Beiträge von captainmarlowe

    Rainer Maria Rilke


    Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
    und er verarmte mir in den Armen,
    und wurde klein, und ich wurde groß:
    und auf einmal war ich das Erbarmen,
    und er eine zitternde Bitte bloß.


    Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
    und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
    er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
    und wir haben langsam einander erkannt...


    Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
    kann er frei seine Flügel entfalten
    und die Stille der Sterne durchspalten, -
    denn er muß meiner einsamen Nacht
    nicht mehr die ängstlichen Hände halten -
    seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

    Da ich am Meer geboren bin, und es nach mehr, als 40 Jahren Abwesenheit immer noch so sehr vermisse, spricht mir hier eine große Dichterin aus der Seele:


    Gabriela Mistral
    DER TOD DES MEERES Für Doris Dana


    Eines Nachts starb das Meer
    von einem Ufer zum andern,
    sich faltend, schrumpfend,
    ein Mantel, den man fortnimmt.


    Gleich einem trunkenen Albatros,
    wie flüchtiges Raubzeug,
    lief es mit zehn Wellenschlägen
    bis zum äußersten Horizont.


    Als die beraubte Welt
    das Tageslicht wieder sah,
    war das Meer ein zerbrochenes Horn,
    das auf den Ruf keine Antwort mehr gab.


    Wir Fischer gingen hinunter
    zur geschändeten Küste,
    runzelig und kahl lag sie da
    wie eine ausgezehrte Füchsin.

    Das Schweigen war so groß,
    dass es die Brust bedrängte.
    Und die Küste breitete sich endlos weit
    wie einer angeschlagenen Glocke Ton.


    Wo das Meer einst brüllte, gezüchtigt
    von dem Gott, der es bändigen wollte,
    und seinem Gott Antwort entgegenwarf
    mit zornigen Hirsches Sprüngen,


    wo Burschen und Mädchen
    sich salzige Munde reichten
    und in goldener Flechte
    nur den Reigen des Lebens tanzten,


    verblieben Perlmutter,
    die bleichen Schnecken,
    die ihrer Liebe, ihres Selbst
    entleerten Quallen.


    Verblieben Dünengespenster,
    verwitweter als Asche,
    starrten auf die Höhle ihres Leibes,
    der so viel Freude gekannt.


    Und der Nebel griff mit seiner Hand
    in kahl gewordene Gefieder,
    fuhr tastend über tote Albatrosse,
    streifte umher wie Antigone.


    Waisenblick warfen
    Steilküsten und Buchten
    auf den getilgten Horizont,
    der ihre Liebe nicht erwiderte.


    Und obschon uns das Meer nie gehörte
    wie ein geschorenes Lamm,
    wiegten die Frauen es alle Nächte
    als wäre es ihr Kind.


    Und obschon uns das Meer in den Traum
    Kraken und Alpdruck hineinwarf,
    und es an die Schwelle unserer Häuser
    die Ertrunkenen ausspie,


    das Meer nicht zu hören, nicht zu schauen,
    davon starb man langsam dahin,
    und es schwand aus unseren wüstentrockenen Wangen
    Feuer und Blut.


    Sähen wir nur, wie es aufspränge
    mit dem plötzlichen Sprung von Färsen,
    wie es Quallen und Tang
    keuchend emporhöbe,


    wie es uns schlüge
    mit seinen salzigen Wogen
    und seine Wellen hochstiegen
    von Wundern brandend -


    wir würden Lösegeld zahlen
    gleich einem besiegten Volksstamm,
    würden unsere Häuser hingeben,
    unsere Söhne, unsere Töchter.


    Keuchend unser Atem,
    wie der des Erstickenden im Schacht,
    und schon auf unseren Lippen sterben
    Loblied und Preisgesang.


    Mit starren Augen
    rufen wir Fischer noch immer nach ihm,
    klammern uns weinend
    an die geschmähten Barken.


    Wir wiegen sie, wiegen unaufhörlich,
    wie das Meer sie gewiegt hat,
    kauen versengte Algen,
    der Ferne zugewandt,


    oder beißen in unsere Hände
    wie Skythensklaven.
    Und wenn die Nacht da ist,
    fassen wir uns bei der Hand,


    heulen wie Alte und Kinder
    wie verlorene Seelen:
    „Thalassa, alte Thalassa,
    grüne, flüchtige Rücken!


    Wenn wir verlassen,
    rufe uns zu dir, wo immer du weilst,
    und bist Du gestorben, dann wehe
    der Wind von Erinnas Farbe.


    Er soll uns nehmen, er soll uns werfen
    an eine andere gesegnete Küste,
    die Buchten dort zu zählen
    und zu sterben auf ihren Inseln

    H.v.Kleist ist auch ansonsten ein hervorragender Novellist. Mir hat immer die fast atemlose, suggestive Konzentriertheit imponiert, mit der er die Szene aufbaut.


    Dem kann ich nur zustimmen, und da es zahlreiche seiner Werke als e-books gibt, kann ich zwischenrein immer wieder eines genießen. Als nächstes ist >Die Marquise von O< an der Reihe, das ist ja sehr bekannt, mir noch nicht. Ab und an ist Kleist auch ein wenig frustrierend, da er so wenig Hoffnung übrig läßt, wie z.B. beim >Findling<. Die Novelle endet zwar mit viel Aufrichtigkeit, aber ohne jede Hoffnung, alles Schöne und Feine wurde ausradiert...

    Heinrich von Kleist - das Erdbeben in Chili [kaufen='B004UBAC3K'][/kaufen]
    und zum Ausgleich etwas Modernes :zwinker: [kaufen='B004M8S40E'][/kaufen]
    Anne Cleves - Silent voices (Vera Stanhope 4)

    Zitat

    Zitat finsbury: Schön, dass du auch so gerne italienischen Barock hörst, und auch Flötenstücke, für mich das Beruhigendste und Aufheiternste an Musik, was ich mir denken kann.


