Beiträge von Zefira

    Zitat

    Erhabene Situationen können der Lächerlichkeit, dem Hohne, der Ironie verfallen

    Keine neue Erkenntnis, aber jedenfalls eine wichtige.
    Danke für die treffende Zusammenfassung. Ich habe auf dem Höhepunkt meiner Phantastik-Phase dieses Buch sehr gemocht, ebenso wie Poe, Strobl, Ewers, Perutz, Jean Ray, Blackwood und viele andere.
    Im Moment macht mir Mervyn Peake solche Freude, dass ich mich vielleicht nochmal diesem Genre zuwende. Ein paar Bücher in meiner Sammlung sind noch ungelesen. (Die neuere Literatur dieser Sparte gefällt mir meist nicht besonders.)

    sandhofer : Den "angepappten" kenne ich nicht. Meine Ausgabe (Hobbit Presse) besteht aus drei Einzelbänden: "Der junge Titus", "Im Schloss" und "Der letzte Lord Groan", im Original "Titus Alone". Nach meiner Erinnerung spielt dieser letzte Band bereits nicht mehr im Schloss, ist wesentlich kürzer als die anderen beiden und auch stilistisch etwas anders, Im Nachwort heißt es, dass im Grunde auch dieser dritte Band nicht eigentlich "vollendet" ist in dem Sinne, dass Peake ihn als fertig zur Veröffentlichung erklärt hätte.


    "Peake's Progress" enthält, soweit ich es erschließen konnte, einige Erzählungen und Gedichte sowie Zeichnungen - hoffentlich viele, denn das war mein Hauptgrund für den Kauf. Ich habe übrigens in einem "Almanach" der Hobbit Presse noch eine Erzählung von Peake gefunden mit dem Titel "Dieselbe Zeit, derselbe Ort". Es geht darin um einen Mann, der sich immer wieder mit einer bezaubernden Frau trifft, und zwar jedes Mal in einem Restaurant am selben Tisch. Sie sitzt in der Ecke, halb vom Tisch verdeckt, und das ist die einzige Perspektive, aus der er sie zu Gesicht bekommt. Eigentlich ist die Heirat geplant, aber er lässt entsetzt davon ab, als er einmal zufällig durch das Fenster sieht, wie sie Platz nimmt - sie hat überhaupt keinen Unterleib und gehört zu einer Freakshow (ihre Freakkollegen tauchen gegen Ende noch einmal auf). Früher hielt ich diese Geschichte für die Vorlage zu Tod Brownings Film "Freaks", aber das kann schon zeitlich nicht sein. "Freaks" stützt sich auf eine andere Kurzgeschichte von einem Autor namens Clarence Robbins.


    ps. Von "grimmigen Erinnerungen" sprach ich oben übrigens deshalb, weil es im Nachwort zu diesem letzten Band heißt, dass Peake darin seine traumatisierende Erfahrung verarbeitet hätte, nämlich dass er als Berichterstatter bei der Befreiung des KZ Bergen-Belsen dabei war. Ich kann mich dumpf an mindestens eine Szene im dritten Band erinnern, die darauf anspielt - aber nur sehr dumpf, es ist mehr ein Gefühl als eine richtige Erinnerung. Die zweite Lektüre macht mir viel Freude, vor allem, weil ich deutlich merke, dass ich heute ganz anders lese als damals; einfach weil ich mehr Zeit habe.

    Ach, das wusste ich gar nicht, dass es den Film in voller Länge dort gibt. Ganz herzlichen Dank für den Link, giesbert . Ich habe den Film nämlich noch nie gesehen, Herr Zefira kennt ihn aus früheren Zeiten und hat mir mal davon erzählt. Den werde ich mir auf jeden Fall ansehen.


    Ich will in den nächsten Tagen eine Miniserie nach dem Roman "Alias Grace" von Margaret Atwood im Stream ansehen und die Gelegenheit nutzen, dem Buch vorher noch eine Zweitlektüre angedeihen zu lassen. Ich habe es vor zig Jahren schon mal gelesen und weiß noch, dass es jedenfalls leicht und fluffig wegzulesen ist.


