Henry James "The Portrait of a Lady"

  • Hallo zusammen !


    Nachdem ich nun "The Portrait of a Lady" von Henry James beendet habe, möchte ich wie versprochen meine Eindrücke kurz schildern.


    In letzter Zeit habe ich 3 englische Romane über 3 verschiedene "Heldinnen" gelesen: über Jane Austen's Emma, die ihren Platz in der Gesellschaft innehat, von allen geliebt und "nur" ihr eigenes Ich suchen muß, Isabel Archer, Henry James' "Lady", die selbstbewußt und naiv versucht, den gesellschaftlichen Zwängen zu entfliehen, um jedoch sich selbst immer stärker darin zu verstricken und die sich schnell mit ihrem Schicksal abfindet. Ganz anders als Thomas Hardy's "Tess", die unter den gesellschaftlichen Gegebenheiten zuerst leidet und dann an der Ungerechtigkeit wächst bis sie schließlich die ihr von der Gesellschaft geschuldete Moral selbst in die Hand nimmt.


    Isabel Archer jedoch bleibt die Lady, deren Portrait sie ist; immer wissend, was von ihr ewartet wird und diesen Erwartungen klaglos zu entsprechen. Dabei bewahrt sie sich jedoch durchaus auch eine gewisse Unabhängigkeit. Zurück bleibt ein seltsamer melancholischer Eindruck. Glück, Liebe oder Erfüllung kommen als Lebensentwurf einer Lady nicht vor und Isabel kämpft auch nicht darum - auch Kampf ist für eine Lady nicht opportun.


    James zeigt dem Leser keinen Ausweg aus dieser Situation, auch die Nebenfiguren scheinen schematisiert und das Ganze als eine Art Versuch ausgelegt. Zu der ganzen Misere kommt es ja erst, als Cousin Ralph zu Beobachtungszwecken (ganz der Engländer) Isabel sein Erbe zukommen läßt. Richtig lebendig erscheint mir keine der Figuren, auch Isabel bleibt unzugänglich. James definiert sie über ihren Verstand und ihr Herz bleibt verborgen. Anders als bei Tess verbindet mich mit keiner der handelnden Personen Sympathie oder Antipathie, sie scheinen einen bestimmten Typus zu verkörpern und sind eher im intellektuellen Sinn interessant. Auch die Handlung ist nicht mitreißend, es wirkt alles zu konstruiert z.B. die Thematiesierung "Mutter", "Amrikaner in Europa" oder "englisches Country-Life".


    Besonder gut haben mir der Anfang und der Schluß gefallen, vor allem bei Landschafts- und Situationsbeschreibungen gelingt es James, eine wunderbare Atmosphäre zu schaffen. Auch die Dialoge sind kurzweilig und sehr dramatisch aufgebaut. Der Mittelteil erscheint dann etwas langatmig und James versucht mit verschiedenen Zeitsprüngen eine gewisse Straffheit zu erreichen. Ich finde, man merkt, dass der Roman als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung konzipiert ist und zeitnah fortlaufend geschrieben wurde.


    Also ich würde sagen, eine interessante Studie, die einen kleinen Einblick in die damalige Oberschicht gibt mich aber etwas ratlos zurücklässt.


    Gruß von Steffi