Beiträge von Scardanelli

    Aber besonders interessiert mich, woher Du den Mitschnitt der Lesung erhalten hast?


    Ich habe die Lesung zum Preis von 30,- vom Mitschnittservice des Hessischen Rundfunks erhalten – nur wenige Tage nach einer Anfrage bei:
    archivservice@hr-online.de.
    Es ist sicherlich hilfreich, wenn man der Bitte um einen Mitschnitt den Archivnachweis hinzufügt. Man findet diesen hier:
    http://members.aon.at/andreas.weigel/Warten-auf-G.htm
    Man erhält dann eine Stereo-MP3-CD mit einer Auflösung von 256 kbps in einer sehr guten akustischen Qualität.
    Ich selber bin übrigens auf der Suche nach einer digitalisierten Version der Lesung Wir in effigie. Ich habe noch die analoge Kassette, aber leider keinen Rekorder. Ich zweifle auch, dass das Band nach dreissig Jahren noch etwas Verständliches von sich geben könnte. Wenn jemand diesbezüglich einen Rat weiss, ich wäre ihm verbunden.

    Ich höre zurzeit Georg Forsters Reise um die Welt in einer vollständigen Lesung von Günter Freund. Forster begleitete James Cook auf seiner zweiten Weltumseglung und schrieb darüber dieses überaus farbige und fesselnde Buch, das zu Recht als eine der bemerkenswertesten Reisebeschreibungen gilt, die je geschrieben wurden.
    Ich räume ein, es ist ein wenig niederträchtig, hier mit der vollständigen Lesung von Freund zu winken, denn diese ist nur den Mitgliedern der Medibus zugänglich. Es gibt aber auch eine ebenfalls sehr zu empfehlende kommerzielle Version, gelesen von Frank Arnold – leider um die Hälfte gekürzt.
    Ein einziges Hörvergnügen!

    Eine elegante Form, sich über aktuelle Lesungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu informieren, ist der tägliche Newsletter der ARD, den man bei http://www.ard.de/radio abonnieren kann. In den Einstellungen kann man festlegen, dass man z.B. nur über Lesungen und Hörspiele informiert werden möchte.
    Die aktuelle Lesung aus dem Briefwechsel zwischen Paul Celan und Gisèle Celan-Lestrange auf SR2 Kulturradio, mir höchst willkommen, hätte ich ohne diesen Newsletter sicherlich verpasst.

    „Wer jetzt nicht zaubern kann, der ist verloren!“ (Ludwig Hohl)


    James M. Barrie: Peter Pan
    Hermann Hesse: Demian
    Fjodor M. Dostojewski: Die Brüder Karamasow
    Ludwig Hohl: Die Notizen oder Von der unvoreiligen Versöhnung
    Franz Kafka: Erzählungen
    Thomas Mann: Der Zauberberg
    Thomas Mann: Joseph und seine Brüder
    Theodor W. Adorno: Minima Moralia
    Friedrich Hölderlin: Gedichte
    Hans Wollschläger: Herzgewächse oder Der Fall Adams


    Apropos Herzgewächse:
    Vor einigen Tagen habe ich mir eine Lesung des Autors aus der zweiten Fassung des Romans, die der Hessische Rundfunk 1964 unter dem Titel Warten auf G. ausstrahlte, angehört. Mein Eindruck davon mündete in den Gedanken, dass man Unseld, so befremdlich die Gründe seiner Ablehnung auch gewesen sein mögen, am Ende wohl dafür danken muss, dass er die Publikation der 2. Version der Herzgewächse ablehnte. Im anderen Fall hätten wir heute zwar eine vollständige Version des Werkes, zu einer Neufassung aber hätte sich Wollschläger dann wohl schwerlich genötigt gesehen. Ein trostloser Gedanke dies – jedenfalls dann, wenn man Warten auf G. als Teil für das Ganze nimmt.
    Die Lesung entspricht der Szene in Auerbachs Keller der publizierten Version, also dem Eintrag vom 20. April; allerdings fehlen in ihr – für mich durchaus überraschend – die für die 3. Fassung so charakteristischen Zitate aus Goethes Faust. Personen und Handlung sind in beiden Versionen identisch; auch die spezifische Technik des Autors, ein gedankenflüchtiges, sich zersplitterndes Bewusstsein nicht eigentlich abzubilden, sondern zu komponieren, ist bereits in der 2. Fassung sichtbar. Der eigentliche Text aber, nur halb so umfangreich wie die spätere Version, ist ein anderer, und so nahe sein Gestus auch dem der endgültigen Fassung sein mag – an deren auratische Wucht reicht er nicht heran. Er ist grauer, könnte man sagen, asketisch geradezu und der späten Prosa Becketts nicht unverwandt. Galland aber, dessen Auftritt die Szene ja dominiert, braucht eine andere Sprache, nämlich jene oppulent barocke, üppig wuchernde, in eine selbstgefällig überbordende Farbigkeit ausartende, die der Leser der gedruckten Version kennt und deren singuläre Komik dazu verführt, einen derart fragwürdigen Charakter wie F.A.G. als jedenfalls ungemein unterhaltsam zu empfinden.
    Es ist indes nicht nur der Zungenschlag Gallands, der erst in der endgültigen Fassung zu jener Genialität findet, die dem Leser den Atem raubt. Die „außerordentliche sprachliche Begabung“, die Unseld dem Autor immerhin attestierte – man wird sie auch beim Hören von Warten auf G. vernehmen, aber jenes Leuchten der Sprache der gedruckten Version … - nun, es hat bekanntlich seine Schwierigkeit, das Eigentliche eines Kunstwerks von solchem Rang ins Netz der Worte zu locken, und ehe ich hier blumig zu plappern beginne …
    En passant: Ich bin durchaus d’accord mit jenen Leuten, die Herzgewächse oder Der Fall Adams – unabhängig vom Unvollendetsein des Romans – zum Zeugnis eines literarischen Scheiterns erklären. Dazu ließe sich manches sagen. Dies hindert mich aber nicht, dieses Werk als eines der bedeutendsten und fesselndsten der Weltliteratur zu betrachten und zu einem meiner zehn liebsten Bücher zu zählen. Wer wäre je auf solcher Höhe gescheitert? Hölderlin vielleicht mit seinen späten Hymnen oder Robert Musil mit seinem ebenfalls unvollendeten Roman.