Beiträge von nikki

    Liebe Pessoa-Lesende,


    mich hat das Buch schon knapp am Anfang tatsächlich sprach- und ratlos gemacht. Ich muss mich für mein Fehlen entschuldigen, aber wie schon einige hier festgestellt haben, muss man in der richtigen Stimmung sein, um das Buch lesen zu können und meine persönlichen Umstände ließen in letzter Zeit so eine Stimmung nicht aufkommen.


    Eure Kommentare habe ich sehr interessiert verfolgt und bedanke mich für die aufschlussreichen Einsichten!


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo zusammen,


    unsere Runde wird ja immer größer, wie schön :winken:


    Mir fällt es im Augenblick auch ein bisschen schwer in die Diskussion einzusteigen, aber ich muss sagen, Pessoas Schreibstil hat mich gepackt - auch wenn ich hie und da das Gefühl hatte, nicht alles verstanden zu haben, was ich gelesen habe. Daher möchte ich diesem Buch die Zeit gönnen, die es verdient.


    Diese Bruchstücke, tagebuchartigen Aufzeichnungen ( MacOss mein Tagebuch schaut auch ziemlich anders aus) lassen bereits zu Anfang das Auseinanderklaffen zwischen der äußeren und der inneren Person Pessoas erkennen: ein Mensch, der äußerlich Veränderungen jeglicher Art ablehnt, zurückgezogen und einsam lebt, gleichzeitig aber ein genauer Beobachter seiner Umgebung ist und wie Sir Thomas das schön sagte, Landkarten des Denkens entwirft, die einen in ihrer sprachlichen Eleganz einfach umwerfen.



    die Aufzeichungen, die dem "Buch der Unruhe" als Grundlage dienen, fertigte Pessoa in den Jahren 1913 bis 1934 an - so steht es zumindest im Nachwort der Übersetzerin. Was mich daran wundert ist weniger der lange Zeitraum, als vielmehr das absolute Nichtvorkommen all der turbulenten politischen Umwälzungen, die Europa (vielleicht Portugal nicht?) damals erlebte: Erster Weltkrieg, Untergang dreier Großmonarchien (Deutschland, Rußland, Österreich) und das Aufkommen faschistischer Bewegungen. Aber vielleicht hat sich Pessoa (pardon: Bernardo Soares) einfach nicht dafür interessiert.


    Interessanter Hinweis, denn 1910 wurde die Republik Portugal ausgerufen und die Monarchie ging zu Ende, es folgte eine Zeit voller Umbrüche und Unruhe. Ende der 1920-er kam Salazar an die Macht, der ja einen ziemlich autoritären Staat aufgebaut hatte. (für Interessierte zwei Lesetipps dazu: Antonio Tabucchi - Erklärt Pereira und José Saramago - Hoffnung im Alentejo). Vielleicht passte es einfach nicht zum Grundton des Buches.


    Ich lese auch die Taschenbuchausgabe, übersetzt von Inés Koebel. Und auch mit einem Bleistift in der Hand :smile:


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Zur Zeit lese ich Der Hauptmann und sein Frauenbataillon von Mario Vargas Llosa.


    Der Roman liest sich sehr leicht, ist unterhaltsam und gefällt mir bis jetzt im Großen und Ganzen gut.


    Lg
    nikki

    Hallo!


    "Die Presse" brachte heute Zitate einiger Schrifsteller zu Orhan Pamuk. Darunter auch MRR, der Folgendes sagte "Ich kann mich nicht dazu äußern, ich habe ihn nie gelesen. Türkische Literatur hat mich nie interessiert. Ich muss nicht alle Literaturen dieser Welt lesen."


    Ich freue mich, dass Pamuk den Preis bekommen hat. Letztes Jahr war ich in Istanbul und habe mir daraufhin "Das schwarze Buch" gekauft. Ich habe es leider noch nicht bis zum Ende gelesen, da man sich dafür, wie Mombour sagt, wirklich Zeit nehmen muss.


    Lg
    nikki

    Hallo Donna, hallo Efeukletterer!


    Ihr macht mich aber unheimlich neugierig auf Stanisic's Buch.


    Zu Kusturica muss ich mich jetzt auch äußern: ich finde auch, dass er mit seinen pompösen Bildern vom lustigen, immerzu zu Besäufnissen neigenden, morbiden Balkanesen übertreibt. Aber Wahrheit steckt dort auch drinnen, natürlich überzeichnet. In Nordbosnien hat es vor dem Krieg sehr viele Roma gegeben, die sind während des Krieges geflohen. Jetzt sind einige zurückkehrt, aber sehr, sehr wenige. In Serbien gibt es glaube ich, wirklich viel mehr, die haben dort auch einen eigenen Namen (Kalderas, soweit ich mich erinnern kann).


    Und Underground fand ich genial, auch Time of the Gypsies. Underground ist voll von Anspielungen auf die Geschenisse in Sarajevo während des Krieges. Dort wurde auch unter der Stadt (vom Flughafen weg) ein Tunnel gegraben, der als die Versorgungsader für die Stadt gedient hat. Der Tunnel ist ca. mannshoch, keineswegs also für Panzer und ähnliches geeignet. Und diese ständigen vom-Freund-zum-Feind-Situationen sind wirklich vorgekommen, so grausam das auch ist.


