Übersetzerin Swetlana Geier verstorben

  • Hallo zusammen,


    gerade im Netz die Nachricht entdeckt, dass Swetlana Geier am 07.11.10 verstorben ist.
    Eine schöne Würdigung kommt von Monika Schoeller, die Verlegerin des S. Fischer Verlags, ..."Sie war viel mehr als eine Übersetzerin. Die Literatur hatte nie eine leidenschaftlichere Vertraute als Swetlana Geier. Sie hat Brücken gebaut, die uns für immer tragen werden.“



    http://www.boersenblatt.net/403352/



    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Das ist schade. Ich habe gerade vor ein paar Wochen ihre Übersetzung von Dostojewskis Verbrechen und Strafe gelesen und war ganz angetan. (Ich kenne allerdings keine der vorherigen Übersetzungen, kann also keine Textvergleiche anstellen.) Hat jemand den Film "Die Frau mit den 5 Elefanten" gesehen, also den Dokumentarfilm über Swetlana Geier, der im vergangenen Jahr in den Kinos lief? Ich habe ihn leider verpasst...

  • Den Film gibt es mittlerweile auf DVD:


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    Und im Dezember läuft er im Fernsehen bei 3sat, laut 3sat-"Kulturzeit" am 19.12.


  • Hallo Maria,


    ich habe ihre gelobten Dostojewski-Übersetzungen nicht gelesen und kann mir folglich kein Urteil bilden. Was mich an den Nachrufen stört ist die Tatsache, dass Übersetzer heutzutage gefeiert werden wie Literaturschaffende. Muss man sie wirklich so wichtig machen? Der gute J.H. Voß, unser klassischer "Starübersetzer", dreht sich soeben in seinem Grab herum ...


    Es grüßt


    Tom

  • Ja, ich hab die Todesnachricht auch gelesen.


    Ich kenne ihre Übersetzung von Verbrechen und Strafe und auch eine vorige Übersetzung (Schuld und Sühne). Die Übersetzung von Swetlana Geier wurde meiner Meinung nach zu Recht gelobt, denn andere Aspekte wurden eher herausgearbeitet und auch stilmäßig war es natürlich moderner. Ob ihre Übersetzung nun tatsächlich näher am Original liegt, kann ich nicht beurteilen, da muss man sich auf diejenigen verlassen, die beide Sprachen sprechen.


  • Was mich an den Nachrufen stört ist die Tatsache, dass Übersetzer heutzutage gefeiert werden wie Literaturschaffende. Muss man sie wirklich so wichtig machen?


    O ja, ich finde schon. Mit einer guten bzw. schlechten Übersetzung steht und fällt das ganze (übersetzte) Werk. Mir ist schon so manches Buch verleidet worden, weil der Übersetzer offenbar unfähig war, keine Lust oder keine Zeit hatte oder der deutschen Sprache nicht mächtig war. Und wenn Übersetzer gleichzeitig Literaturschaffende sind - umso besser! Ich glaube nämlich nicht, dass fürs Übersetzen der einfache Blick ins Wörterbuch genügt. Da müssen Phrasen, Wendungen und außergewöhnliche Wörter, die eins zu eins ins Deutsche zu übersetzen unter Umständen gar keinen Sinn ergibt, angemessen und sinngemäß übetrtragen werden, auch wenn's nicht immer hundertprozentig passt.


    Da ist mir ein Übersetzer, der ausgefeilt formulieren und sich ausdrücken kann und vielleicht auch selbst Literatur verfasst, allemal lieber als jemand, der den Text mal eben durch die Google-Übersetzungsmaschine jagt. Und wenn ich z.B. an Schlegel/Tieck oder in neuerer Zeit an Harry Rowohlt, Ulrich Blumenbach, Dirk van Gunsteren oder Marcus Ingendaay denke, bin ich der Meinung, dass Übersetzer gar nicht genug gefeiert werden können.


  • Übersetzer werden schon schlecht genug bezahlt.


    Mir kommen die Tränen ...


    Erst gestern war ich mit einer Italienisch-Dolmetscherin unterwegs. Sie hat mir unverlangt ihr Honorar genannt - und ich habe nicht schlecht gestaunt.


    Möglicherweise werden Literaturübersetzungen nicht so gut bezahlt, auch mag es Unterschiede von Verlag zu Verlag geben. Aber das Gerede von generell geringen Honoraren halte ich für ein modernes Märchen.


