Erich Fried - Futurum Exactum

  • Hallo liebe User,


    Zu meinem Anliegen: Im Literatur-Unterricht behandeln wir das Gedich "Futurum Exactum" von "Erich Fried". Nun sollen wir uns Gedanken zu diesem Gedicht machen, was wohl die Bedeutung Gedichtes und Ansporn des Dichters gewesen sei. Obwohl ich bis anhin bei Interpretationen ziemlich gut war, will mir zu diesem Thema trotzdem absolut nichts einfallen :-( Deshalb meine Bitte: Hat irgendjemand von Euch gute Ansätze zu diesem Gedicht? Vielen vielen Dank und Grüsse an alle


    Thomas


    BTW: Hier noch das Gedicht:


    Futurum exactum


    Die letzte Zeit
    die ich lernte
    als Kind
    war die Vorzukunft


    Ich weiß noch
    ich verstand nicht
    wieso hieß sie
    Zukunft


    Sogar die Vorvergangenheit
    klang nicht halb so
    vergangen


    Die Vorzukunft
    hörte sich immer passiv an
    auch die Tätigkeitsform
    wie eine Form des Erleidens


    Ich hatte Angst vor ihr
    denn ich konnte sie nicht verstehen
    Ich sagte sie mir vor
    um mich an sie zu gewöhnen


    Ich sagte laut
    ohne mich sicher zu fühlen
    Ich werde gelebt haben
    Ich werde gegangen sein.

  • Hoppla, und schon musst ich feststellen, dass ich die Frage ins Falsche Forum gepostet hab.. *schäm* Könnt das bitte nen Administrator verschieben? :)


    Besten Dank nochmals für die Anregungen und freundliche Grüsse
    Thomas

  • mein erster eindruck ist, daß dieses gedicht inhaltlich etwas mit der zeit zu tun haben könnte. Darauf könnte auch schon der titel, nämlich das futurum 2, eine in gewissen sprachen vorkommende zweite form des futurums, hinweisen. Auf yahoo.de findet man mit futurum zwei u.a. diese links:
    zur grammatik und hier


    2 artikel, deren wortwahl mit dem gedicht schnittmengen hat, und die vielleicht beim interpretieren hilfreich sein könnten:
    traumzeit und die nachzeit der vorzukunft
    futur II als symbolische form
    Es scheint, eine ziemlich umfangreiche und komplizierte materie zu sein. Hoffentlich ist dies keine falsche fährte :zwinker:

  • Der Ansatz von hafis50 ist sicherlich schon mal nicht verkehrt.
    Was mir daneben noch auffiel, ist die thematisierte Sprachreflexion. Das ich setzt sich mit 'seiner' Sprache auseinader.
    Das erinnerte mich ein wenig an Paul Celan, der sich in seinen Gedichten vielfach damit auseinander setzte, wie es ihm als Juden im Nachkriegsdeutschland noch möglich sein konnte, weiterhin in der Sprache der Täter zu sprechen. Sprich: Wie kann ich normale Sachverhalte in meinem Leben noch in der Sprache sprechen, die von denen, die mir und unzähligen Anderen, so viel Leid zugefügt haben, so mißbraucht wurde (man denke an die Verharmlosenden Begriffe der Nazis für unvorstellbare Greueltaten - z.B. Endlösung für die Ermordung von Millionen von Juden).
    Vielleicht schießt dies ein wenig über das Ziel hinaus, aber auch Fried hat eine ähnliche Biographie. Er floh als Jude aus dem besetzten Österreich und verhalf weiteren Juden zur Flucht. Eine Prägung in diese Richtung wäre somit möglich, ist aber vielleicht ein wenig weit gedacht, wenn auch die letzten Verse zumindest die Todesthematik aufgreifen.
    Jedenfalls würde ich mir den vom Ich geschilderten Umgang mit Sprache, die Irritationen, die sie auslöst, näher anschauen und das oben geschriebene zumindest vergleichend im Hinterkopf behalten.

