Mai 2011: Ovid - Amores

  • Salve conlectores!


    Um besser in den Stoff der „Amores“ zu kommen, habe ich mit dem umfangreichen Nachwort begonnen. Dort fand ich sehr viel Erhellendes, einiges Bekanntes und eine Überraschung. Hatte ich Ovis bislang immer als heimlichen Gegner der augusteischen Politik und Gesellschaft gesehen, so wurde ich hier belehrt, dass dies keineswegs der Fall war. Vielmehr sei der Poet aufgrund seiner privilegierten Stellung durchaus einverstanden gewesen mit seinem Dasein und seiner Umgebung (zumindest bis zur Verbannung), wenn auch auf eine distanzierte Art und Weise. Kritik am System kommt deshalb nur sehr unterschwellig vor – und am ehesten noch in den „Metamorphosen“, wie wir in unserer Leserunde bemerkt haben.


    Nun aber zu den „Amores“. Das berühmte Kapitel über den Diebstahl des sechsten Versfußes durch Amor kenne ich seit meiner Lateinzeit in der Schule. Ich wusste nicht, dass unser Lehrer damals auf Ovid Bezug nahm, um uns unwissenden jungen Menschen die Unterschiede zwischen epischem und elegischem Versmaß zu verdeutlichen. Vielleicht habe ich es aber auch nur verdrängt …


    Die mir vorliegende Prosaübersetzung liest sich leicht und flüssig – eine Wohltat gegenüber der '“Metamorphosen“-Übersetzung im nachempfundenen antiken Versmass. Der bisher angeschlagene Ton der „Amores“ erinnert ein wenig an Properz, den ich vor wenigen Jahren auszugsweise gelesen habe. Zwar wird im Nachwort betont, Ovid sei weitaus schnörkelloser und direkter in seiner Sprache als der berühmte Vorläufer. Ich kann die behaupteten Unterschiede bislang allerdings kaum greifen, was sich mit fortschreitender Lektüre vielleicht ändert.


    Soviel für heute.


    LG


    Tom

  • Salvete amici!


    Es ist (noch) der dritte Mai. Ich bin zur Stelle.



    Der bisher angeschlagene Ton der „Amores“ erinnert ein wenig an Properz, den ich vor wenigen Jahren auszugsweise gelesen habe. Zwar wird im Nachwort betont, Ovid sei weitaus schnörkelloser und direkter in seiner Sprache als der berühmte Vorläufer. Ich kann die behaupteten Unterschiede bislang allerdings kaum greifen, was sich mit fortschreitender Lektüre vielleicht ändert.


    Leider fehlt mir dieses Vorwissen über Ovids Vorgänger oder zeitgenössische Vorbilder in puncto Liebeselegie und so wird seine Eigenleistung und Originalität für mich nicht ganz leicht einzuschätzen sein.


    Zitat von Autor: Sir Thomas« am: Gestern um 10:21 »


    Um besser in den Stoff der „Amores“ zu kommen, habe ich mit dem umfangreichen Nachwort begonnen. Dort fand ich sehr viel Erhellendes, einiges Bekanntes und eine Überraschung. Hatte ich Ovis bislang immer als heimlichen Gegner der augusteischen Politik und Gesellschaft gesehen, so wurde ich hier belehrt, dass dies keineswegs der Fall war. Vielmehr sei der Poet aufgrund seiner privilegierten Stellung durchaus einverstanden gewesen mit seinem Dasein und seiner Umgebung (zumindest bis zur Verbannung), wenn auch auf eine distanzierte Art und Weise. Kritik am System kommt deshalb nur sehr unterschwellig vor – und am ehesten noch in den „Metamorphosen“, wie wir in unserer Leserunde bemerkt haben.