    LG


    Tom


  • Es handelt sich hierbei leider nicht um ein Märchen... Ich habe einen Aufbaustudiengang für literarische Übersetzung absolviert, da bekommt man schnell mit, für wie wenig Geld man da arbeiten soll. Nur die "alten Hasen", die schon lange im Geschäft sind und von denen die Verlage wissen, daß sie gute Arbeit bekommen, können dann bessere Bezahlung verlangen. Als Neueinsteiger hat man kaum eine Chance und ist oft gezwungen, in Windeseile für einen Hungerlohn zu arbeiten, weil "Übersetzer" kein geschützter Beruf ist und jeder, der meint, Englisch zu können, seine Dienste auf diesem Gebiet anbieten kann. Die Verlage greifen gerne zu, wenn sie Geld sparen können; dann leidet halt auch mal die Qualität... Deshalb habe ich mich dann gegen die Ausübung dieses Berufs entschieden. Obwohl es schon Spaß machen würde.


    Wenn man allerdings von technischen Übersetzern, Dolmetschern o.ä. spricht, sieht es dann schon ganz anders aus. Da sind die Honorare oft ganz gut. Das wäre dann aber Äpfel mit Birnen vergleichen.


    Viele Grüße
    thopas


  • Nur die "alten Hasen", die schon lange im Geschäft sind und von denen die Verlage wissen, daß sie gute Arbeit bekommen, können dann bessere Bezahlung verlangen. Als Neueinsteiger hat man kaum eine Chance und ist oft gezwungen, in Windeseile für einen Hungerlohn zu arbeiten ...


    Hallo thopas,


    in welchem freiberuflichen Metier werden Einsteiger gut bezahlt? Mir ist keines bekannt. Auch für literarische Übersetzungen gilt mMn. das Prinzip: Qualität muss sich erst erweisen - und wird dann (bei Folgeaufträgen) entsprechend höher honoriert. Du würdest doch bestimmt auch nicht für unnötig viel Geld die berühmte Katze im Sack kaufen, oder?


    Viele Grüße


    Tom

  • Mir kommen die Tränen ...


    Erst gestern war ich mit einer Italienisch-Dolmetscherin unterwegs. Sie hat mir unverlangt ihr Honorar genannt - und ich habe nicht schlecht gestaunt.


    Dann nenn doch mal eine Zahl. Swetlana Geier gehörte ja zu den "Star-Übersetzern". Hat sie deshalb 100T Jahresgehalt realisieren können? Ich glaube kaum.


    Gruß, Thomas


  • Daß man bei seinem ersten Auftrag vielleicht noch nicht so viel verdient, weil man sich erst beweisen muß, ist ja noch in Ordnung. Da aber der Markt an Übersetzern gerade im Bereich Englisch > Deutsch ziemlich überlaufen ist, können die Verlage die Übersetzer leicht unter Druck setzen, und tun das des öfteren auch. Da kann man sich dann aussuchen, ob man weiterhin für das niedrige Honorar (oder gar für ein noch schlechteres) arbeiten möchte, oder dann einfach von jemand anderem ersetzt wird, der bereit ist, für weniger zu arbeiten. Nur wenn man gute Beziehungen in dieser Branche hat, oder zufällig an einen Nicht-Ausbeute-Verlag gerät, hat man Glück.


    Das klingt jetzt alles sehr negativ, und bestimmt gibt es auch Verlage, die zu schätzen wissen, was ein Übersetzer leistet; aber leider gibt es auch viele Gruselgeschichten, die man von Übersetzern zu hören bekommt...


    Als Übersetzer wird man übrigens nach "Norm-Seite" bezahlt; also eine nach ganz bestimmten Kriterien auf Word eingerichtete Seite, sodaß die Zeichenzahl einigermaßen einheitlich ist. Ich weiß nicht genau, wieviel man heutzutage pro Normseite bekommt, aber ich kann ja mal schauen, ob ich in meinen (10 Jahre alten) Uni-Unterlagen da noch was finde. Wenn man jetzt bedenkt, daß ein Übersetzer, der einen eher anspruchsvollen Roman übersetzt, mit ca. 1-2 Seiten pro Tag rechnet, dann kommt da allerdings nicht so viel raus.