    Übrigens noch etwas, was ich an Kusturica's Filmen genial finde ist die Musik.
    @ efeukletterer es stimmt, dass die Musik oft gediegener Natur ist, oft auch traurig, v.a. wenn man anfängt, die alten bosnischen Liebeslieder zu singen (die Sevdalinke). Aber die Stimmung kann sich oft schnell ändern, es braucht nur jemand eine Ziehharmonika rausholen und los geht's. So zumindest habe ich einige Feste in Bosnien und auch in Dänemark unter bosnischen Flüchtlingen erlebt.


    donna wieso wurde Kusturica von den erwähnten Personen kritisiert?


    Ach, ja - ich lese zur Zeit Carlos Fuentes Die gläserne Grenze, und möglicherweise bald Sasa Stanisic :smile:


    Lg
    nikki

    Hallo finsbury und zola!


    Ich habe die Flüchtlingsgespräche bereits gelesen. Es ist aber lange, lange her...


    Das Lesen mit Euch hat mir sehr gut gefallen :smile:, also mache ich vielleicht mit, mit Sicherheit kann ich es nicht sagen.


    Ich wünsche Euch noch eine erfolgreiche Woche!


    LG
    nikki

    Hallo Zola, hallo Finsbury!


    Ich habe das Buch nun auch ausgelesen. Leider kenne ich kein anderes Werk von Seghers, und so kann ich keine Vergleiche ziehen.


    Durch den eher monotonen Schreibstil hat sie die Situation der Flüchtinge sehr gut wiederspiegeln können. Diese Unsicherheit und Ungewissheit, was am nächsten Tag sein wird, wo man sein wird, wo die Zukunft sein wird; das Warten, ohne irgendetwas Sinvolles machen zu können - all dies hat sie durch ihren Schreibstil sehr gut eingefangen. Recht überzeugend.


    Das Schlußkapitel bringt die Erlösung aus dieser endlosen, monotonen Stimmung. (Wie wir alle sehen können, auch bei uns Lesern) Marie fährt ab und er hört auf, auf der Suche nach Liebe und Glück einem Toten nachzueifern. Für den Protagonisten wird ein Hauch von Hoffnung und Sinn abseits von Marie spürbar. Zola, es war geschickt, den Schluß offen zu lassen. Wie du sagst, das macht ihn schön und interessant.



    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich bin jetzt im Kap. 6, II


    finsbury du hattest Recht, die Verniedlichungen beziehen sich nur auf ehemalige Lagerinsassen und hören im Großen und Ganzen inzwischen auf. Deine Bemerkung über das Hafencafé als das Leitmotiv für das Unbehauste finde ich sehr gut. Man möchte fast meinen, das Café sei ein Ort des Transits, Ort wo man alleine aber trotzdem gemeinsam mit anderen auf eine - hoffentlich - bessere Zukunft wartet.


    Alle wollen aus Marseille weg und klammern sich an jedes Gerücht. Der Protagonist will aber bleiben und scheint die Unsinnigkeit ihrer Hoffnungen zu durchschauen. Oder ist er einfach ein Pessimist?


    Was mich auch beeindruckt hat, war der Tod des Kapellenmeisters (5,VIII). In seinem Beispiel zeigt sich die ganze Ohnmacht und Hilflosigkeit des Flüchtlings den Behörden gegenüber. Er ist ihr ausgeliefert, sein Aufbegehren bringt nichts - und am Tag seines vermeintlichen Triumphs erleidet er die nächste sinnlose Niederlage und zerbricht am System.


    Es gelingt Seghers gut, den Flüchtling als keine fixe Kategorie, sondern als eine breite, deskriptive Rubrik (mir fällt kein besseres Wort ein)darzustellen, die eine Menge an verschiedenen Hintergründen , persönlichen Geschichten, politischen Begebenheiten ... einschließt. Hier sind Einzelschicksale zu sehen und keine Massenbewegungen, die oft zum Bild des passiven Flüchtlings führen.


    Ich bin sehr neugierig, was mit ihm und der Frau wird, ob er wegfahren wird aus Marseille usw. Übrigens ist die Prachststraße Canebière in diesem Sommer eine riesige Baustelle gewesen. Aber der alte Hafen ist ja noch da, und die Kirche Saint-Victor, und das Fort Saint-Nicolas...


    Ich wünsche Euch ein erholsames Wochenende!


    Lg
    nikki

    Hallo!


    Verzeiht mir den späteren Einstieg, aber ich bin gestern gerade vom Urlaub zurück gekommen und habe mir gleich das Buch geschnappt. Leider bin ich nicht weit gekommen, da ich ziemlich müde war. Aber ich war in Frankreich und auch für einen Tag in Marseille, und so freue ich mich besonders, einige Plätze im Buch wieder zu erkennen. In meinem Reiseführer war das Buch als Literaturtipp für Marseille angeführt.