    Carmen et error nennt Ovid als Gründe für seine Verbannung. Bis heute rätselt man darüber, was für ein Missverständnis das gewesen sein soll und über welches seiner Werke der Kaiser not amused war.
    Ich tendiere allmählich zu der Annahme, dass nicht so sehr die philosophische Quintessenz seiner Metamorphosen (alles fließt, nichts hat Bestand) den Ausschlag gegeben hat, sondern eher seine erotisch freizügigen Darstellungen und frivolen Lebenshilfebüchlein. Hier hat er die Grenzen der augusteischen Duldsamkeit ausgelotet und gegen den rigiden machterhaltenden Moralismus verloren.


    Mit den Amores macht er den Anfang…

  • Hallo,


    falls man das in diesem römischen Lesezirkel sagen darf (Mein Latinum entstand in sieben Wochen und liegt mehr als 25 Jahre zurück).
    Bisher habe ich mich erst mit dem Kindler-Artikel beschäftigt und die Einleitung des ersten Buches gelesen. Da ich eine Ausgabe habe, die dem Versmaß verpflichtet ist und außerdem auf einer älteren Übersetzung beruht, ist das Ganze ein wenig gewöhnungsbedürftig.
    Aber vorher habe ich mich noch über den Kindler-Artikel geärgert (die Ausgabe von 1974, vielleicht ist der Artikel inzwischen überarbeitet), in dem europäisch-chauvinistisch der elegante urbane Ovid mit seiner psychologisch motivierten Liebeskunst dem indischen Kamasutra implizit als überlegen gegenübergestellt wird, da dieses sich ja nur dem technischen Aspekt der Liebe widme. Ich habe nun das Kamasatutra nicht gelesen, aber dieser leicht koloniale Ton der Überlegenheit, der aus der Intention eines Werkes gleich seine Qualität ableitet, hat mich doch sehr geärgert.
    Amüsiert hat mich dagegen Ovids Lokalpatriotismus, mit dem er den jungen Männern rät, nur ja nicht in die Ferne zu schweifen, sondern direkt in Rom die mehr oder weniger reifen Früchte vom Baum zu pflücken ....


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • ... Mein Latinum entstand in sieben Wochen ...


    Was es alles gibt! Aber nach nur 25 Jahren wirst du doch wohl trotzdem noch etwas "auf der Pfanne" haben ... :belehr:



    Da ich eine Ausgabe habe, die dem Versmaß verpflichtet ist und außerdem auf einer älteren Übersetzung beruht, ist das Ganze ein wenig gewöhnungsbedürftig.


    Die Beibehaltung des Versmaßes in der Übersetzung muss kein Mangel sein; die Ilias-Übersetzung von Schadewaldt (rhythmisierte Verse) fand ich bspw. sehr gelungen. Natürlich ist das weniger leicht verdaulich und anstrengender. Aber wir sind hier nicht zum Vergnügen, oder? :breitgrins:



    ... seine erotisch freizügigen Darstellungen ...


    ... gefallen mir bislang ausgesprochen gut. Das von finsbury erwähnte Kamasutra kenne ich auch nicht. Es soll aber dem Vernehmen nach eine sehr lebenspraktische Anleitung sein - und das ist dann wohl doch ein großer Unterschied zu den feinen Versen des römischen Patriziers.


    Ich hoffe, heute noch ein wenig weiterzukommen.


    LG


    Tom

  • Conlectores Ovidi Nasonis saluto!


    Schon das seinem ersten Buch vorangestelllte neckische Epigramm, in dem er die libelli Nasonis (die Büchelchen Nasos) selbst zu Wort kommen und für das Gesamtwerk Propaganda machen lässt, nimmt mich wieder für Ovid ein!
    Dann Amors Raub des zwölften Versfußes, wodurch Naso zur Liebeselegie „verpflichtet“ wird. Köstlich!
    Beziehungsreich und ironisch beginnt das Werk mit dem selben Wort wie das von Augustus so hochgeschätzte Nationalepos, die Äneis, mit Arma (Waffen, Krieg) !
    Aber nachdem der Pfeil Amors Naso getroffen hat (der Inhalt folgt der Form), endet die erste Elegie:
    Ich stehe in Flammen und Amor herrscht …
    Fahret hin ihr eisernen Kriege mitsamt euren Rhythmen!

