gefallen läßt, wenn man ihm seine Frau wegnimmt. Wir reden hier ja nicht über irgendwelche Lebensabschnittspartner von Patchwork-Familien. :breitgrins:
Darüber hinaus gibt es aber (vor allem für die übrigen Griechen) zwei Hauptgründe für den Krieg:
1.) Time und Kleos, was man ungefähr mit „Ruhm und Ehre“ übersetzen kann.
2.) Verletzung der Xenia, was man ungefähr mit „Gastfreundschaft“ übersetzen kann.
Sowohl in der Ilias als auch in der Odyssee geht es um beides, wobei Time und Kleos das zentrale Hauptthema in der Ilias ist, Xenia in der Odyssee. Deshalb hier kurz etwas über Xenia:
Xenia war bei den Griechen nicht nur das, was wir heute unter „Gastfreundschaft“ verstehen, sondern die heilige und ritualisierte Beziehung zwischen Gastgeber und Gast, die nicht auf Freiwilligkeit basierte sondern Pflicht war. Das Wort „Xenos“ hat, je nach Kontext, die Bedeutung „Fremder“, „Gast“, „Gastgeber“, „Freund“ und „Ausländer“.
Xenia lief ungefähr so ab:
Wenn ein Fremder auf Reisen in einen Ort kam, ging er zum Haus desjenigen, der ungefähr seinem eigenen sozialen Status entsprach. Ein Königssohn ging zum Palast, ein Handwerker zum Haus des Handwerkers etc. Dort hat ihm der „Gastgeber“ sein Gepäck (und seine Waffen) abgenommen, ihm zu Trinken und Essen gegeben, ein Bad gerichtet etc. Erst wenn die Grundbedürfnisse des „Gastes“ gestillt waren hat er ihn gefragt wer er ist und woher er kommt (einerseits aus Höflichkeit, andererseits aber auch um zu vermeiden, daß er ihm die Gastfreundschaft verweigert wenn es sich um jemanden handeln sollte dem der Gastgeber eigentlich nicht wohl gesonnen war). Nachdem der Gast versorgt war und Obdach erhalten hatte bekam er zum Abschied ein Gastgeschenk mit auf den Weg und gab selber eins, wenn er es konnte.
Damit waren Gastgeber und Gast lebenslang in (formaler) Freundschaft verbunden, die auch in die nachfolgenden Generationen vererbt wurde. En schönes Bespiel dafür findet sich in der Ilias im sechsten Buch, wo der Trojaner Glaukos im Kampf auf den Griechen Diomedes trifft, und beide darauf verzichten sich zu bekämpfen, sich statt dessen in Freundschaft die Hände reichen und Rüstungen tauschen weil ihre Familien aufgrund von Xenia seit Generationen freundschaftlich verbunden sind.
In einer Welt ohne Hotels, Polizei, moderne Kommunikations- und Transportmittel etc., wo schon die Nachbarstadt Ausland war, war Xenia für die Griechen nicht ganz unwichtig. Damit ein solches Konzept aber funktioniert, war es von großer Bedeutung, daß weder der Gastgeber noch der Gast dieses Verhältnis verletzten. Das bedeutet, daß Xenia auf einem sehr starken Pflichtgefühl basierte, und daß schwere Sanktionen bei Verletzung von Xenia verhängt wurden. Zeus selbst war der Hüter der Xenia („Zeus Xenios“), wer also die Xenia verletzte beleidigte damit automatisch Zeus, was in der Regel nicht gut ausgehen kann.
Paris war Gast bei Menelaos und als solcher hat er die Regeln der Xenia mißachtet, als er Helena entführte. Neben all den anderen Gründen (v.a. Time und Kleos) war eben diese Verletzung der Xenia ein Grund für den Krieg, denn es war für die Griechen Pflicht, diesen Frevel zu rächen.
Wichtiger als in der Ilias ist das Konzept der Xenia in der Odyssee.