    Zur Bemerkung, sie schreibe "weiblich", kann vielleicht die ständige Benutzung der Verniedlichungsform für Namen beitragen, Paulchen, Fränzchen usw. Ich hoffe, dass zieht sich nicht durch das ganze Buch durch.


    Ich finde den Roman bis jetzt auch leicht lesbar, aber wie gesagt, weit bin ich noch nicht gekommen (1, III)


    Lg
    nikki

    Hallo Mondpilz!


    Könnte es sein, dass "Die Berge" Subjekt sind?
    Meine Muttersprache ist zwar nicht deutsch, aber so würde das ganze für mich persönlich mehr Sinn machen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich finde auch, dass Raskolnikow nicht verzweifelt ist, er wußte genau was er tat. Moralische Bedenken hatte er keine mehr, allenfalls nur noch technische. Die Verzweiflung blitzte vielleicht kurz nach der Tat auf, als er krank wurde. Aber er wird immer abgebrühter, die Tat alleine war extrem kaltblütig, oder auch sein Gespräch mit Sametow (2. Teil, Kap. 6).

    Zitat

    Ich hab bis jetzt noch keinen Mord begangen, aber sicherlich wäre ich auch recht angespannt nach der Tat. Paranoid vielleicht aber sicherlich
    nicht unentschlossen


    Ich habe auch niemanden auf dem Gewissen, kann seine Anspannung und Unentschlossenheit sehr gut nachvollziehen. Er zauderte einige Male vor dem Mord, nach dem Mord, sogar am Tatort wollte er alles wegschmeissen und nur weglaufen, entschied sich aber anders, da ja die "Tat" bereits vollbracht war, und so geht es weiter. Alles sehr nachvollziehbar. Die Paranoia verstehe ich auch, nachdem man etwas angestellt hat, glaubt man jederman, der einem begegnet, weiss es. Jeder der einen anschaut, hat einen "wissenden Blick".


    Aber wie gesagt, momentan finde ich die Stellen ein wenig anstrengend zu lesen, obwohl sie einen sehr guten Einblick in Raskornikows Inneres geben.

    Hallo!


    Zitat

    Wenn ich ehrlich sein soll, dann muss ich gestehen, Hermann Röhl sagt mir wenig


    Die Hermann Röhl Übersetzung stammt aus dem Jahr 1986 und ist vom Insel Verlag herausgegeben, mehr weiß ich auch nicht. Leider habe ich auch keinen Vergleich zu Hause.


    Übrigens übersetzt er die besagte Stelle (Pflanze vs. Schlampe) mit "Ach du, du Person du,..." recht neutral.


    Ich bin inzwischen mitten im zweiten Teil, beim Restaurantgespräch mit Sametow, und im Augenblick finde ich Ralskolnikows Paranoia und seine Unentschlossenheit recht anstrengend, aber vielleicht verhält man sich ja so, nachdem man zwei Menschen ermordet hat.

    Hallo!


    Endlich bin ich auch zum Lesen gekommen, am Wochenende musste ich arbeiten und so bin ich erst bis zur Seite 107 vorgedrungen und ich muss sagen, Dostojewski hat mich gefesselt. Ich finde es großartig, wie er den inneren Konflikt Raskolnikows darstellt, immer dieses Hin und Her, werde ich es machen oder nicht. Man kann sich richtig in ihn hineinversetzten.


    In meinem Exemplar findet sich auch kein Hinweis auf "Ecce Homo", ich lese die Übersetzung von Hermann Röhl.


    Was den Alkoholkonsum in Rußland angeht, habe ich auch Einiges mal in einer Vorlesung gehört. In den Artikeln, die ich damals gelesen habe, wurde behauptet, dass Wodka ein Schlüsselsymbol sowjetischer Gesellschaft sei, er wurde oft auch als Tauschmittel statt des Geldes eingesetzt. Das Trinken gilt als ein soziales Ritual, welches Machtmechanismen von Inklusion und Exklusion festsetzt.



    Ich zitiere ein paar Auszüge aus dem Artikel "Drink, Drank, Drunk: a Social-Political Grammar of Russian Drinking Practices in a Colonial Context", David Koester, Anthropology of East Europe Review Vol. 21, No. 2, 2003
    http://condor.depaul.edu/~rrotenbe/aeer
    "Drinking is a part of daily life."
    "A complex of social, symbolic and psychophysiological mechanisms make drink, drinking and drunknness powerful and nearly unavoidable aspects of social life in much of Russian society."
    "In brief, drinking is a socially powerful and powerfully social practice that facilitates the expression of honor, respect, friendship, obligation and group membership as well as insult and exclusion."
    Trotzdem wird das Trinken ohne jeglichen Grund verurteilt, es gilt als ein Zeichen von Schwäche, Respektlosigkeit und niedrigem sozialen Status.


    In einem anderen Artikel (Vodka: The spirit of exchange, Myriam Hivon, Cambrindge Anthropology, 17: 3, 1994) heißt es z.B. "In Russia, one has to deal with vodka every day, whether to treat guests , whether to honour a host, whether to cope diplomatically with a drunkard met in the street or whether to use it to purchase goods or services."


    So, und nun kehre ich zurück zu Raskolnikow.


    Liebe Grüße
    nikki