Beiträge von schneeschmelze


    Ich leiste mir lieber ein Gedankenexperiment und folge nicht der von Cervantes suggerierten Position unser Helden wäre geistig umnachtet. Das bringt mich ihm näher und auch zum lachen.


    Don Quijote kommt mir wie ein Gelehrter vor, den es nach der Praxis drängt.


    Ich denke auch eher an eine Art Schilderung der conditio humana, und die allzu oft angeführte Beteuerung, D.C. sei verrückt, verfängt zumindest an dieser Stelle letztlich (noch?) nicht. Don Quijote „erfindet sich“ nach seinem Studium. Er lebt in einer kleinen Welt und hat die große nur aus den Büchern kennengelernt. Nun bricht er in sie auf, nimmt aber die Differenz zwischen seiner Literatur und der Wirklichkeit nicht zur Kenntnis. Die Geschichte lebt aus dieser Differenz. Er ist übrigens auch schon nicht mehr ganz jung. Heutzutage würde er sich Sorgen machen, in den nächsten etwa 15 Jahren möglichst reibungslos in Rente gehen zu können... die Abwesenheit von materiellen Sorgen hat auch etwas Märchenhaftes ... und damals müssen 50 Jahre schon ein hohes Alter gewesen sein.


    Also ich fand die Version von Lange, mit den gekürzten Silben, schon witzig, noch bevor ich den Kommentar las. Also funktioniert es auch in der Übersetzung.


    Klar ist das witzig gemacht. Aber es ist schon eine erste heikle Stelle der Übersetzung. Es gibt keine Entsprechung für dieses Stilmittel im Deutschen.

    Ich habe als erstes die Lange-Version gelesen und problemlos verstanden.


    Die Bindestriche sind auch in meiner Braunfels-Ausgabe. Und von wegen kenntlich machen. Woher soll der Leser wissen, wieso da die zusätzlichen Bindestriche stehen? Manchmal ist sowas auch ein Relikt aus dem Umbruchsprozess während des Setzens des Buches. Nee, ich finde Braunfels ist da zu weit gegangen mit seinem Eingriff.


    Natürlich versteht man das inhaltlich ohne weiteres. Die Frage ist doch: Wie überträgt man einen Text von einer Sprache in die andere -- so, daß er dann auch vollständig verstanden wird? Und gerade insoweit wurde ja die Neuübersetzung gelobt. Ich habe zwar nur die Lange-Übersetzung vorliegen, meine aber, Braunfels dürfte hier richtiger gelegen haben, denn im Deutschen kennen wir ja keine versos de cabo roto, und wenn man erst im Kommentar nachlesen muß, weshalb hier jeweils die letzte Silbe weggelassen wurde, ist das m.E. keine angemessene Übersetzung mehr. Wenn der satirische Stil hier im Deutschen nicht auf diese Weise erzeugt werden kann, wirkt das doch -- sagen wir: ziemlich seltsam. Jedenfalls für einen Cervantes-Neuling, wie ich es bin. Greife diese Runde übrigens gerne auf, um endlich mit dem Don Quijote zu begonnen ...