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  • Hallo!



    Was ich nicht verstehe: Weshalb legen bei Twitter Menschen ihre Identität offen und erzählen dann absolut persönliche Dinge, welche jeder Nachbar nachlesen könnte.


    Ich glaube, dass sowohl Leser als auch Bekenner dieser Nachrichten aus einer Ecke kommen: Wer seinen eingewachsenen Zehennagel der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten will, interessiert sich auch für den Pickel am Hintern der Frau Pschistranek von Stiege 4. Und es ist die Ausweitung der Auftrittsmöglichkeiten für den gemeinen Staatsbürger, der früher bei den wenigen TV-Veranstaltungen auf die Gnade des Regisseurs angewiesen war, um in die Kamera winken zu können.


    Wohl aber auch ein Generationenspezifikum: Es erscheint heute unverständlich, dass man noch vor einem Vierteljahrhundert Demonstrationen gegen die Volkszählung veranstaltet - aus Angst, der Staat könne über das Privatleben seines Bürgers zu viel erfahren. Ein solch prüdes Verhalten kann einem Menschen, der neben seinem Konterfei Schuhgröße und Krankenakte ins Netz stellt, nur schwer erklären. Von Großaufnahmen des Geschlechtsapparats einmal ganz zu schweigen. Und hier nun der Brückenschlag zur hohen Literatur, den Frau Roche vollzog, indem sie auf die möglichen Kalamitäten einer Intimrasur hinwies.


    Grüße


    s.


  • Moin, Moin!


    <a href="http://twitter.com/leanderwattig">Leander Wattig</a> berichtet <a href="http://snipurl.com/c4iti">im Buchreport</a> über Social Media Marketing von Verlagen.


    Auch Moin, Moin!


    Macht schon einen gewissen Sinn, aber da finde ich - ohne jetzt angeben zu müssen bei diesem Vergleich :breitgrins: - meine Kurzgeschichten und Artikel als Social Media Marketing Blog schon besser als diese phantasielosen Einzeiler.


  • Ich glaube, dass sowohl Leser als auch Bekenner dieser Nachrichten aus einer Ecke kommen: Wer seinen eingewachsenen Zehennagel der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten will, interessiert sich auch für den Pickel am Hintern der Frau Pschistranek von Stiege 4. Und es ist die Ausweitung der Auftrittsmöglichkeiten für den gemeinen Staatsbürger, der früher bei den wenigen TV-Veranstaltungen auf die Gnade des Regisseurs angewiesen war, um in die Kamera winken zu können.


    Wohl aber auch ein Generationenspezifikum: Es erscheint heute unverständlich, dass man noch vor einem Vierteljahrhundert Demonstrationen gegen die Volkszählung veranstaltet - aus Angst, der Staat könne über das Privatleben seines Bürgers zu viel erfahren. Ein solch prüdes Verhalten kann einem Menschen, der neben seinem Konterfei Schuhgröße und Krankenakte ins Netz stellt, nur schwer erklären. Von Großaufnahmen des Geschlechtsapparats einmal ganz zu schweigen. Und hier nun der Brückenschlag zur hohen Literatur, den Frau Roche vollzog, indem sie auf die möglichen Kalamitäten einer Intimrasur hinwies.


    Hixhallo!


    Also wenn die Twitter-Kommentare so komisch sind wie Deiner hier, wäre es tatsächlich eine Überlegung wert. :breitgrins:

  • Zitat

    Zitat von Sir Thomas
    Das ist eine moderne Form der Eselei. Vornehmer ausgedrückt: Es fehlt Medienkompetenz. :breitgrins:


    Halli Hallo!


    Ich lese hin und wieder im Blog eines Politikers aus unserer Region. Als er aber neulich über seine Grippe jammerte, fragte ich mich, ob ihm dies ev. politisch schaden könnte, lesen doch seine Wähler auch seinen Blog. gg


  • Huhu Giesbert!


    Und dann kommen noch diejenigen Prozent dazu, welche Fotos und Daten von Verwandten, Freunden und Feinden ohne Rückfrage ins Netz setzen.