  • ich habe den ausatz zur symbolik des futurum zwei überflogen. Diese symbolik könnte auch hier -ausgedrückt in den letzten beiden sätzen- gemeint sein. Nicht sicher bin ich mir, was mit vorzukunft (bzw. vorvergangenheit) gemeint ist, -ist sie dasselbe wie das futurum zwei?
    Auf die "vorzukunft" linkt der andere artikel.
    Mit scheint es um das unterschiedliche erleben von zeit bei kindern und erwachsenen zu gehen: vielleicht, daß der erwachsene im gegensatz zum kind die aussagen in den letzten beiden zeilen nicht denken kann?
    gruß hafis

  • Hallo zusammen,


    Besten Dank schoneinmal, dass Ihr mir auf die Sprünge helft! :)


    Also Futurum Exactum = Futur II = Vorvergangenheit -> Beispiel: Ich werde gelebt haben. Ich werde gegangen sein.


    Vielleicht spricht meint er ja auch, dass es für Kinder (oder gar manche Mensch..?) schwer zu verstehen ist wie man zum aktuellen Zeitpunkt schon so reden kann, als ob etwas in der Zukunft abgeschlossen sei?


    Beispiel: Ich werde meine Lehre abgeschlossen haben. Wie kann ich heute sagen, dass ich diese Lehre wirklich abschliesse? Welche Gründe treiben mich zu dieser Aussage? Optimismus? Glaube? Wo bleibt dabei der Zufall? Was kann alles in der Zeit passieren, die noch vor mir liegt, bis ich die Lehre wirklich abgeschlossen habe?


    Ziele ich langsam in die richtige Richtung, oder bin ich auf dem Holzweg? Was denkt ihr? Besten Dank nochmals für die Anregungen!


    Gruss
    Thomas

  • Zitat von "Thomas"


    Also Futurum Exactum = Futur II = Vorvergangenheit -> Beispiel: Ich werde gelebt haben. Ich werde gegangen sein.


    Ich meine natürlich VORZUKUNFT und nicht "Vorvergangenheit"..

  • Hallo zusammen,


    leider kann ich auch keine tiefschürfenden Interpretationen zu Erich Frieds Gedicht geben, zumal ich schon die Bezeichnung „Vorzukunft“ nicht verstehe. Fried verwendet sie wohl gleichbedeutend für Futur II. Ich kenne aber als deutsche Bezeichnung aus (beinahe hätte ich gesagt Vorschulzeiten) Grundschulzeiten nur den Begriff „Vollendete Zukunft“, wobei mir diese Bezeichnung (im Gegensatz zu „Vorzukunft“) auch einleuchtet, den „ich werde gelebt haben“ ist doch nicht vor der Zukunft sondern dann ist die Zukunft vorbei/vollendet.


    Kennt ihr (außer aus Frieds Gedicht) den Begriff „Vorzukunft“ oder habt ihn in der Schule verwendet?


    Hafis hat gepostet:
    Mit scheint es um das unterschiedliche erleben von zeit bei kindern und erwachsenen zu gehen: vielleicht, daß der erwachsene im gegensatz zum kind die aussagen in den letzten beiden zeilen nicht denken kann?


    Wenn, dann müsste es umgekehrt sein: ich als Erwachsener kann die Zeilen „ich werde gelebt haben, ich werde gegangen sein“ durchaus denken, ob das ein Kind auch kann und ab welchen Alter? Fragt doch mal (eure) Kinder und berichtet.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen!


    Hubert
    Ja, meine Grundschullehrer verwendeten den deutschen Begriff 'Vorzukunft', den gab es also durchaus.


    Und eine ketzerische Frage: Können Erwachsene den Satz »Ich werde gelebt haben« wirklich denken?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Hubert"

    Hafis hat gepostet:
    Mit scheint es um das unterschiedliche erleben von zeit bei kindern und erwachsenen zu gehen: vielleicht, daß der erwachsene im gegensatz zum kind die aussagen in den letzten beiden zeilen nicht denken kann?


