Zum Inhalt der Tragödie

  • Hallo zusammen,


    ich hänge - nach einer berufsbedingten Pause - weiter mit meinen alten Griechen rum und habe jetzt zu den griechischen Tragikern ein bisschen Sekundärliteratur hinzugezogen, eine olle Kamelle : Albin Lesky - Die griechische Tragödie".
    Dort habe ich nun zu meinem Erstaunen gefunden, dass man Aristoteles'
    Katharsis - Begriff, also, der Sinn der Tragödie liege im Erregen von Furcht und Mitleid, n i c h t moralisch verstehen darf, sondern ausschließlich gesundheitlich:"[...] eine mit Lust verbundene Erleichterung von den genannten Affekten [...]."( Lesky, s.o. S17, in der Kröner -Ausgabe von 1984). :rollen:
    Habt ihr dazu irgendwelche Einsichten?


    Gruß
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen!
    Hallo finsbury!


    M.W. ist die Poetik des Aristoteles, in welcher die beiden Begriffe auftauchen, ja eher eine Art Sammlung von Notizen. Aristoteles hat seine ausführlicheren Ansichten zur Tragödie in einem Werk ausgeführt, das uns nicht überliefert worden ist. Insofern kann man m.E. nicht ausschliessen, dass das Bild der "Reinigung" bei Aristoteles (auch) hygienisch gemeint sein kann, nicht (nur) moralisch.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zu Aristoteles hat sich unter anderen auch Lessing geäussert (zwar nicht ganz zum Thema, aber... :redface:):


    "(..) Seine (Aristoteles) Furcht ist durchaus nicht die Furcht, welche uns das bevorstehende Übel eines anderen, für diesen anderen erweckt, sondern es ist die Furcht, welche aus unserer Ähnlichkeit mit der leidenden Person für uns selbst entspringt; es ist die Furcht, dass die Unglücksfälle, die wir über diese verhängt sehen, uns selbst treffen können. (...) Mit einem Worte: diese Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid. (...) Wenn Aristoteles diesen Begriff von dem Affekte des Mitleids hatte, dass er notwendig mit der Furcht für uns selbst verknüpft sein müsse: was war es nötig, der Furcht noch insbesondere zu erwähnen? Das Wort Mitleid schloss sie schon in sich, (...).
    (...)
    Er wollte uns zugleich lehren, welche Leidenschaften, durch die in der Tragödie erregten, in uns gereinigt werden sollten; und in dieser Absicht musste er der Furcht insbesondere gedenken. Denn obschon, nach ihm, der Affekt des Mitleids, weder in noch ausser dem Theater, ohne Furcht für uns selbst sein kann; ob sie schon ein notwendiges Ingredienz des Mitleids ist: so gilt dieses doch nicht auch umgekehrt, und das Mitleid für andere ist kein Ingredienz der Furcht für uns selbst. Sobald die Tragödie aus ist, höret unser Mitleid auf, und nichts bleibt von allen den empfundenen Regungen in uns zurück, als die wahrscheinliche Furcht, die uns das bemitleidete Übel für uns selbst schöpfen lassen.
    (...)"


    Solltest du dich für den ganzen Text interessieren, kann ich dir den bei Bedarf per E-Mail schicken.


    Gruss
    Melan

  • Hallo Melan und Sandhofer,


    danke für eure Antworten.
    Beide laufen ja auf ein mehr oder weniger moralfreies Ansinnen der Tragödie hinaus, wobei ich den Lessing-Text jetzt gerade nur überfliegen konnte.
    Schreib mir doch bitte einfach, woher der Lessing-Auszug stammt, ich habe die Aufbau-Ausgabe, vielleicht ist er darin?! Z.B. in der Hamburgischen Dramaturgie?
    Danke im Voraus.


    :winken: finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Eine "moralische Reinigung" ist wohl eher das Anliegen von Martin Walser als von Aristoteles ... :zwinker:

  • Hallo Finsbury


    Genau, in der Hamburgischen Dramaturgie ist dieser Text zu finden. Wo genau kann ich dir allerdings auch nicht sagen, da ich ihn aus einem anderen Buch entnommen habe, besitze die Hamburgische Dramaturgie selber nicht.


    :winken:

  • Zitat von "Melan"

    Hallo Finsbury


    Genau, in der Hamburgischen Dramaturgie ist dieser Text zu finden. Wo


    :winken:


    Vielen Dank, Melan,


    bei Gelegenheit werde ich schauen, wo es steht.


    @ Roquairol


    bei Walser muss es ja auch moralisch sein, in dieser Hinsicht ist er typisch deutsch. Auf welche Stelle beziehst du dich genau?




    Gruß finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)