    Was mich auch stört: Offenbar sind nicht mal die Bank- und Arztdaten wirklich sicher, waren sie doch teilweise für eine gewisse Zeit über Internet frei zugänglich, zwar versehentlich, aber trotzdem ...


  • <a href="http://twitter.com/leanderwattig">Leander Wattig</a> berichtet <a href="http://snipurl.com/c4iti">im Buchreport</a> über Social Media Marketing von Verlagen.



    Macht schon einen gewissen Sinn


    Nö, eher nicht. Was soll das Twittern etc. bringen? Sympathie? Ein modernes Image? Ich kaufe Bücher nicht, weil bspw. Suhrkamp ein toller oder cooler Verlag ist, sondern weil dort gute Autoren verlegt werden. Die Herren Wattig & Co. verdienen offensichtlich ihr Geld damit, Verlagen das Gegenteil einzureden. Welch ein Blödsinn! Wie hilf- und orientierungslos sind unsere Verlag eigentlich?


    Schöne Grüße


    Tom


  • Wohl aber auch ein Generationenspezifikum: Es erscheint heute unverständlich, dass man noch vor einem Vierteljahrhundert Demonstrationen gegen die Volkszählung veranstaltet - aus Angst, der Staat könne über das Privatleben seines Bürgers zu viel erfahren.


    Damals waren solche Datensammlungen auch etwas neues und unbekanntes. Heute ist man daran gewöhnt. StudiVZ z.B. ist mittlerweile Standard. Nahezu alle machen das. Ist nach dem, was ich gehört habe, sicher auch bequem um Kontakte zu pflegen, also Networking zu betreiben. Die schlaueren Schafe wissen zumindest schon, dass Personalchefs sich über Bewerber im Internet erkundigen, insbesondere bei StudiVZ und anderen Social Networks.


    Auch bei payback-Karten denken die meisten an Belohnung für Stammkunden und nicht an's Datensammeln.


    Der Staat hat das damals wahrscheinlich auch schlecht verkauft, bzw. "falsch kommuniziert".


  • Damals waren solche Datensammlungen auch etwas neues und unbekanntes. Heute ist man daran gewöhnt. StudiVZ z.B. ist mittlerweile Standard. Nahezu alle machen das. Ist nach dem, was ich gehört habe, sicher auch bequem um Kontakte zu pflegen, also Networking zu betreiben. Die schlaueren Schafe wissen zumindest schon, dass Personalchefs sich über Bewerber im Internet erkundigen, insbesondere bei StudiVZ und anderen Social Networks.


    Das halte ich für einen wichtigen Punkt, weil Manipulation natürlich in beiden Richtungen möglich ist.


    Das von xenophanes erwähnte "Beschränken" bezüglich Twitter kann, wenn es sich nicht um die erwähnten Allerweltsneuigkeiten handelt, durchaus positive Auswirkungen zeitigen: Kommentare zum Forschungsprojekt einer deutschen Universität durften von den Beteiligten nur "twitterbeschränkt" abgegeben werden. Und dieser Zwang hatte den von allen hochgeschätzten Nebeneffekt, dass für Selbstdarstellung und Redundanz kein Platz war und die Arbeit sehr viel effektiver als normal verlief. Das aber dürfte doch die Ausnahme von der Regel sein.


    Grüße


    s.


  • Moin, Moin!


    Nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Jobbewerbungen via Twitter laufen. :zwinker:


    Das kenne ich schon von einigen als Website. Da stellen sie ihre ganze berufliche Laufbahn rein und schicken den Link an potenzielle Arbeitgeber, ersetzt wohl die Bewerbungsmappe. :breitgrins:

  • Abgesehen davon, dass Arno Schmidt mit "Das steinerne Herz" schon dicht an diese Twitterei ranschrammte, frage ich mich: Was ist das Besondere und was ist das Charakteristische an so einem Roman, abgesehen von der willkürlichen Begrenzung von 147 Zeichen pro Kapitel oder Lieferung.
    Kann sein, dass auch James Ellroy schon einen krimi in dieser Art verfasst hat. Werde nachsehen.


    Marcel Reich-Ranicki könne dem nicht unbedingt abgeneigt sein. Er will ja auch bei den großen Romanen der Weltliteratur häufig einen merklichen Teil der Texte streichen.


