Klassische Literatur und Erotik

  • Liebe Leserinnen und Leser,


    ist eigentlich die klassische Literatur für euch ausschliesslich ein Refugium, um sich von des Lebens Zumutungen, inklusive der Last und Lust der fleischlichen Begierde, zu erholen? Oder ist sie verflochten mit diesem Bereich, ja, weckt sie vielleicht, wie bei Emma Bovary, die Lust auf das Leben, die Lust auf die Liebe, die Lust auf das/den Andere(n).


    Mir ist aufgefallen, wie keusch dieses Forum eigentlich ist. Dabei geht es doch bei Proust ("Cattleya machen"), Tolstoi (Anna und Wronski), Tschechow ("Dame mit dem Hündchen"), Goethe (Römische Elegien) uswusf. öfters mal um - verzeiht - das Vögeln.


    Ist das vielleicht sehr deutsch - beide Bereiche so zu trennen. Oder ist das Lesen eben halt der Rückzug von der Kampfzone. Ich wäre interessiert, mehr zu hören.


    Was mich betrifft (um in Vorleistung zu gehen):


    - Ich habe mich in meiner Jugend hemmungslos in Anna Karenin verliebt


    - Emma Bovary kann ich sehr gut verstehen, auch wenn sie mir unsympathisch ist


    - Teil meiner Aufklärung waren die Angelique-Romane im Regal meines Elternhauses - insofern habe ich definitiv eine erotische Beziehung zu Büchern... :zwinkre:



    Wie ist das mit euch.


    Christian

    "Man träumt viel vom Paradies, oder vielmehr von verschiedenen, wechselnden Paradiesen, die doch alle verloren sind, bevor man stirbt, und in denen man sich selbst verloren fühlen würde." ("A la recherche du temps perdu")


  • Liebe Leserinnen und Leser,


    ist eigentlich die klassische Literatur für euch ausschliesslich ein Refugium, um sich von des Lebens Zumutungen, inklusive der Last und Lust der fleischlichen Begierde, zu erholen?


    Ach, davon muss man sich erholen? :breitgrins:


    Nein, das wäre auch Unsinn. Wenn ich meine Literaturauswahl danach orientieren wollte, nur ja keinen Schweinigeleien zu begegnen, sähe es böse aus. Kein Goethe, kein Wieland, kein Henry Fielding, kein Diderot, kein Voltaire... sähe ganz schön öd aus, die Landschaft.


    Die Gefahr, Heldinnen meiner Literatur zu verfallen, ist inzwischen allerdings auch vernachlässigbar geworden. Die Damenriege in meiner Altersklasse von fiftysomething ist ja meistens nicht sehr stark erotisch konnotiert. Allerdings, und das fällt mir auf, nehme ich erotische Anspielungen und Codierungen sehr viel besser wahr als früher, auch ohne gerade danach zu suchen. Ich vermute allerdings, dass das nicht auf diese Motive beschränkt ist.

  • Literatur ist das Leben und im Leben spielt auch Erotik und Sex eine wichtige Rolle und somit auch in der Literatur. Ich würde nie auf die Idee kommen das zu trennen, ist doch die Liebe oft, ja fast immer, ein zentrales Thema in Romanen. Und zur Liebe gehört eben auch die Erotik. Hermann Hesse, zum Beispiel, weckt in mir immer die Lust auf das Leben und insbesondere die Lust auf Liebe und dazu gehört auch die körperliche Liebe. Alles ist eins. ;)

  • Andererseits ... ich lese gerade Genazinos Abschaffel-Trilogie. Wozu die ständigen Sex-Szenen? Interessiert es mich als Leser wirklich, ob eine der vielen Geliebten Abschaffels es nun am liebsten a tergo hat oder nicht?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Das stimmt natürlich auch wieder. Es sollte nicht überhand nehmen und eben nur soviel beschrieben werden, wie es der Handlung bzw. der Erzählung dienlich ist. Porno-Literatur finde ich auch unnötig. Genauso wie zu explizit beschriebene Sex-Szenen, das braucht es nun wiederum auch nicht. Aber Sex sollte kein Tabu sein. Ich kann da wieder nur auf Hesse verweisen, er versteht es Sex in einer sehr schönen und auch für die Erzählung wertvollen Weise darzustellen. Hesse ist eben ein wahrer Meister. :smile:

  • Hi,


    Werden denn Romane von Leuten geschrieben, in deren Leben oder Phantasie Sexualität nicht vorkommt, für Menschen, denen es genauso geht...? :breitgrins:


    Grüße


    Christian

    "Man träumt viel vom Paradies, oder vielmehr von verschiedenen, wechselnden Paradiesen, die doch alle verloren sind, bevor man stirbt, und in denen man sich selbst verloren fühlen würde." ("A la recherche du temps perdu")