    Viele Grüße
    thopas

  • Dann nenn doch mal eine Zahl.


    100 € pro Stunde - wobei An- und Abfahrt zur Arbeitszeit zählen - zzgl. MWSt.
    Wäre ich der Auftraggeber gewesen, hätte ich verhandelt bzw. eine Alternative gesucht.



    Freiberufliche Programmierer, Web-Designer etc. werden nicht so schlecht bezahlt. 1000 EUR Tagessatz können da schon welche realisieren.


    Hm, vielleicht in München, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg - und dann auch eher nicht für Einsteiger. Es mag sein, dass manche das fordern, aber bekommen sie es auch? Meine Erfahrung ist eine andere, nämlich dass derart hohe Einstiegs"honorare" im Programmierbereich schlichtweg auf Lügen zu beruhen.



    Wenn man jetzt bedenkt, daß ein Übersetzer, der einen eher anspruchsvollen Roman übersetzt, mit ca. 1-2 Seiten pro Tag rechnet, dann kommt da allerdings nicht so viel raus.


    Das ist eine recht geringe Arbeitsleistung. Meinst Du nicht, als Profi könne man mehr schaffen?


    LG


    Tom

  • Ulrich Blumenbach hat für seine Übersetzung von David Foster Wallaces "Unendlicher Spaß", an der er sechs (!) Jahre gearbeitet hat, 52.000,- Euro erhalten, aber üppig finde ich das nicht gerade. Natürlich ist davon auszugehen, dass er nicht 8 Stunden am Tag ausschließlich dieses Buch übersetzt hat und nebenher bestimmt auch noch andere (Übersetzer-)Jobs oder Geldquellen hatte.

  • Hm, vielleicht in München, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg - und dann auch eher nicht für Einsteiger. Es mag sein, dass manche das fordern, aber bekommen sie es auch? Meine Erfahrung ist eine andere, nämlich dass derart hohe Einstiegs"honorare" im Programmierbereich schlichtweg auf Lügen zu beruhen.


    Nicht für Einsteiger. Man muss schon etwas können. Aber sollte ein Star-Übersetzer wie Geier nicht ebenso viel wert sein? Verdient hat sie sicher deutlich weniger. Der von Dir genannte Stundensatz ist aber ordentlich. Aber ich dachte, man wird nach Norm-Seiten bezahlt.


    Gruß, Thomas


  • Ulrich Blumenbach hat für seine Übersetzung von David Foster Wallaces "Unendlicher Spaß", an der er sechs (!) Jahre gearbeitet hat, 52.000,- Euro erhalten. Natürlich ist davon auszugehen, dass er nicht 8 Stunden am Tag dieses Buch übersetzt hat und nebenher bestimmt auch noch andere (Übersetzer-)Jobs oder Geldquellen hatte, denn üppig finde ich das nicht gerade ...


    Das Buch hat nun 1500 Seiten auf Deutsch. Das heißt für jede Seite hat er gerade mal 35 EUR brutto verdient. Braucht er für eine Seite nur 30 Minuten. Wohl deutlich mehr, denke ich. Selbst wenn man eine Stunde ansetzt, verdient mein Auto-Mechaniker mehr. Also ich denke, man sollte dann doch lieber Anwalt werden ... (muss sich ja auch intensiv mit sprachlich-logischen Konstrukten auseinander setzen).


  • Ulrich Blumenbach hat für seine Übersetzung von David Foster Wallaces "Unendlicher Spaß", an der er sechs (!) Jahre gearbeitet hat, 52.000,- Euro erhalten, aber üppig finde ich das nicht gerade. Natürlich ist davon auszugehen, dass er nicht 8 Stunden am Tag ausschließlich dieses Buch übersetzt hat und nebenher bestimmt auch noch andere (Übersetzer-)Jobs oder Geldquellen hatte.


    In einem Interview bekannte Blumenbach, dass er in der Zeit von einer kleinen Erbschaft lebte, die aufgebraucht war, als er "Unendlicher Spaß" fertigstellte. Allerdings ist er ab dem ersten Buch am Erfolg beteiligt. Wie hoch die Beteiligung ist, hat er nicht geoffenbart, sehr hoch sicherlich nicht.



    und ja, ich finde die Würdigung für Swetlana Geiers Übersetzungsarbeit gerechtfertigt und nicht zu hoch angesetzt.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)