Beiträge von Rodion

    Hallo,


    ich weiss nicht, ob das Buch alle Deine Kriterien trifft, aber Italo Calvino macht in "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" zumindest in der Rahmenhandlung den Leser zum Hauptcharakter und adressiert ihn auch mit "Du".


    Gruß,


    Rodion

    Hallo zusammen,


    dieser Tage erstand ich - für ein Appel und ein Ei - eine Ausgabe des Monumentalromans "Dessen Sprache Du nicht verstehst" von der Österreicherin Marianne Fritz. Ich muss gestehen, dass ich die Autorin vorher selber nicht kannte, habe die Bücher mehr auf Verdacht mitgenommen, weil ich dachte, was im Suhrkamp-Verlag erscheint, ist oft nicht ganz falsch...


    Seither sitze ich andächtig vor 12 wunderschönen roten Hardcover-Bänden, insgesamt ca. 3300 Seiten (eine Dimension, die ich bisher nur von Proust kannte) und überlege, ob ich es wirklich wagen soll, das Werk zu lesen.


    Hat irgendjemand Erfahrung mit diesem Buch oder seiner Autorin gemacht? Die Forumssuche ergab nur einen Thread, in dem das Buch kurz erwähnt wird:
    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=992 (Bluebells Österreich-Liste)


    Weiter andächtig ausharrend,
    Rodion

    Hallo!

    Zitat von "sandhofer"


    Da hat, glaube ich, schon mal jemand Werbung gemacht für diese Seite in den Baumforen von nimue.


    Das war lediglich ein Hinweis, keine Werbung. Ich habe mit den Betreibern der Seite nichts zu tun.


    Zitat von "sandhofer"


    [...]


    Tut mir leid, bei aller Liebe für Amateure - diese Seite kann ich nicht ernst nehmen. :sauer:


    Die von Dir genannten Punkte dürften wohl weniger mit der Seite oder ihren Betreibern zu tun haben, als vielmehr mit den Benutzern. Wenn die Leute ihre Bücher nicht in die richtigen Kategorien stecken können, kann man da wenig gegen tun. Gleiches gilt für die Fotos.


    Kein Grund jedenfalls, das Konzept derart arrogant abzutun...


    Ebenfalls: :sauer:


    Gruß,
    Rodion

    Hallo,


    mir ist heute diese Tauschbörse über den Weg gelaufen:


    http://www.buchticket.de


    Ist eigentlich ein ganz schönes Konzept: Man stellt einige Bücher ins Netz, die man loswerden möchte, erhält dafür ein Anfangskontingent an sogenannten "Tauschtickets" und kann sich für jedes Ticket ein Buch von einem anderen Teilnehmer aussuchen. Dafür erhält dieser Teilnehmer dann wieder ein Ticket usw.


    Gruß,
    Rodion

    Tag zusammen!


    Auch ich möchte mich dem Chor derjenigen anschließen, die penetrante Kleinschreibung in hohen Dosen für unlesbar erachten.


    Zitat von "Dostoevskij"

    Ich habe nur etwas gegen die selbsternannten Wächter und Hüter der deutschen Sprache.


    Darum geht es - mir zumindest - nicht. Es geht einfach nur um Lesbarkeit.


    Gruß,
    Rodion

    Zitat von "elahub"

    Herrje .. eine kurze Recherche hat schon ergeben, dass das oben (von mir) Geschriebene völliger Blödsinn ist !!


    ...wie ja auch allgemein bekannt ist, dass Nabokov keine Gelegenheit ausgelassen hat, um Dostojewskij den Vergleich mit Tolstoj aufzuzwingen, um dabei letzteren als Sieger hervorgehen zu lassen. Man lese z.B. "Pnin"...
    Seit dieser Erkenntnis habe ich nichts mehr von Nabokov gelesen; zu billig erscheinen mir seine didaktischen Versuche, Dostojewskij als christlichen Eiferer darzustellen.


    Gruß,
    Rodion

    Hallo hafis50!


    Zitat von "hafis50"

    Asiaten hören beethoven und kaufen van gogh, und wir haben museen voll asiatischer und afrikanischer kunst. Und was in unseren museen als ausl. kunst steht, gilt auch in den heimatländern als kunst. Oder haben wir hier "kunst"-gegenstände, die in heimatkulturen als ausschußware gelten?


