November 2009: Eugène Sue - Die Geheimnisse von Paris

  • Gontscharow


    Ich verstehe die Erläuterung finsburys nicht unbedingt als einen Bezug auf den inhalt des Romans, sondern auf seine Bedeutung und seine Stellung in einer Nation, deren Revolution(en) eine breite Öffentlichkeit und die Pressefreiheit hervor gebracht hat.
    Inhaltlich stimme ich dir zu.

  • Hallo Lost und Gontscharow,


    in der Tat entspricht Losts Verständnis dem, was ich sagen wollte.
    Gontscharow, du kanns wohl nicht davon ausgehen, dass viele Franzosen die "Geheimnisse" von A bis Z gelesen haben. Dennoch wird er in ihren Literaturgeschichten, die sie ja im Rahmen ihrer auf Anhäufung von Wissen ausgerichteten Schulbildung auch eifrig studieren müssen (jeweils war das zu meiner Zeit noch so) als Autor erwähnt, der erheblichen Einfluss auf das soziale Gewissen der Nation genommen hat. Wie Sue selbst zur 89er Revolution stand, mögen dabei die wenigsten berücksichtigen.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Ich werde jetzt wohl zuerst ein oder zwei meiner andern angefangenen Bücher zu Ende lesen (beide rund 1'000 Seiten gross), und mich dann voll und ganz auf Sue konzentrieren. ...


    Bei mir hat sich eine andere Strategie ergeben: Sue ist eine angenehme Lektüre zur zweiten Tasse Tee am Vormittag. Somit bin ich wohl etwa beim Tempo der ersten Leser angelangt und habe noch lange an der Lektüre (wenn auch nicht gerade 8 Jahre...). Aber die ganzen Wiederholungen und Erinnerungen nerven so auch nicht, im Gegenteil, oft gibt es eine Art "Ach ja, stimmt, das hatte ich ja vergessen"-Effekt.

  • Ich habe gestern den ersten Teil der Verfilmung von Balzacs Leben gesehen (mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle). Da tritt auch Sue in einer Nebenrolle auf. Er kommt da ziemlich unsympatisch und stutzerhaft rüber.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • Ich habe gestern den ersten Teil der Verfilmung von Balzacs Leben gesehen (mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle). Da tritt auch Sue in einer Nebenrolle auf. Er kommt da ziemlich unsympatisch und stutzerhaft rüber.


    Vielleicht hat man sich von Rudolf inspirieren lassen.


    Wie ist sonst dein Eindruck, was den Film betrifft?


  • Wie ist sonst dein Eindruck, was den Film betrifft?


    Ein Film mit Depardieu lohnt sich eigentlich immer. :smile: Und soweit ich das beurteilen kann, sind die biographischen Zusammenhänge im Leben Balzacs korrekt dargestellt.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • So, heute habe ich den Sue wieder aufgenommen und bin jetzt mit dem zweiten Teil (französischer Zählung) fertig. Nach dem Gespräch zwischen Pfarrer und Mme Georges bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass unsere Fleur-de-Marie im Kloster enden wird. ... Aber das Kapitelchen davor war wirklich eine süsse und nicht übel gelungene Idylle ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ne - normalerweise (und sogar bei Karl May!) sind die Bösewichter die wirklich interessanten Charaktere. So ist schon Dantes Inferno um Längen besser als sein Paradiso. Aber die hier sind einfach nur blöd. :grmpf: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Ne - normalerweise (und sogar bei Karl May!) sind die Bösewichter die wirklich interessanten Charaktere. So ist schon Dantes Inferno um Längen besser als sein Paradiso. Aber die hier sind einfach nur blöd. :grmpf: :breitgrins:


    Eule und Schulmeister sind doch ein ganz nettes Pärchen, und wie die miteinander umgehen, finde ich nicht an den Haaren herbeigezogen.


  • Eule und Schulmeister sind doch ein ganz nettes Pärchen, und wie die miteinander umgehen, finde ich nicht an den Haaren herbeigezogen.


    Du hast Recht, die Kombination beider ist ganz gelungen, aber mit so starker moralischer Zeigefingerpaste ausgeführt: Besonders das Schicksal des Schulmeisters rollt einem schon die Zehennägel auf! Außerdem ist die hässliche alte Frau als Hehlerin und Kupplerin ein ziemlich abgenutzter Topos.


    Besonders seitdem ich Tolstois "Auferstehung", sicherlich nicht sein bester Roman, gelesen habe, der viele ähnliche Motive und auch einen stark sozialkritischen Ansatz hat, ist mir klar, wie weit die Spielklassen auseinanderliegen, in denen die beiden Romane anzusiedeln sind.


    finsbuy
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe mir fest vorgenommen, jeden Abend mindestens ein Kapitel und Samstag/Sonntag mindestens 50 Seiten zu lesen. Quer zu lesen. Denn noch immer nimmt mich Wunder, ob die viel gerühmten Passagen übers Proletariat und seine Lebensbedingungen wirklich kommen. Und ob sie zu Recht viel gerühmt sind. Ich gebe zu, ich tue Sue Unrecht. Ich messe ihn an Victor Hugos Les Misérables. Auch ein Buch voll absurder Zufälle. Aber was für Charaktere, im Vergleich zu den papiernen Helden von Sue! Und was für Abschweifungen ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • S. 440 (=IV.3 französischer Zählung). Nach der langweiligen Mme Harcourt kommen wieder interessantere Figuren zum Vorschein. Vor allem das Conciergen-Pärchen ist allerliebst. Sind wohl wirklich Sues beste Figuren. Obwohl auch Rigolette nicht übel geraten ist. Der beinahe unschuldig verhaftete Proletarier - bei Karl May wird er dann wirklich verhaftet. (Hat dann allerdings keine Familie. Wie überhaupt Mays Figuren irgendwie asexueller geraten sind. Bei Sue kann sich der als Proletarier verkleidete Rodolphe ja nicht verkneifen, Rigolette auf den Nacken zu küssen. Auch missglückte Hochzeitsnächte erspart uns der Franzose nicht.)

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  • Rigolette hat im späteren Verlauf aber auch einige Szenen von Gartenlauben-Niveau, in denen das fleißige Mädchen über dem sauberen Schürzchen ihr wohlfrisiertes Köpfchen neigt und dazu mit ihren Kanarienvögeln um die Wette tiriliert ... .
    Die Hausmeister bleiben dagegen immer authentisch und ironisch gebrochen, deshalb sind sie wohl i.d.T. die gelungensten Figuren.


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Das Ding ist zäh wie Schuhleder, die Personen ziemlich zweidimensional, der Hintergrund wirkt wie eine gemalte Kulisse ... Von Geheimnissen und/oder von Paris merke ich wenig ...


    Nicht gut genug, um mit Freude weiterzulesen, nicht schlecht genug, um es guten Gewissens in die Ecke zu pfeffern ... :rollen:

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  • So, aus die Maus. Ich habe heute von S. 550 bis S. 750 quergelesen. Es wird nicht besser. Dann noch die letzten beiden Kapitel gelesen - und nicht das Gefühl gehabt, auf den 500 Seiten dazwischen Nennenswertes verpasst zu haben. Gepflegte Langeweile - mehr finde ich da nicht ... :rollen:

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