Neunundreissigneuzig
Orginaltitel: 99 Francs
Autor: Frédéric Beigbeder
Erscheinungsjahr: 2000
[ISBN (Deutsche Ausgabe) 3 498 00617 7]
Dieses Buch habe ich kürzlich gelesen und ich finde, es polarisiert. Manchmal fand ich den Inhalt unterhaltend, gesellschaftskritisch und durchdacht und an gewissen Stellen war ich nur angewidert.
Zuerst einmal der Inhalt: Es gibt keinen wirklich roten Faden, den man erzählen könnte. Ich kann höchstens die Themenkreise aufzählen. Es sind recht viele und vielseitige Themen, welche sich in einander verflechten. Es scheint auf den ersten Blick, als ob der Text sehr spontan geschrieben wurde, was jedoch nur zum Teil stimmen kann. Es ist eine Vermischung aus der Chronologie der letzten Jahre und der Kritik. Grundsätzlich handelt es von Leben des erfolgreichen Werbers Octave Parango, der aussteigen will, aber nicht kann und darum dieses Buch schreibt.
Die grösseren Themenkreise sind: Werbung und deren Einfluss/Macht, das kranke System, Geld, Liebe, Sex, Drogen, Tod, Wiederstand, abgründige Fetische, die Gesellschaft und einige mehr.
Ich habe mich auch gefragt, ob es nur Schundliteratur oder eine gelungene Gesellschaftskritik ist. Die Schundliteratur wird eigentlich nur durch die Wortwahl, das aussprechen von "Tabus" und die einfache Sprache besträrkt. Diese sind jedoch gerade einen Ausdruck für seine Welt und er bringt auch viele Vergleiche zur klassischen Literatur, in denen man sieht, dass er doch eine gewisse Ahnung hat. Es ist ein Kontrast zwischen dem Wortschatz der untersten Schublade und intellektuelle Wörter. Dieses Buch verblüfft den Leser jeweils durch Sätze, die berühmte Zitate sein könnten und andererseits durch absolut Groteskes. Z.B. Der Held (oder Antiheld?) hat ein bisschen von der Asche seines Chefs 'gesnifft' (gibt doch noch ein besseres Wort dafür) Daher ist es für mich klar, dass es kein Schund ist, sondern ein gelungener sozialkritischer Skandal- oder Entthüllungsroman. Dieser wird zwar nie ein Klassiker sein, denn seine Halbwertszeit ist schon vorbei.
Die Paradoxitäten sowohl im Buch als auch in unserer schizophrenen Welt (Ein Buch, das die Werbung als DAS Böse beschreibt, hatte eine der grössten Werbekampagnen) symbolisieren unser Leben. Natürlich sind nicht alle zynischen Attacken gegen die Konsumgesellschaften und gegen die Werbung als Wahrheiten zu verstehen, aber durch ihre teilweise Überspitzheit wird man sich derer eher bewusst. Das Buch bringt aber auch konkrete Beispiele und Zahlen, ich habe jedenfalls voher nicht gewusst, dass das Glück Nestlé und blau Pepsi gehört. Das Wort Slogan stammt vom gälischen Wort "sluagh-gharirm" soll Kriegsgeschrei heissen. Aber die Werber sagen sowieso nur "Claim".
Ob ich es empfehlen kann? Wenn jemand eine schön verpackte und milde Gesellschaftskritik will, dann ist dies das falsche Buch. Falls jemand ein witziges, aber auch ernstes und höchst provokatives Buch lesen will, lohnt es sich schon. Aber ich empfehle es auszuleihen, statt es zu kaufen, denn dies ist ein Buch, das man nur einmal liest. Und der Autor
hat genug Geld ![biggrin :D](https://klassikerforum.de/images/smilies/emojione/1f606.png)
(Ich kann mir sowieso nur Reklam-Bücher leisten :)) Dafür haben wir eine schöne Bibliothek.
Soll ich etwas ergänzen?
Ich habe jetzt das Niveau wahrscheinlich um einiges gesenkt, aber mich würden andere Meinungen interessieren, denn es ist ja kein 0815-Buch.