    Die Beispiele verkennen die angestrebte Tragweite dessen, was ich mit dem "Herausreißen aus dem kulturellen Zusammenhang" meinte. Es geht ja nicht bloß um den Unterschied zwischen heute bestehenden Kulturen, sondern auch und vor allem um zeitliche Differenzen. Wird man in 10.000 Jahren (so die Menschheit dann noch existiert) noch Tolstoj lesen? Vermutlich eher nicht, weil es nicht mehr in die Zeit passt. Und das wird sicher nicht daran liegen, dass Tolstoj von "objektiv besseren" Autoren verdrängt wurde, sondern weil die Selektionskriterien der Gesellschaft sich verändert haben, weil der Konsens ein anderer geworden ist.


    Zitat von "hafis50"

    Das ästhetische empfinden liegt im betrachter. Kann man dies erlernen? Wann und wie lernen wir das? Das glaube ich nicht. Mir hat niemals jemand etwas über kunst erzählt, geschweige denn beigebracht.


    Es geht mir nicht um explizite Pädagogik, die tatsächlich eine eher untergeordnete Rolle spielen dürfte. Es geht einfach darum, dass wir gesellschaftlich, kulturell geprägt sind, auch was unser ästhetisches Empfinden betrifft. Alles, was wir an Artifiziellem sehen, lesen und hören, von klein auf, bestimmt unsere Reaktion auf neue artifizielle Reize, so auch auf Kunstwerke.

    Zitat von "hafis50"

    Wenn kunst von der gesellschaft gemacht wird und kunstwertschätzung anerzogen ist, müßten alle soziologen künstler sein und alle pädagogen ästheten.


    Soziologen machen nicht Gesellschaft und Pädagogen haben damit gar nichts zu tun. :zwinker:


    Gruß,
    Rodion

    Hallo Harald!


    Zitat von "Harald"

    Schon die Fragestellung ist sinnlos. Die Frage "Was ist XXX?" wird gerade von Philosophen gerne gestellt, und gefragt wird nach einer Begriffsbestimmung. Nun ist es aber so, dass ich ohne eben diese Begriffsbestimmung gar nicht weiß, wonach eigentlich gefragt wird. Mit anderen Worten, der Sinn dieser Frage ist erst klar, nachdem sie beantwortet wurde.


    ...und genau das meinte ich mit zirkulär. Wenn man auf die genannte Frage "Was ist XXX?" eine formale Definition erwartet, dann ist die Antwort "Klassiker ist, was 'Klassiker' genannt wird" zirkulär. Ich bin ja ebenfalls der Meinung, dass eine solche Definition nicht möglich ist.



    Zitat von "Harald"

    Alternativ kannst Du eine Definition vorgeben: "Mit 'Klassiker' meine ich im Folgenden: ..." und dann nach den Eigenschaften der so definierten Objekte fragen.


    Was bringt es aber, die Eigenschaften von 'Klassikern' vorzugeben, und dann nach den Eigenschaften der so definierten Objekte zu fragen? Oder habe ich das jetzt falsch verstanden und Du wolltest eine Menge von Werken als 'Klassiker' kennzeichnen und dann nach ihren (gemeinsamen) Eigenschaften fragen? Aber auch dann wären wir wieder am Anfang, nämlich bei der Frage, welche Objekte denn zu der Menge gehören. Davon abgesehen gibt es bei dem genannten Diskurs keinen "Anfang", an dem man eine Definition vorgeben könnte; und wer sollte dies auch tun?


    Gruß,
    Rodion

    Hallo!


    Zitat von "hafis50"

    Daß klassiker oder kanons nach rein subjektiven kriterien festgelegt sind, erscheint allein schon deswegen unglaubhaft, weil es sonst viel mehr überlebende werke und kanons gäbe. Tatsächlich haben aber nur recht wenige werke überlebt.


    Das spricht aber keineswegs gegen die These des intersubjektiven Diskurses. Der von Dir angeführte Begriff der Objektivität (bzw. der Qualität) hingegen ist ein großes Wort, und es ist kaum zu begründen, was "objektive Qualität" eines Werkes sein könnte. Das hieße ja, dass Kunstwerke völlig aus ihrem kulturellen Zusammenhang gerissen werden könnten und trotzdem beurteilbar bleiben müssten, bzw. immer noch in eine Rangfolge zu bringen wären. Und das halte ich für sehr abwegig. Kunstwerke lassen sich m.E. nur nach erlernten ästhetischen Kriterien bewerten, und diese Kriterien sind völlig kontingent, da kann von objektiver Qualität nicht die Rede sein.


    Zitat von "hafis50"


    Die diskursidee hat parallelen zu bloom's kulturdarwinismus: nur die "starken" dichter kommen in den kanon. Daß etwas diskursiv erschlossen wird, heißt aber noch nicht, daß der diskurs und die einigung nicht auf objektiven kriterien beruhen. Ebensowenig, daß diese objektiven kriterien für uns erkennbar sein müssen (siehe bloom's theorie der einflußangst: vereinfacht: wenn unbewußte psychologische faktoren eine rolle spielen, ist nur der diskurs beobachtbar, nicht aber die wirkkräfte dahinter).