    Wenn, dann müsste es umgekehrt sein: ich als Erwachsener kann die Zeilen „ich werde gelebt haben, ich werde gegangen sein“ durchaus denken


    natürlich war das so gemeint, die verneinung war ein flüchtigkeitsfehler.
    Ich glaube, die letzen beiden sätze sind im futurum II, der "vorzukunft" verfasst. Der futurum-aufsatz sieht den gebrauch des fut.II "als grammatik eines eschatologischen denkens, das alle gegenwart vom ende her denkt...Das futII symbolisiert ein katastrophisches zeitgefühl. Es ist antizipierender gedächtnisspeicher zur verarbeitung katastrophischer gefühle."
    Hierzu könnte man im text anknüpfen.
    Im grammatik-text: "Es wird immer im passiv gebildet und beschreibt das vollendetsein eines leidens in der zukunft". Siehe 4. strophe.


    Fraglich aber ist, ob dieses nur die "oberfläche" ankratzt:
    Obiger aufsatz: Damit das futII aber symbol wird, bedarf es einer zusatzbedingung. die form muß zur grundform des ganzen werden. Erst wenn ein gesamter text unter der form antizipierter nachträglichkeit verfaßt würde, gerinnt das futII zur symbolischen form." Als beispiele wurden ja die konjektural-biographie von j. paul und die science-fiction genannt. Nur sehe ich hier nicht, wie man das gedicht selber, seine sprache oder auch den autor selbst ähnlich jenen beispielen mit dem futII in verbindung bringen kann ,-anders zB wenn die letzte strophe im präsens verfaßt worden wäre oder wenn es einen zeitpfeil in die zukunft gäbe.


    Zitat

    Können erwachsene den satz 'ich werde gelebt haben" wirklich denken?


    Vor allem leute mit ruhmessucht, zB DICHTER (dante...)
    gruß hafis

  • vielleicht noch ein gedanke:
    Das gedicht könnte heute im präsens geschrieben sein. Könnte es nicht aber auch als teil einer konjektural-biographie wie derjeingen von jean paul gelesen werden? Teil einer heute antizipierten lebensbiographie, verfaßt aus der zukunft heraus? Andererseits sehe ich hierin keinen besonderen bedeutungszuwachs.

  • - das metzler lexikon sprache nennt vorzukunft als synonym für das futurum zwo.
    - ich kann meine letzte spekulation noch toppen:
    Dichter schreiben ja gelegentlich über sich selber bzw. über das dichten. Dann könnte das "ich" im gedicht nicht nur das -allgemeine- kind bzw. der erwachsene sein, sondern der junge und der reife dichter. Warum aber sollten die letzten beiden sätze des gedichtes nur vom reifen ausgesprochen werden können? Wenn man den gedanken an den eigenen ruhm unterstellt, ist das nicht plausibel. Was aber, wenn man die furcht, nicht mehr bewundert und vergessen zu werden, unterstellt: Ich werde gegangen sein, und mein ruhm wird verblichen sein. Dies hieße, diese furcht habe mit dem alter als dichter zugenommen. Oder zumindest die furcht aus der ungewißheit, es nicht zu wissen, ob der ruhm bestehen bleiben wird.
    Der kindler-beitrag spricht tatsächlich davon, daß er einen teil seienr gedichte als "zeitgedichte" sah, die so nicht überdauern würden.
    Aber eben nur eine spekulation!
    gruß hafis

  • Hallo Sandhofer,


    Du hast gepostet:
    Ja, meine Grundschullehrer verwendeten den deutschen Begriff 'Vorzukunft', den gab es also durchaus.


    Da ich den Begriff „Vorzukunft“ in der Schule nie gehört habe, sondern nur „Vollendete Zukunft“, habe ich mir heute Vormittag in einer Buchhandlung Grammatikbücher angesehen, vielleicht hat sich ja seit meiner Schulzeit die Bezeichnung geändert, - aber:


    Die Grammatik-Lernhilfe von Mentor für die 5. Klasse enthält in der aktuellen Ausgabe für Futur II: „Vollendete Zukunft“.