    Ist das nicht ein antikes Make love, not war?


    In der zweiten Elegie wird wie auf einem pompejanischen Wandfries Amors Triumphzug entrollt, wunderschön wie wir das von Ovid kennen: Amor myrtenumkränzt auf einem von Venus-Tauben gezogenen Wagen inmitten herabregnender Rosenblüten … Tja, und in seinem Gefolge nicht nur der gefesselte Naso als einer der Besiegten, sondern

    Mitgeführt werden auch, die Hände auf dem Rücken gebunden, der gesunde Menschenverstand, die Sittsamkeit und was sonst sich dem Heer Amors entgegenstellt. …
    Ja, da hör ich förmlich Phädra aus den Heroides: Kein Liebender kümmert sich um das, was sich ziemt. und Erich Frieds in Hochzeitsanzeigen gern und vielzitiertes: ..Es ist Unsinn sagt die Vernunft- Es ist was es ist, sagt die Liebe.
    Ovid fährt fort:
    Schmeichelreden werden dein Gefolge bilden, Verblendung und Raserei, eine Schar die beständig deinem Banner folgt.
    Liebes-Verblendung und Raserei haben wir schon in den Heroides kennengelernt. Auch hier erwartet uns also keine Idealisierung der Liebe, auch wenn der Liebende Naso heißt!


    Für Schmeichelreden gibt er in der dritten Elegie gleich ein Beispiel, in ironischer Widersprüchlichkeit: Er gelobt Treue, preist seine untadeligen Sitten, die schlichte Einfalt und purpurne Schamhaftigkeit (purpureusque Pudor) an. Gerade diese führt Cupido aber, ausgeschaltet und besiegt, als allegorische Gestalten in in seinem Triumphzug mit! Und die drei von Zeus verführten Damen (Io, Leda, Europa), deren Ruhm er seiner Angebeteten verspricht, sind als Beispiel scheinbar schlecht gewählt, da sie durchweg betrogen und unglücklich werden … Und überhaupt sein Wunsch:
    Schenke dich mir als fruchtbaren Stoff für meine Lieder
    Kann das eine Frau überzeugen, wenn sie nicht um ihrer selbst Willen, sondern als Objekt der Kunst begehrt wird? Man stelle sich vor, Dante würde das zu seiner Beatrice sagen…


    Ich glaube, über Ovids Amores haben sich seine Zeitgenossen köstlich amüsiert.

  • Au weia,


    mir ist eine ganz dämliche Verwechslung passiert, weshalb ich mich aus eurer Runde abmelden muss. Ich lese die "Ars amatoria", nicht die Amores :redface:! Das ist mir erst aufgefallen, als ich Gontscharows Beitrag über das vorangestellte Epigramm gelesen habe. Sorry, die "Amores" besitze ich überhaupt nicht! Euch noch viel Spaß und solltet ihr die "Ars amatoria" lesen, kann ich vielleicht was dazu beitragen.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • ... mir ist eine ganz dämliche Verwechslung passiert ... Ich lese die "Ars amatoria", nicht die Amores :redface:!


    Und ich wunderte mich schon über:



    Amüsiert hat mich dagegen Ovids Lokalpatriotismus, mit dem er den jungen Männern rät, nur ja nicht in die Ferne zu schweifen, sondern direkt in Rom die mehr oder weniger reifen Früchte vom Baum zu pflücken ....


    Daran konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern, weshalb ich annahm, dass Du recht weit fortgeschritten bist und ich irgendwann einmal auf diese Stelle stoßen werde. Dass Du ein anderes Buch liest war mir nicht klar. Schade, dass Du "raus" bist.


    Mein Lesefortschritt ist augenblicklich stark gehemmt (genau genommen findet er nicht statt :redface:). Aber wir wollen schließlich nicht hetzen, gell?


    LG


    Tom

  • Salve Gontscharow,


    wir kämpfen mal wieder allein mit den Tücken der Antike ...