    Ja, und diese Heiterkeit zur rechten zeit einzusetzen ist für mich so wichtig!


    Gestern habe ich zum Frühstück Scarlatti - den ich vergessen hatte - gehört, die Sonne schien ins Fenster, und die Nachbarn unterhielten sich leise im Garten, mein Buch war aufgeschlagen und der Tee duftete... Ahhh! :klatschen: Sonntäglich eben!

    Bei mir muss es heute ein Krimi sein, der letzte Deborah Crombie, die ich sehr gern lese.
    Hier geht es um Themse-Ruderer und ihre Widersachen :zwinker:
    [kaufen='3442474655'][/kaufen]

    Lieblingskomponisten? Eher Lieblings-Klassische-Musik... Ja...da kommt es auf die Stimmung an, unter dem Strich sind es zumeist Vivaldi und Corelli, die ich sehr gern und oft höre, dann Händel und Bach zu Festlichkeiten, welche eben festliche Stimmung brauchen :zwinker: und leichte Klaviermusik, die kann eigentlich immer nebenbei laufen. Da habe ich Mozarts Pianokonzerte für mich entdeckt, den ich früher nicht hören mochte, ebenso seine kleinen Flötenwerke. Eric Satie ist einer meiner Piano Favoriten. Ich mag auch Antonin Dvorak und Smetana, liebe sogar Brahms :smile:. Aber: ich kann Beethoven, der in meinem Elternhaus zu allen Gelegenheiten gehört werden musste, trotz einiger mutiger Versuche, nicht mehr hören, dafür aber Musik der Renaissance, die leicht zum tanz aufspielt, wobei mir jetzt kein spezieller Komponist einfällt.
    Albinonis Schmalz ist zuweilen auch angesagt, fürs Herz!
    Ach, da gibt es noch mehr; z.B. hat Keith Jarrett eine Platte mit >Sacred Hymns< von G.I. Gurdjieff eingespielt, die ich sehr hörenswert finde, und ich höre auch klassische asiatische Musik, davon ich die Komponisten leider auch nicht nennen kann.
    Ohne Musik vergeht mir kein Tag...

    Mir kam gerade eine überraschend hübsche und interessante Novelle unter: >Brigitta< von Adalbert Stifter. Brigitta darf in der Zeit des Reitens und der Pferdekutschen eine sogenannt häßliche Frau sein, sie darf dünn sein und dunkel und blass, sie darf sich schwarz kleiden und Konversation verabscheuen, sie darf lesen, was sie will, und bekommt den schönsten Mann, der je ihr Elternhaus, in dem sie nie geliebt wurde, betreten hatte... Dann natürlich gehen die Komplikationen los :zwinker:
    Eine etwas betuliche, aber dennoch frische Geschichte, die sich zu lesen lohnt.
    [kaufen='B004WH05ZC'][/kaufen]


    oh! Sorry! Bei booklooker gab es auch welche... Ich drücke Dir die Daumen, falls Du ein Exemplar erwerben willst! :smile:

    Ah! Ein Schriftsteller, den ich sehr gern gelesen habe, den ich sehr schätze!
    Was steht bei mir im Regal von ihm? ...mal schauen...


    Unheimliche Gesellschaft (Phantastische Erzählungen, sehr zu empfehlen! Gut zum Einsteigen...)
    Der Tod des Artemio Cruz
    Chac Mool (sehr empfehlenswert!)
    Hautwechsel
    Aura
    Die gläserne Grenze
    Terra Nostra
    Letzteres habe ich begonnen, aber nie zuende gelesen und ich kann nicht einmal sagen, warum nicht! Vielleicht versuche ich es noch einmal...

    @ montaigne
    Ich danke Dir herzlich für Dein erneutes Angebot, aber...ich bin noch nicht bereit! :redface: ...habe zu viel Anderes zwischenrein gelesen, und und und... Aber: Ich werde es demnächst wagen, einer Lesrunde beizutreten!
    Einen schönen Feiertag wünsche ich!

    Hallo Friedi! Ich wünsche Dir viel Freude und Anregungen hier!
    Auch ich bin neu, und bin noch dabei, mich zurecht zu finden :smile:
    ...und: Ein schönes Wochenende für Dich!

    Merci danke an Alle! Habe jetzt gute Antworten bekommen :eis: lecker!


    ...und: Sorry, das war kein Schreien
    (würde ich mir hier in diesen geheiligten Hallen gar nicht erlauben! Dzt! :zwinker:),
    nur der Versuch, zu viel Unsinniges, wie jene Bemerkung,
    die deutschen Autoren müßten nicht...weil sie schon...etc.


    also: wie gesagt! Merci danke :smile:

    Ah! Da haben wir ein paar Antworten, aber nicht die, welche ich eigentlich wollte...sorry!
    Mir kam es wirklich auf Texte an, wie der von A.v.A. oder auch, wie didonia meint: wer die Günderode lesen will,
    der muss schon das Deutsch ihrer Zeit verstehen. Nicht, dass es mich stören würde,
    aber ich war neugierig darauf, zu wissen, ob das Deutsch der >Alten< auf Neudeutsch geglättet wird...
    Nun, vielleicht weiss ja noch Jemand bescheid.
    Danke aber schon einmal für Eure Beiträge! :smile:

    Was möchtest Du, werter Giesbert, denn für: Ludwig Börne, Werke in 2 Bänden. Aufbau 1981. (Bibliothek dt. Klassiker). Sehr gut erhalten. als gegewert erhalten???
    Und: was sollen die 144 Goethens kosten?