    Da ich den ersten Teil von Gormenghast heute beendet habe, passt es gut. Ich weiß nicht, ob ich hier schon erzählt habe, dass ich mir ein englischsprachiges Buch mit Werken von Mervyn Peake bestellt habe. Er war ja im Grunde mehr Maler und Illustrator als Schriftsteller und hat viele bekannte Bücher bebildert, u.a. Romane von Stevenson und die beiden Alice-Bände. Ich habe mir im Internet etliche Seiten mit seinen faszinierenden, düsteren Zeichnungen angesehen und habe mir schließlich das Buch gegönnt, das seine Frau nach seinem Tod herausgegeben hat, "Peake's Progress". Es war nicht teuer. Ich bleibe in Gormenghast bis zum bitteren Ende (an den letzten Band habe ich ein paar grimmige Erinnerungen ...).

    Ich habe ja noch die Prachtausgabe von Lovecraft, die ich noch nicht komplett gelesen habe. Da könnte ich eigentlich den Pym einschieben und danach gleich "Berge des Wahnsinns", das wäre ja quasi die Fortsetzung.

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    Mal schauen, erst der Mervyn Peake fertig.

    giesbert : Mach mal und erzähl dann davon. Ich mochte das Buch (habe es wohl irgendwann in den 80ern oder frühen 90ern gelesen), es ist sehr originell, bildhaft geschrieben und hin und wieder scheint ein grimmiger Humor durch.
    Ich kann mich an vieles erinnern, aber im Moment nicht an das Ende. Da es eine Ich-Erzählung ist, muss es wohl so sein, dass der gebeutelte Erzähler irgendwie davon kommt - wie könnte er sonst erzählen. Aber es geht jedenfalls für ihn bös drunter und drüber. =O

    Ich habe mir als Jugendliche eine Poe-Ausgabe mit Illustrationen von Alfred Kubin gekauft, die nach wie vor ein Schmuckstück in meinem Schrank ist (wenig später auch die Ausgabe des Pym in gleicher Aufmachung). Kubins Zeichnungen zu den Büchern werden hier und da heftig kritisiert, aber ich finde sie zum Großteil recht passend.

    (Nebenbei bemerkt, es gibt auch einen phantastischen Roman von Kubin selbst, "Die andere Seite", natürlich auch von ihm illustriert - ich habe eine Paperback-Ausgabe davon. Das Buch kennt kaum jemand, es erschien 1909 und wurde als "Traumstadt" von Johannes Schaaf verfilmt.)

    Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass die Werke Poes so lange und so intensiv nachwirken, obwohl sich literarisch vieles dagegen einwenden ließe. Alan Parsons' Musik zum Beispiel mag ich sehr, und kürzlich habe ich auf Youtube ein Video mit einem Raben gesehen, der am Fenster saß und "nevermore" krächzte. =O:D

    Ich habe eine Biographie über Edgar Allan Poe von Julian Symons gelesen - in diesem Jahr habe ich einige Biographien auf der Leseliste. Nach eigenem Bekunden war Julian Symons, den ich bisher nur als Autor und Rezensent von klassischen Krimis kenne (er hat eine hochinteressante literaturgeschichtliche Abhandlung über die Entwicklung des Krimis geschrieben) unzufrieden mit den bisher vorliegenden Poe-Biographien, weil sie zu sehr auf das literarische Schaffen Poes fokussieren und zu wenig auf seine Haupttätigkeit, nämlich den Literaturjournalismus. Poe war sein Leben lang bemüht, eine Literaturzeitschrift herauszugeben. Er hat es x-mal immer wieder versucht und scheiterte jedes Mal. Es gab eine Menge Gründe dafür, aber Faulheit zählt nicht dazu. Poe muss, bevor es gesundheitlich endgültig mit ihm bergab ging, sehr viel und fleißig gearbeitet haben.