    Ich mache mal eben Schiller zu meinem Verbündeten: Das Schöne darf und muss regelmäßig sein, aber es muss regelfrei erscheinen. Dieses Zitat aus seiner Ästhetik scheint mir eine gute Annäherung an die (ins Deutsche übersetzte) Sprache der Amores zu sein. Alles, was Ovid schreibt, klingt sehr einfach und selbstverständlich (Schiller nennt es regelmäßig). Kein Satz, nicht einmal ein einziges Wort, ist überflüssig. Jedes Wort fügt sich zu einem klar verständlichen und dennoch schönen Satz, jeder Satz nimmt wie selbstverständlich seine Position innerhalb des Gedichts ein. Noch einmal Schiller: An jeder großen Komposition ist es nötig, dass sich das Einzelne einschränke, um das Ganze zum Effekt kommen zu lassen.


    Was so einfach und schön klingt wie ein ovidscher Vers (Schiller: regelmäßig und scheinbar regelfrei), das beruht immer auf harter Arbeit. Nun verstehe ich endlich Flaubert, der sich bekanntlich mit dem Schreiben geplagt hat wie kaum ein anderer. Die Ergebnisse sind bekannt: Weltliteratur. Wie sehr Ovid mit sich gerungen hat, ist mir nicht bekannt. Entweder er war ein Genie oder ein versessenes Arbeitstier wie Flaubert.


    Noch einmal Schiller zum Schluss: Die Schönheit der poetischen Darstellung ist freie Selbstbehandlung der Natur in den Fesseln der Sprache.


    LG


    Tom

  • Zitat von Autor: Sir Thomas« am: 12. Mai 2011

    Was so einfach und schön klingt wie ein ovidscher Vers … das beruht immer auf harter Arbeit. Wie sehr Ovid mit sich gerungen hat, ist mir nicht bekannt. Entweder er war ein Genie oder ein versessenes Arbeitstier ….


    Oder beides. Genie ist zu 1% Inspiration und zu 99% Transpiration, heißt es. :zwinker:
    Wie auch immer, Ovids Poesie verbindet Genauigkeit der Aussage mit einer eleganten Leichtigkeit des Ausdrucks, die ihresgleichen sucht. Ich bin bis jetzt auf keine selbstreferentielle Aussage gestoßen, die Auskunft darüber gäbe, wie er das hinbekommt. Wohl aber berichtet in unserer Ausgabe der Übersetzer, wieviel Mühe es kostet, die scheinbare Mühelosigkeit des Originals nachzuvollziehen. Er schließt mit den Worten: Der vorliegende Versuch ist dazu bestimmt, laut vorgelesen zu werden; möge er die Hörer möglichst selten an die Mühen des Übersetzers erinnern.


    Mombour hat vor kurzem im ch.-thread ein Buch vorgestellt, das von einem skurrilen, in Ovid vernarrten und sich an seinen Versen die Zähne ausbeißenden Altphilologen handelt, der irgendwann ausruft:


    Zitat von Cees Noteboom

    Nie wird es wieder eine Sprache wie Latein geben, nie mehr werden Präzision und Schönheit des Ausdrucks eine solche Einheit bilden.


    Ein Stoßseufzer, der mir während der Lektüre von Ovids elegischen Distichen auch hätte entfahren können. :zwinker:
    Ein Beispiel: In Amores I,10 gibt Ovid den Leda-Mythos in einem Halbsatz wieder:


    …quam plumis abditus albis/ callidus in falsa lusit adulter ave …
    …die der schlaue Ehebrecher in weißem Flaum versteckt als falscher Vogel narrte…


    Diese Informationsdichte auf engstem Raum: das Haptische, die hingetupfte Farbe, Zeus’ Betrug, die Andeutung der Folgen, das alles ist zu anderthalb wohlklingenden Versen verwoben!
    Die Übersetzung kommt dem sehr nahe , obwohl natürlich bestimmte Eigenheiten der lateinischen Sprache, dieses Auskommen ohne hölzerne Strukturwörter, Artikel und Partikel z. B. und die Möglichkeit der flexiblen Wortstellung – das Wort versteckt (abditus) ist ja wirklich im weißen Flaum versteckt (plumis abditus albis) - im Deutschen kaum nachvollziehbar sind…