    Ich kenne Blooms Thesen nicht, aber die von Dir genannten psychologischen Faktoren sprechen meiner Meinung nach eher für Intersubjektivität: Es werden viele Lippenbekenntnisse gemacht, Etabliertes wird selten hinterfragt; dies führt dann zu einem Konsens, der kein Konsens eines idealen Diskurses ist (wie ihn Habermas/Apel einfordern), sondern ein Konsens, der autoritären Instanzen (und eine solche ist auch die Tradition als "Schablone" für Selektionskriterien) folgt.


    Zitat von "hafis50"


    Die zweite frage wäre, aus welchem grunde ein werk in den kanon aufgenommen wird, also nach den selektionskriterien. Ich stelle mich hier auf bloom's seite, und meine, daß dies mehr durch werkimmanente faktoren (qualität, autor-werk-leser-relation als hauptrahmen des diskurses) als aus soziologischen gründen erklärbar ist, daß also kunstwerke sich selber machen und nicht ein soziologischer diskurs:


    Ich glaube, dass wir durch die Unhintergehbarkeit unserer anerzogenen ästhetischen Maßstäbe überhaupt nicht in der Lage sind, die Selektionskriterien für Kunstwerke zu "entbergen". Kunst wird von der Gesellschaft gemacht (auch der Künstler ist ja Teil derselben) und sie kann nicht aus ihrem (historischen und kulturellen) Kontext gerissen werden, ohne ihre "Qualität" einzubüßen.


    Aber die Objektivitätsthese wird häufig vertreten, Hegel und Adorno sind Beispiele dafür. Ich habe das nie verstanden... :zwinker:


    Gruß,
    Rodion

    Zitat von "sandhofer"


    den intersubjetiven Diskurs nenne ich das in Anlehung an ethische Konzepte bei Habermas oder Apel.


    Hallo!


    Die Diskurs-Idee finde ich gut. Ein Klassiker wäre damit genau dann ein Klassiker, wenn er im - theoretisch unendlich laufenden - Diskurs genügend häufig als solcher bezeichnet worden wäre. Diese Definition ist zwar zirkulär, ist aber m.E. die bestmögliche.


    Letztlich wird damit die zunächst eher philosophische Frage, wie Kunstwerke jedweder Couleur (und damit auch Literatur) zu bewerten sind, zu einer soziologischen: Es geht dann eher darum herauszufinden, wie die Gesellschaft in diesem Diskurs ihre Kunst auswählt; nicht bezogen auf das einzelne Kunstwerk, sondern insgesamt (d.h.: Gibt es Autoritäten, bzw. Instanzen, die den Diskurs dominieren etc...). Anders kann m.E. das Phänomen "Kunst" nicht sinnvoll untersucht werden.


    Gruß,
    Rodion


    Hallo Hubert,


    sicher habe ich mich mit meinem "kein Mensch liest Proust" einer von kulturpessimistischem Bedauern hervorgerufenen Übertreibung schuldig gemacht... ;-) Allerdings ist es m.E. keine allzu gewagte These, der (Un-)Abgelesenheit von Bibliotheksexemplaren eine gewisse Korrelation zur allgemeinen Popularität zu unterstellen. Und gerade einem Buch, für das man bei Neuerwerb mindestens €50 hinlegen muss, würde man doch spontan eine höhere "Ausleihfrequenz" prophezeien.


    Natürlich gibt es nach wie vor Leute, die Proust lesen (auch wenn man nur höchst selten einen trifft). In jeder guten Buchhandlung steht er in mindestens einer Ausgabe herum, und in Antiquariaten ist er vermutlich nur deshalb selten zu bekommen, weil er sofort wieder verkauft wird (ich habe selber die dreizehnbändige Erstausgabe nur deshalb antiquarisch erstanden, weil sie gerade frisch eingetroffen und noch nicht einsortiert war). Aber die "Recherche" ist doch trotzdem das Musterbeispiel für den "ungelesenen Klassiker". Und der von Dir genannte "Proustleser" gehört damit eben einer sehr seltenen, jedoch hoffentlich nicht vom Aussterben bedrohten Gattung an.


    Gruß,
    Rodion

    Zitat von "sandhofer"


    ...


    Selbst und gerade dort, wo der Erzähler lügt, ist er faszinierend.


    ...