    An die Biographie schließt sich noch eine Abschnitt über die Wirkung seines Oeuvre an, mit der üblichen psychologischen Würdigung seiner Geschichten, aber das hängt mir inzwischen zum Halse raus (ich habe vor langer Zeit mal Marie Bonapartes Werk über Poe gelesen). Ich habe "Wer war Edgar Allan?" von Peter Rosei angeschlossen - ein sehr originelles Büchlein - und kehre nun zu Mervyn Peake zurück, an dem ich viel Freude habe.

    Oh, dieses Nestroy-Zitat ist ja so genial ... (prust)
    Meine Mutter, Jahrgang 1922, pflegte übrigens noch zu sagen: "man frug mich". Das fand ich um so außergewöhnlicher, als man heute ja zu sagen pflegt "man hat mich gefragt".

    (Als ich eben schrieb "pflegte", überlegte ich einen Moment, wie die alte Form war; hieß es "pflog" oder "pflag"? Die Form "pflag" kenne ich allerdings nur von Wagner: "Mit Treue pflag ich seiner großen Jugend.")

    Ich habe zwei Bücher aus fremden, sehr fremden Ländern vor mir:


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    "Das Verschwinden der Erde" von Julia Phillips ist zwar von einer Amerikanerin geschrieben, spielt aber auf der Halbinsel Kamtschatka und beleuchtet das Dasein auf diesem abgelegenen, seit Ende der Sowjetunion geradezu abgehängten Landstrich - speziell für Frauen. Es ist eine Art Episodenroman in dreizehn Kapiteln, jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Frau. Aufhänger ist ein dramatisches Geschehen, die Entführung zweier kleiner Mädchen; aber das Buch ist definitiv kein Thriller.


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    "Kim Jiyoung, geboren 1982" von Nam-Joo Cho spielt in Südkorea und führt in sehr trockener, fast journalistischer Sprache ein typisches Frauenleben der Gegenwart vor. Es ist ein Trauerspiel; vielleicht hätte ich es nicht gleich nach dem Vorgenannten anfangen sollen. Wer mit Südkorea so hippe Kulturschöpfungen wie "Gangnam Style" und den schicken Zombiefilm "Train to Busan" verbindet, dem kann bei der Lektüre angst und bange werden. Ich habe sehr, sehr vieles wiedererkannt von den Mechanismen und Vorurteilen, die das Buch erzählt, aber ich bin auch eine Generation älter als die Hauptfigur - meine Töchter sind '87 und '90 geboren und haben sich bestimmt nicht mit so einem Sch... auseinandersetzen müssen (hoffe ich doch jedenfalls). Ein Wohlfühlbuch ist das nicht. Ich habe drei Viertel gelesen und weiß jetzt schon, dass ich danach dringend was Leichteres brauche.

    Ich habe "Neunzehnhundertfünfundachtzig - EIn historischer Bericht" von György Dalos inzwischen gelesen. Das Buch geht von der Prämisse aus, dass der Superstaat Ozeanien kurz nach den Ereignissen, die Orwell in "1984" schildert, durch eine gigantische militärische Niederlage die komplette Luftwaffe verliert. Damit wird Ozeanien wehrlos; in 1985 ist vom ganzen Gebiet Ozeaniens nur noch Airstrip One übrig, also Großbritannien. Im Eingangskapitel stirbt der Große Bruder.


    Abwechselnd kommen Figuren aus 1984 zu Wort: O'Brien (Chef der Gedankenpolizei), Winston Smith (der die Literaturbeilage der New York Times schreiben darf), Julia (die Kultusministerin wird), Syme, Ampleforth, Winstons Frau Catherine und der von Winston erfundene "Genosse Ogilvy" kommen vor, sogar Parsons darf mitmachen. Stand des Berichts ist übrigens 2035. Der "Historiker", der die Quellen zusammenstellt, erklärt alles Nötige in Fußnoten, nutzt diese Fußnoten aber im Verlauf des Buches immer mehr dazu, gegen seinen Chef zu hetzen. Wie sich am Schluss herausstellt, sitzt er selbst im Gefängnis (dieses Gefängnis ist aber der reinste Wohlfühlort, man bekommt Essen, Besuch und einen Schreibtisch; Folter gibts nicht mehr). Interessant ist, dass neben den in 1984 genannten drei Superstaaten noch zwei unabhängige Gebiete existieren: Brazzaville, wo Kokain für die ganze Welt produziert wird, und Hongkong, Hauptsitz der Vergnügungsindustrie. Hongkong ist auch der Erscheinungsort des Buches.


    Ich musste mehrmals heftig lachen, aber gegen Ende wird es derart bizarr, dass ich den Faden verloren habe. Ich könnte nicht sagen, wer Ozeanien am Schluss regiert.

    Das ist eine feine Liste. Die "Drei Geschichten" von Flaubert werde ich vielleicht selbst dieses Jahr noch lesen, als flankierende Lektüre, sobald die Biographie herauskommt (und ich die Muße dazu habe). Und der Perutz ist ein besonderes Schmankerl, daran erinnere ich mich gut.


    Ich komme wegen der laufenden Leserunden kaum voran (sagte ich wohl schon), habe mir aber nichtsdestotrotz den ersten Band von "Gormenghast" herausgelegt. Der Aufenthalt in diesem alten Gemäuer ist sehr inspirierend, die Fremdartigkeit dieses ganzen Settings geradezu erschlagend.

    Krylow : Danke für den Link. Es ist ein netter Zug, dass das Städtchen Turgenjew mit einer Gefenktafel geehrt hat; er schreibt auch sehr freundlich über die Umgebung. So einmal bei Gelegenheit einer mehrtägigen Wanderung: "Ich grüße dich aus der Ferne, du bescheidenes Fleckchen deutschen Landes, mit deiner schlichten Behaglichkeit, den unzähligen Spuren fleißiger Hände, geduldiger, nicht überhasteter Arbeit ... ich grüße dich! Friede sei mit dir!"

    Trotzdem muss ich leider sagen, dass mir von allen Erzählungen in dem Bändchen "Asja" noch am wenigsten gefallen hat. Das kann natürlich auch an mir liegen, ich mag die Darstellung sehr junger Mädchen in der Literatur des 19. Jahrhunderts oft nicht; mir ist da insgesamt zu viel von hübschen kleinen Köpfchen und übermäßig kapriziösem Wesen die Rede. Am besten gefallen hat mir "König Lear der Steppe" - das ist wirklich großartig erzählt, und "Mumu", die kürzeste Geschichte in der Sammlung, ist eine Perle.

    Ich habe meine Novellensammlung von Turgenjew heute ausgelesen.

    Sie enthält die Erzählungen "Erste Liebe" (dies ist auch der Titel der Sammlung), "Mumu", "Asja", "König Lear der Steppe" und "Die Uhr".

    "Asja" spielt übrigens in Deutschland, in einem linksrheinischen Städtchen mit Weinbergen. Da Turgenjew ausdrücklich von "Ausläufern des Hunsrück" spricht, müsste es wohl irgendwo zwischen Koblenz und Bingen liegen. Die Landschaft und die Menschen werden sehr liebevoll beschrieben.


    ps. Wenn ich mir jetzt meine Liste ansehe, denke ich, das ist wohl zu viel. Als ich sie aufgestellt habe, wusste ich noch nicht, wie interessant die Leserunden werden. Bis Ende April bin ich noch in vieren. Für weitere werde ich mich wahrscheinlich nicht mehr eintragen, weil man dann vielleicht wieder reisen kann - dann werde ich hoffentlich wieder mehr Zeit für die Liste haben. Aber man weiß ja nie ...