    So,das war’s erstmal für heute. Demnächst mehr. Wie du vielleicht gemerkt hast, habe ich die Amores bereits durch.
    Wie weit bist du? - Sprache, Form und Ausdruck sind das eine. Wie steht es mit den Inhalten? Mit dem doch z.T. schonungslosen Realismus der Darstellung und Themen wie Impotenz, Abtreibung, Prostitution, Promiskuität etc? Wie kommst du mit dem Amoralismus des Liebenden (den Handgreiflichkeiten gegenüber der Geliebten, der Erpressung und Nötigung ihrer Friseuse u.ä..) zurecht?


    Fragen über Fragen - ich bin gespannt! :winken:


  • Fragen über Fragen


    Der Reihe nach:



    Wie weit bist du?


    Teil I habe ich beendet.



    Wie steht es mit den Inhalten? Mit dem doch z.T. schonungslosen Realismus der Darstellung und Themen wie Impotenz, Abtreibung, Prostitution, Promiskuität etc? Wie kommst du mit dem Amoralismus des Liebenden (den Handgreiflichkeiten gegenüber der Geliebten, der Erpressung und Nötigung ihrer Friseuse u.ä..) zurecht?


    Die von Dir genannten Themen kann ich nur zum Teil aus dem bisher Gelesenen nachvollziehen. An die erwähnten "Handgreiflichkeiten" erinnere ich mich gut. Für mich standen allerdings Reue und "verdiente" Strafe im Vordergrund dieser Verse. Übrigens: Das Vollziehen einer "Strafe" kann ja durchaus Teil eines sexuellen Spiels sein - und so habe ich diese Geschichte verstanden.


    Amoralität liegt zweifelsohne in den Worten der zynischen Kupplerin, zum Teil auch in den Versen des Liebhabers, der einen Türsteher überreden will, ihn zu seiner mit einem anderen Mann verheirateten Geliebten vordringen zu lassen. Ich kann nicht beurteilen, ob das zu Ovids Zeiten "starker Tabak" oder "normale" Promiskuität war.


    Insgesamt finde ich, dass Ovids Liebespaare meistens verständnisvoll, fast schon einfühlsam miteinander umgehen. Der Spott des Dichters zielt nicht auf die geliebten Frauen, sondern auf die hintergangenen (Ehe)Männer. Das ist frech - und vielleicht auch amoralisch. Etwas Anderes habe ich aus den Elegien des Propertius in Erinnerung. Dort wird der dichtende Liebhaber regelmässig von seiner Geliebten Cynthia verspottet, manchmal sogar gedemütigt (ich müsste das bei Gelegenheit noch einmal nachlesen).


    "Schonungsloser Realismus" nennst Du den Tenor der Gedichte. Dem stimme ich zu. Keine Kalamität wird ausgespart - und im Gegensatz zu Dir kann ich mich auf zwei weitere Teile freuen ... :zwinker:


    Soviel für den Augenblick.


    LG


    Tom

  • Zitat von Sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Der Reihe nach:


    Hach, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, es hat dir die Sprache verschlagen.


    Zitat von sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Insgesamt finde ich, dass Ovids Liebespaare meistens verständnisvoll, fast schon einfühlsam miteinander umgehen.


    Ja, das finde ich auch. Nasos Umgang mit den Damen ist (meist) liebevoll und zartfühlend, das Prinzip der Freiwilligkeit, Einvernehmlichkeit und Gegenseitigkeit ist ihm wichtig, aber nicht als Gebot der Moral, sondern der Erotik. Es würde ihm sonst keinen Spaß machen. Ich glaube, Frauen mögen das.