    Na, hab’ ich mir gedacht, vielleicht galt der Begriff „Vorzukunft“ vor meiner Schulzeit und habe gerade mit meiner Mutter telefoniert, ob ihr ein deutscher Begriff für Futur II bekannt sei: die Antwort: „Vollendete Zukunft“


    Also ein zeitliches Problem kann es nicht sein, vielleicht ist es ja ein räumliches?


    Erich Fried ist meines Wissens in Wien in die Schule gegangen. Frage: Hast Du, Sandhofer, in Österreich die Grundschule besucht?


    Gruß von Hubert und schönes Wochenende

  • Hallo Hubert


    Nun, wenn man mit dem Begriff Vorzukunft googelt, findet man tatsächlich - neben Deinen Beiträgen - vorwiegend österrreichische Seiten, die den Begriff verwenden. Mag sein, es ist eine österreichische Spezialität.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Das Futurum Exactum, die Vorzukunft, verbildlicht die Vergänglichkeit. Was habe ich versäumt, das nun unwiederbringbar verloren ist? Was habe ich getan, das ich nicht mehr rückgängig machen kann? Was möchte ich noch tun, zu dem ich keine Gelegenheit mehr habe?


    Erich Fried sinniert über die Zeiten. Als er selbst noch Kind war, sich selbst als Kind erlebte, als Kind lebte. In dieser Zeit schien die Gegenwart noch ewig zu weilen, und damals wurde er durch die Sprache das erste Mal mit dem Umstand der Endlichkeit konfrontiert.


    Für die Zukunft hatte er wohl immer etwas Positives, Konstruktives, Verheissungsvolles erwartet - eine Öffnung der Welt, Platz zur Selbstverwirklichung. Das ganze Leben vor Dir. Das war nicht nur Hoffnung, es war Sicherheit. Doch je gab es eine andere Seite der Zukunft, unbarmherzig prädeterminiert (vorbestimmt).


    Begrenzungen und Beschränkungen werden von frühester Kindheit an immer als leidvoll erlebt. Fried scheint eine Weile gebraucht zu haben, bis er den Umstand seiner Endlichkeit verarbeitet hatte. Immer wieder bildete er neue Sätze von vergangen-sein-Werdendem, um die Tragweite besser zu erfassen.


    Eines Tages ist alles, was ich am Leben so liebe, vorbei. "Ich werde gelebt haben. Ich werde gegangen sein."


    Das Futurum Exactum ist jedoch nicht nur grammatikalische Zeit, sondern bezeichnet auch das zugehörige philosophische Prinzip. Es wird ein Rückschluss getroffen. Nicht nur alles Gegenwärtige wird einmal gewesen sein. Alles Vergangene befindet sich auch festgeschrieben in alle Zukunft.


    Alles was ich getan habe, was ich in die Vergangenheit manifestiert habe, geht in alle Ewigkeit auch in meine Zukunft ein. Dieser Umstand der Konsequenz lehrt uns einerseits Verantwortung des Handelns im Sinne einer übergeordneten Moral, einer Ethik, andererseits macht er Hoffnung, weil damit das Vergangene auch nicht mehr vergänglich ist.


    Der bekannte Psychologe Viktor E. Frankl drückt es so aus: "Für gewöhnlich sieht der Mensch nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit; was er übersieht, sind die die vollen Scheunen der Vergangenheit. Im Vergangensein ist nämlich nichts unwiederbringlich verloren, vielmehr alles unverlierbar geborgen. Nichts läßt sich aus der Welt schaffen, was einmal geschehen ist; kommt nicht alles um so mehr darauf an, daß es in die Welt geschaffen wird?"

  • habe jetzt auch noch die beiträge der anderen überflogen.


    etwas weit hergeholt scheint mir das (zugegeben zeitgemässe) thema der judenverfolgung da hineinzuinterpretieren. es trifft zwar sicher zu, dass viele opfer sich mit ihrer vergänglichkeit auseinandergesetzt haben, aber im gedicht deutet eigentlich nichts auf diese thematik hin.


    fried schildert nur sein gefühl im umgang mit dem erlebens-bild, das ihm das futurum exactum vermittelt.


    thomas: die vorzukunft (österr f vollendete zukunft, futurum exactum, 'ich werde gegessen haben') ist NICHT das gleiche wie die vorvergangenheit (plusquamperfect, 'ich hatte gegessen')!!!


    dieses zweig des forums war übrigens auch der erste, in den ich geschaut habe.


    ihr dürft den text nicht nur so vordergründig lesen. es geht nicht darum, ob und wie kinder ganz allgemein zeit anders erleben können. die kindheit ist die ganz persönliche von fried. da hat er einerseits das futurum exactum kennengelernt, andererseits hatte er noch seine probleme dessen bedeutung voll zu erfassen. obwohls im gedicht nicht darum geht, fällt das zugegeben erwachsenen leichter, die schon einiges an vergangenheit erlebt haben, was ihnen wiederum hilft, die zukunft besser abzuschätzen. auch merkst du erst, wenn du schon älter bist, dass das leben ziemlich schnell vorbei ist. mit 25 hast du bereits ein viertel hinter dir, das hat garnicht so lange gedauert. mit 50 gerade mal noch die hälfte...


    fried ist übrigens ua ins 'wasagymnasium', einem humanistischen gymnasium im 9. wiener gemeindebezirk (alsergrund), gegangen. szenen der letzten dokumentation über den dichter sind dort aufgenommen worden. damals habe ich ihn dort getroffen, da ich selber in diese schule gegangen bin. komisches mandl: verbeulte hose, schmuddeliges t-shirt, altes fleckiges sakko... ich dachte zuerst, er gehört nicht dazu sondern steht nur so rum und sieht den dreharbeiten zu.


    aber seine gedichte sind toll. die darf man nur nicht zeile für zeile interpretieren, wie eine mathematische gleichung, sondern muss beim lesen das bild auf sich wirken lassen, um sie auch emotionell zu erfassen. dann hat man sie wirklich verstanden. (genauso wie mathematik oder musik oder autofahren oder eigentlich alles andere auch.)


    ich finde überhaupt, dass eine bildhafte sprache viel besser ist. zb hat deutsch ca 450000 wörter und englisch nur 200000. dafür bedient sich englisch wesentlich mehr idioms. das heisst ich vermittle mit ein paar worten das bild einer situation und habe schon das ganze umfeld mit hineinverpackt. daher auch der unterschwellige doppeldeutige britische humor. auf deutsch musst du hingegen mit vielen attributen alles ganz genau beschreiben, damit du rüberbringst, um was es geht. das ist zwar objektiver, lässt aber auch einen gewissen teil aussen vor.


    so, genug für jetzt :-)


    grüsse an alle zeitreisenden

  • Hallo Zeitreisender,


    vielen Dank für Deine Ausführungen, das war jetzt sehr interessant.


    Das Futurum Exactum, verbildlicht die Vergänglichkeit


    Das verstehe ich, im Gegensatz zum Futur I, das mir eine Zukunft verheißt (ich werde ....leben, lieben, glücklich sein), geht es beim Futur II, eigentlich nicht um Zukunft sondern mir wird klargemacht, einmal wird es vorbei sein (ich werde gelebt haben, geliebt haben, glücklich gewesen sein), also alles ist vergänglich.


    Was ich immer noch nicht verstehe, wieso wird in Österreich und der Schweiz (wie ich jetzt gelernt habe) diese vollendete Zukunft, Vorzukunft genannt, wie kommt man zu diesem Wort und widerspricht das Wort nicht seiner Bedeutung?


    Oder stehe ich jetzt auf dem Schlauch?


    Gruß von Hubert


    PS: Von Frankl habe ich auch schon einiges gelesen. Auf der Suche nach Sinn kommt man ja an ihm und seiner Logotherapie nicht vorbei.

  • halllo hubert!


    mein beitrag zum futurm exactum spiegelt auch nur meine privat-meinung wider. sicherlich lässt das thema noch einige andere interpretationen zu.


    habe vor kurzem im österreichischen kultur-radio 'ö1' einen beitrag über die zeit gehört, in dem diese (rück)projektion der vergangenheit in die zukunft (und umgekehrt) thema war.


    im moment bastle ich noch an einer ai, aber wenn diese fertig ist und mir als werkzeug dienen kann, dann habe ich mir vorgenommen, das thema zeit für mich ein wenig zu durchleuchten. :-)


    wie es zum ausdruck 'vorzukunft' kommt, darfst du mich nicht fragen. ich bin kein germanist. ist halt einfach ein terminus, der vielleicht das konstrukt nicht so gut ausdrückt. ich weiss nicht, ob mir 'vollendete zukunft' so gut gefällt. das wirkt auf mich, als würde etwas beschrieben, das einmal zukünftig war, aber nun auch schon vergangen und vollendet ist. 'zukünftige vergangenheit' wäre eigentlich richtiger, aber durch das wort 'vergangenheit' dabei würde man fälschlich damit automatisch assoziieren, dass es ebenso schon vorbei wäre, wie bei den anderen vergangenheitsformen. 'futur II' scheint internationaler. zumindest kennt sich jetzt jeder aus, was jeweils gemeint ist.


    jaja, der sinn in einem 'relativen' und autarken system... wir leben in einer wirklichkeit, die nur aus den diversen bezügen von verschiedenen bedeutungen zueinander besteht. wenn also alles nur dadurch definiert ist, dass es durch anderes beschrieben wird, wo bitte ist da soetwas wie ein fixer wert? etwas 'absolutes', unumstössliches, auf das sich zumindest einige der bedeutungen unserer umwelt (und wir selbst uns) beziehen können? 'hohler raum in hohle zeit geblasen', wie james joyce meint. kein raum, keine zeit, ganz allgemein keine grössen... (womit wir wieder beim hinduismus /buddhismus und diversen anderen religiösen und philosophischen strömungen wären.) die endlichkeit ist ein begriff der relativität und wird erst dadurch geschaffen, dass ich das ganze beobachte. genaugenommen liegt also der einzige fixpunkt in mir. so tief, dass ich ihn nicht erkennen kann, sonst wäre es ja wieder nur eine beobachtbare bedeutung (auf die man bezug nehmen könnte) und damit wieder relativ. :-)


    die logotherapie versucht unter anderem eine fatalistische lebenshaltung zu entkräften. denn kern solch eines fatalismus ist ja eigentlich eine positive einstellung (ich liebe das leben, ich will so gerne...). nur der frust des scheinbaren nicht-könnens schafft diese verleugnende schale der haltung 'es ist ohnehin alles sinnlos'.


    unsere konsum-gesellschaft lebt in einer narzisstischen epoche der äusseren formen und virtuellen werte. eigentlich gibt es nur ein paar reelle (und reale) werte, der ganze rest, wie status und andere künstliche vorstellungen haben einfach keinen effektiven gehalt. obwohl diese lebenseinstellung für uns ganz selbstverständlich ist, schlägt sie sich unbewusst unweigerlich auf unser gemüt nieder.


    was uns sinn-suchenden fehlt, ist, die kurve zu kratzen und zu sagen: das ist meine welt, von der ich bestimmte vorstellungen habe. ich unterwerfe mich nicht dem system, um darin wie viele generationen vor mir in der vergangenheit zu verschwinden, weil ich keinen grösseren beitrag geleistet habe, als mich selbst zu erhalten. ich mache das, wovon ich von klein auf überzeugt war. ich sehe das leben als projekt, meine welt konstruktiv zu gestalten. diese haltung eröffnet plötzlich erwartungen, perspektiven und möglichkeiten, die hoffnung auf etwas 'neues und anderes' abseits von werbe-klischees.


    grüsse

  • Christian Morgenstern


    Unter Zeiten


    Das Perfekt und das Imperfekt
    tranken Sekt.
    Sie stießen aufs Futurum an
    (was man wohl gelten lassen kann).


    Plusquamper und Exaktfutur
    blinzten nur.