    Hallo Sandhofer,


    fallen Dir spontan noch Stellen ein, an denen ersichtlich wird, dass Marcel lügt? Ich habe die Recherche auch letztens gelesen, mir ist aber nichts derartiges aufgefallen (Langatmigkeit wirkt wohl stellenweise aufmerksamkeitshemmend ;-))


    Empfehlenswert ist übrigens die "Frankfurter Ausgabe" von Suhrkamp. Ist eine neu redigierte Ausgabe der Standard-Übersetzung von Eva Rechel-Mertens. Sehr hilfreich: Die Ausgabe ist reichhaltig mit Anmerkungen versehen, was an vielen Stellen ein Verständnis der historischen Bezüge erst möglich macht. Der Haken: Für Normalsterbliche nicht erschwinglich (€300). Gab's aber hier in der Uni-Bib (ungelesen; kein Mensch liest Proust...)


    Gruß,
    Rodion

    Zitat von "Angélique"

    [...]


    Warum die neue Übersetzung besser sein soll ("Verbrechen und Strafe" klingt jedenfalls lange nicht so gut wie der alte Titel!), das würde mich auch mal interessieren.


    [...]


    Hallo Ikarus und Angélique,


    ich maße mir nicht an, die Qualität der Neuübersetzung bewerten zu können, dafür ist mein Russisch zu inexistent ;-). Hier mal ein Ausschnitt aus einem Artikel des Schweizer Tages-Anzeigers (http://www.tages-anzeiger.ch/a…96maerz/960320/234721.htm:


    [...]Tatsächlich hat man gerade bei Dostojewski allzu lange und allzu konsequent übersetzt, was er - vermeintlich - sagen wollte, und nicht, wie er es wirklich sagte. Svetlana Geier nimmt dagegen Partei für den eckigen und kantigen Dostojewski, für dessen vielfach gebrochene Satzrhythmen, für auf den ersten Blick unlogisch wirkende Details und für den markigen Duktus einzelner Figuren. Das Resultat ist in der Tat erstaunlich, und es macht auf deutsch vielleicht erstmals spürbar, wie sehr dieser Dichter der Zerrissenheit auf jeder Zeile, in jedem Satz sprachlich zu erkennen ist. Endlich wird Dostojewski übersetzt, wie man auch Gogol - bei dem er vieles gelernt hat - übersetzen muss: als Künstler des sprachlichen Details, als Meister des Nicht-ganz-Korrekten.


    Ihre grosse Erfahrung mit sprachgewaltigen Autoren des 20. Jahrhunderts wie Belyi, Platonow oder Sinjawski kommt Svetlana Geier hier zugute. 1994 legte sie "Verbrechen und Strafe" (üblicherweise: "Schuld und Sühne") vor - die Titeländerung zugunsten des Wörtlichen war übersetzerisches Programm und wirkte nebenbei publicitywirksam. "Böse Geister" (früher: "Die Dämonen") und "Die Brüder Karamasow" sind angekündigt.


    "Verbrechen und Strafe" wurde mit mehreren Preisen gewürdigt. Offenbar stösst der Versuch, Dostojewski endlich beim Wort zu nehmen, auf dankbare Ohren.


    [...]


    Dass "Schuld und Sühne" (zugegebenermaßen) besser klingt als "Verbrechen und Strafe" ist also wohl genau das Problem der alten Übersetzung.


    Gruß,
    Rodion

    Zitat von "ikarus"

    Hallo zusammen


    Dostojewski ist vier mal vertreten. Hat jemand von euch schon mal was von ihm gelesen? Ich habe mich bisher noch nicht an ihn herangetraut.


    Viele Grüße
    ikarus


    Hallo Ikarus,


    Dostojewskij ist einer meiner Lieblingsautoren, deshalb muss ich mich hier mal zu Wort melden ;-).


    Ich habe von ihm bisher gelesen:


    "Verbrechen und Strafe" (ehem. "Schuld und Sühne")
    "Der Idiot"
    "Böse Geister" (ehem. "Die Dämonen")
    "Die Brüder Karamasow"
    "Der Spieler"


    Als Einstieg würde ich "Verbrechen und Strafe" empfehlen, das ist grossartig und nicht schwer zu lesen. Die ersten drei Bücher auf der Liste sollte man unbedingt in der neuen Übersetzung von Svetlana Geier lesen (erschienen als Fischer TB), die anderen gibt es (bisher) nur in alter Übersetzung.


    Und anstrengender als Th. Mann schreibt er auch nicht ;-).


    Gruß,
    Rodion


    PS: Um mal die Konsalik-Diskussion anzuspitzen: Der gehört m.E. ins Forum "Schund", aber das gibt es hier ja zum Glück nicht. (Nichts für ungut, ich kann ihn halt nicht leiden...).