    Zitat von sir Thomas am: Gestern um 19:29

    An die erwähnten "Handgreiflichkeiten" erinnere ich mich gut. Für mich standen allerdings Reue und "verdiente" Strafe im Vordergrund dieser Verse. Übrigens: Das Vollziehen einer "Strafe" kann ja durchaus Teil eines sexuellen Spiels sein - und so habe ich diese Geschichte verstanden.


    Nein, das hier ist - meine ich - kein einvernehmliches sadistisch- masochistisches Liebesspiel, sondern schlicht und einfach eine emotionale Entgleisung (die übrigens in II noch mal vorkommt), der dann die obligaten Krokodilstränen der Reue und Zerknirschung folgen, die hier zum Glück mit leisem Spott bedacht werden.


    Zitat von Sir Thomas am: Gestern um 19:29

    Ich kann nicht beurteilen, ob das zu Ovids Zeiten "starker Tabak" ... war.


    Das ist das Problem … Was man aber sagen kann: Ovid scheut nicht davor zurück, sich unter seinem Namen (Kunstfigur hin oder her) als menschlichen, allzu menschlichen Liebhaber bis hin zur Lächerlichkeit darzustellen. Das finde ich nicht nur witzig, sondern auch mutig.


    Ich warte nun ein bisschen ab, bis du etwas "aufgeholt" hast. :zwinker:

  • Hallo Gontscharow,


    ich bin auch durch.


    Ein knappes Fazit:
    Die Lektüre war ein Genuss bezüglich der Sprache, Metaphern etc. (ich habe davon an anderer Stelle genug geschwärmt). Inhaltlich war ich mehrfach sehr überrascht, denn die vor 2.000 Jahren entworfenen Bilder der Liebe und des liebenden Mannes finde ich moderner und „fortschrittlicher“ als manchen modernen Entwurf der Literatur des 20. Jahrhunderts. Nichts ist verklemmt und spießig oder moralisch aufgeladen. Im Gegenteil: Die Liebe bei Ovid ist (mal erfrischend, dann wieder erschreckend) frei von moralischen Bedenken und Skrupeln gegenüber etwaigen Ehemännern oder Nebenbuhlern. Sie ist jedoch immer eine verehrende, die Anmut und Schönheit der Frau anbetende Liebe, die einen (nicht allzu hartnäckigen) Widerstand der Geliebten überwinden muss, um ihrer würdig zu sein.


    Diese Art der Liebe endet nicht, wenn sie unerfüllt bleibt. Im Gegenteil: Das Scheitern ist fast schon ein notwendiger (und einkalkulierter) Bestandteil und dient letztlich der Aufrechterhaltung von Verehrung und Begierde.


    Die Liebe erobert nicht um jeden Preis, sondern achtet die Würde und die Freiheit der Geliebten. Zwang ist ihr fremd. Die Liebe ist ein Dienst an der Frau. „Jeder, der liebt, ist Soldat.“ (1,9) Und genau wie jeder Soldat, muss der Liebende mit Verwundung, Niederlage und Tod leben.


    Die Liebe gelingt eher selten; sie ist – so scheint mir das bittere Fazit der „Amores“ zu lauten - in vielen Fällen nahezu unerfüllbar (so unerfüllbar wie die Liebe der Frauen in Ovids „Heroides“). Zu groß sind die Hindernisse, zu stark mancher Widerstand, der überwunden werden muss; zu stark sind aber auch die persönlichen „Defizite“ des Liebhabers, der im Bett versagt oder einfach nicht an den Wachen, die vor der Tür der Geliebten Posten bezogen haben, vorbeikommt. Diese grundsätzliche Nichterfüllbarkeit der Liebeswünsche (die wohl zum Kern der römischen Elegie gehört) hinterlässt bei mir, trotz vieler Schmunzler, einen bittersüßen Nachgeschmack.


    Eigentlich sollte diese Gedichtsammlung zur Pflichtlektüre von Romanschriftstellern und Drehbuchautoren gemacht werden. Vielleicht kämen dann inspiriertere Bücher und Filme auf den Markt.


    Viele Grüße


    Tom