Ich hab mir die Blumen des Bösen gekauft, in der Hoffnung einen schönes, zusammenhängendes Prosawerk zu lesen. Deshalb war es ziemlich enttäuschend festzustellen, dass das ganze Buch aus blöden Gedichten besteht, die kein Mensch versteht, und die noch dazu ziemlich blasphemisch sind!
Ich habs geshalb aufgegeben!
Und außerdem: Wie kann man denn Dekadenz gutheißen?
Das will mir einfach nicht in den Kopf gehen.
Nun zu deinem Problem der Gattung:
Deine Enttäuschung auf Lyrik statt auf Prosa gestoßen zu sein, lässt entweder auf dein bereits fortgeschrittenes Alter schließen: "auch die Empfänglichkeit für Poesie ist in der Jugend oft leidenschaftlich: der Jüngling hat Freude an Versen (...). Mit den Jahren nimmt diese Neigung allmälig ab, und im Alter zieht man die Prosa vor."
Schopenhauer, "Welt als Wille und Vorstellung" Viertes Buch,Kap.37
oder aber du hast aus reiner Torheit die "blöden Gedichte" gekauft, deren Einfluss die Moderne einleitete und ungemeine Resonanz in der nachfolgende Generation um Mallarmé, Verlaine und Rimbaud, wie auch die deutschen Dichter des Ästhetizismus / Dekadenz, wie Stefan George und Hugo von Hofmannsthal erfuhr. Es ist allseits bekannt, dass der Gegenstand Baudelaires Dichtung, du nutzt den Begriff Blasphemie, ich will´s in den Worten Adorno sagen: " Protest gegen die Archetypen der literarischen Tradition ist und gegen die Gesellschaft überhaupt". (ich habe den Wortlaut zwecks Verständnisses geändert). Gehen wir beispielsweise von den Gedichten aus, wie "Parfum exotique", die besonders die Sinnlichkeit einer Frau ( sei es seine Muse Jeanne Duval) in all ihren Facetten hervorheben. Sicherlich gleitet Baudelaire häufig ins Frivole ab, aber er wünscht sich die Frau nie nackt, sondern bekleidet, umhüllt von Düften und Stoffen. Baudelaire ist Ästhet, und es geht ihm um die ästhetische Rehabilitation von allem "Natürlichen und Gewöhnlichem"-also auch Nacktem.
Dies ist auch der Grund, weshalb er die Bürger verteufelt und sich mit dem Leser gegen diese "Ausgeburten des Normalen" verschwören möchte. Wenn Baudelaire nun über Ekel, Sex ect schreibt, dann protestiert er entweder gegen die Verrohung und Verdummung der Gesellschaft, indem er das in seine Gedichte aufnimmt, wogegen er eigentlich protestieren will („Mimesis am Verhärteten“ nennt es Adorno in seiner Ästhetischen Theorie), was natürlich die Gefahr der Bejahung in sich birgt, oder aber er versucht, und das ist im ersten eingeschlossen, gegen die literarischen Traditionen zu wettern, die für die Vergangenheit überhaupt stehen (die Elegiker oder Dante). Du musst dir nämlich das Paris der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts so vorstellen, als dass besonders das Konservative und Mimetische (das Nachempfinden der Klassiker) gefragt, und das Kreative, Neue und (natürlich) Avantgardistische verfemt ist. Du kennst sicherlich die Impressionisten um Monet, Manet, Degas und Pissarro, deren Bilder, weil sie neu und anders waren, auch das kaschierte Elend von Prostituierten, zwar ästhetisch aber überhaupt dargestellt haben, zeitweise genauso gesehen wurden, wie die Dichtung Baudelaires. Nun noch einen kurzen Satz zur decadence; die decadence gefällt, weil sie Kunst vom Moralischen befreit, Nietzsche schreibt dazu, speziell zur l´art pour l´art Bewegung: „ Lieber gar keinen Zweck als einen moralischen Zweck! So redet die bloße Leidenschaft“-natürlich ist nicht die gesamte decadence Bewegung, zu der Baudelaire an sich noch nicht gehört, weil er doch, vielleicht nicht bewusst, ein sehr großes Anliegen, das der Abbildung der verrohten Gesellschaft hat, frei von moralischen Zwecken, aber sie gefällt, weil für sie die Kunst alles ist; das Schaffen von Kunst ganz oben steht.
Lg Martin Holzer-
Edit sandhofer: Fehlendes End of Quote ergänzt. Nix für Ungut! :winken: