Beiträge von Mira

    Nun bin ich auch durch.


    Ich habe an diesem Buch viel Freude gehabt - trotz der weiten Zeit- und Kulturspanne, die mich als Leserin von der Erzählerin und ihrer Geschichte trennt, kamen Bilder und lebendige Szenen bei mir an.
    Gleichgültig, welche Regeln gelten, es ist für die Menschen wichtig, vor sich selbst bestehen zu können.


    Wie weit gestrenge Konsequenz in Grundsätzen und Glaubensdingen allerdings gehen kann und was sich monsterhaftes daraus entwickeln kann erfährt Jane in der Begegnung mit St. John Rivers. Das also ist Glaube ohne Herz.
    Vielleicht hat diese Erfahrung ihr Herz zur Umkehr bewegt?


    Letztendlich kann Jane nicht leben ohne auf die Stimme ihres Herzens zu hören. Sie muss sie selbst sein. Wenn sie versucht, sich selbst in fremde Regeln und Erwartungen zu pressen, dann hat sie das Gefühl als müsse sie sterben. Darinist sie mir eine "Seelenverwandte".


    Etwas unglaublich erscheint mir, wie unbeschadet Jane ihre doch sehr entbehrungsreiche Kindheit sowohl körperlich als auch seelisch überstanden hat. Nach heutigem pädagogischen Wissensstand lässt eine derart lieblose Kindheit doch eher größere seelische Probleme erwarten.


    Die einzige Szene im Buch, die mich genervt hat, waren die Gespräche zwischen Mr Rochester und Jane Eyre, nachdem sie zu ihm zurückgekehrt ist. Dieses ewige "Und hat meine Jane" statt "Hast Du" und dieses ewige "Sie" und "Mein Herr" - also, das war mir dann doch etwas zu dicke Gefühlsduselei "auf Höflich und Wohlerzogen."


    Nichts desto trotz, ein tolle Schmöker findet



    mira

    Ja, ja, der Heiratsantrag war eine schwierige Sache.
    Ich denke, dass Janes widerstrebendes Verhalten seine Ursache hat in
    der Überraschung. Sie kann es einfach nicht glauben und glaubt, dass sich Rochester einen Scherz mit ihr erlauben will. Schließlich kennt Jane ja die reichen Leute und ihren Spass am Quälen anderer aus reichlich schmerzlicher Erfahrung....
    Gerade zuvor hat sie sich alle ihre "unerlaubten Hoffnungen" ausgeredet und versucht, ihre Gefühle mit dem Verstand zu bemeistern, da wird sie mit einer solchen Wendung konfrontiert. Na, die Frau möchte ich mal sehen, die ohne Misstrauen eine solche Perspektivenwechsel an sich heranlässt!!! Die muss ja aus Kruppstahl sein :breitgrins:


    Die Reaktion von Mrs. Fairfax auf Mr Rochesters Heiratsantrag an Jane
    trübt auch meine leichtfertige Begeisterung. Sind es wirklich nur die voraussichtlichen Schwierigkeiten durch die Verletzung der Standeskonventionen, die ihr keinerlei Mit-Freude erlauben? Oder weiß sie etwas, was Jane und auch die Leserin erst entdecken werden?


    Spannend, spannend - ich bin immer noch mit viel Lesefreude dabei!
    So, nun muss ich mal wieder zum Arzt, seufz....



    LG
    Mira

    Also, mein Lesebändchen steckt jetzt auf Seite 105 und ich bin sehr angetan von dieser Lektüre.


    Die Freude an den Dialogen begann für mich schon auf Seite 9, als Jane von Jack auf dem Fenstersitz entdeckt wird. Sie tritt ihm entgegen und sagt: "Was wollen Sie?" Er fordert: "Sag 'Was wünschen Sie, Master Reed?"
    und gab zur Antwort: " Ich WILL, dass DU herkommst."


    Eine herrliche Bloßstellung !


    Bisher habe ich nicht das Gefühl, es in Jane mit einem Engel zu tun zu haben --- will sagen, zu gut finde ich sie nicht. Bei allem gerechten Zorn,
    man kann sie nicht als ein Naturtalent in Diplomatie bezeichnen.
    Sie ist eine aufrechte Persönlichkeit, die sich nicht verbiegen lässt, um es leichter zu haben. Sie leistet Widerstand gegen Demütigung, Gewalt und Ungerechtigkeit. Dieses Verhalten entspringt ihrer Persönlichkeit ohne Berechnung.
    Bemerkenswert finde ich Janes Gabe, die Menschen aufmerksam zu beobachten und ihre Schlüsse daraus zu ziehen.


    Geht euch das beim Lesen eigentlich auch so wie mir? Mich packt die nackte kalte Wut angesichts der geschilderten Ungerechtigkeiten und der sozialen, gütigen Großtaten der Reeds und der Familie Bocklehurst!
    Dazu scheinen als Rechtfertigung auch noch christliche Wertvorstellungen herhalten zu müssen. Ich habs auf meinem Sofa fast nicht mehr ausgehalten bei so einer hochangesehenen Scheinheiligkeit!


    Aber da ich immer noch reichlich im Verzug bin, werde ich mich mal schleunigst wieder an die Lektüre machen, damit ich mich nicht immer mit dem Schnee von gestern melde .....



    LG
    mira

    :entsetzt:
    meine Güte, wenn sie mal loslegen, dann aber mit vollen Segeln....
    sooo lange habe ich gewartet, bis diese Leserunde zustande kommt, und nun verpasse ich den Anfang! Hatte ich die Hoffnung doch schon aufgegeben?
    Also dann - ich starte zwar mit 200 Seiten Verspätung, aber ich komme!!!



    LG
    Mira

    W. Somerset Maugham: Der Menschen Hörigkeit
    erschienen 1915


    Maughams stark autobiographisch gefärbter Erziehungs- und Bildungsroman schildert den schmerzhaften Bewußtwerdungsprozess Philip Careys, der mit einem Klumpfuß geboren ist und (wie Maugham, der eine Sprachstörung hatte)von Kind an seelisch unter diesem Gebrechen leidet.
    In traditioneller Erzählweise folgt das Buch chronologisch dem Lebensweg des Helden....Das mehrfach verfilmte Werk zählt zu den stärksten Leistungen Maughams und noch heute weltweit zu den verbreitetsten Werken des Autors.
    Zusammen mit Dickens "David Copperfield", Buttlers "The way of all flesh", D.H.L awrence' "Sons and Lovers" und Joyce' " A portrait of the Artist as a Young Man" gehört "Der Menschen Hörigkeit" zu den wichtigsten Entwicklungsromanen der englischen Literatur.
    Auch in Maughams Romanwerk nimmt es eine Schlüsselrolle ein; zahlreiche Themen und Motive kehren in den späteren Romanen wieder.


    Quelle: Kindlers Neues Literaturlexikon Band 11