  • Ist es nicht so, dass die Gliederung in diese kurzen "Gedankenbilder", wenigstens formal, ähnlich ist?


    Was soll das denn heißen: "formal ähnlich"? Nur weil Schmidt mitunter kurze Sätze schreibt? Schon allein, dass Twitter reinen Text bringt, ohne Auszeichnungen, Fettungen, Einrückungen oder Kursivierungen lässt den Vergleich doch ein wenig seltsam erscheinen. Nehmen wir doch mal die ersten Absätze:


    Zitat

    In unserem Wassertropfen: Ein metallisch blauer Kegel kam mir entgegen; im Visierei 2 stumpfe Augenkerne.


    Dann ein strohgelber: unter der trüben Plasmahaut schied man breite Zellen, Fangarme hingen; oben hatte es einen Wimpernkopf abgeschnürt, Romanoffskyfarbton; und zog naß tickend an mir vorbei. Volkswagen rädertierten. Nah hinten auf dem Platz trieb auch die Schirmqualle. (Genug nu!).


    So hantierten wir im Stickstoff mit anaëroben Gebärden (eben machte Einer aus Armen ein schönes langes Beteuerungszeichen), wir, am Grunde unseres Luftteiches, und die Bäume schwankten wasserpflanzen. Mein linker Schuh betrachtete mich kühl aus seinen Lochreihen.


    Das erinnert so auf Anhieb vielleicht an den Expressionismus. Aber bestimmt nicht an Twitter. Also mich jedenfalls nicht.


    Zu den formalen Zeichen von Twitter gehören ja auch Dinge wie "@fritz", "RT @fritzchen", Links und Hashtags. Das ist ein vernetztes Stimmengewirr – und das trifft auf Schmidts Prosa nun nicht unbedingt zu ;-)


    Btw - ich halte auch die "Twitter-Romane" nicht für Twitter-spezifisch, das sind einfach 140-Zeichen-Sätze, die in die Welt gepustet werden. Das geht mit Twitter. Das geht auch mit Facebook. Das geht mit SMS, mit Blogs, mit Mails. Das ist gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner digitaler Kommunikation und erlaubt es imho nicht, diesen Texten das Etikett "Twitter" anzupappen. Anders gesagt: Die angeblichen Twitter-Romane teilen das genus proximum, aber es fehlt die differentia specifica, die daraus erst etwas Twitter-typisches machen würde.


  • Was soll das denn heißen: "formal ähnlich"? Nur weil Schmidt mitunter kurze Sätze schreibt? Schon allein, dass Twitter reinen Text bringt, ohne Auszeichnungen, Fettungen, Einrückungen oder Kursivierungen lässt den Vergleich doch ein wenig seltsam erscheinen.


    Kurze Sätze konnten schon vor Schmidt andere. Mir geht es um die eigenständigen kurzen Gedanken und Bilder, die Schmidt aneinanderreiht, die quasi eigene Kapitel bilden.



    Das erinnert so auf Anhieb vielleicht an den Expressionismus. Aber bestimmt nicht an Twitter. Also mich jedenfalls nicht.


    Es ist ja auch, wenigstens für mich, umgekehrt.



    Zu den formalen Zeichen von Twitter gehören ja auch Dinge wie "@fritz", "RT @fritzchen", Links und Hashtags. Das ist ein vernetztes Stimmengewirr – und das trifft auf Schmidts Prosa nun nicht unbedingt zu ;-)


    Schön=gut, da haben wir ja etwas Charakteristisches.



    Btw - ich halte auch die "Twitter-Romane" nicht für Twitter-spezifisch, das sind einfach 140-Zeichen-Sätze, die in die Welt gepustet werden. Das geht mit Twitter. Das geht auch mit Facebook. Das geht mit SMS, mit Blogs, mit Mails. Das ist gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner digitaler Kommunikation und erlaubt es imho nicht, diesen Texten das Etikett "Twitter" anzupappen. Anders gesagt: Die angeblichen Twitter-Romane teilen das genus proximum, aber es fehlt die differentia specifica, die daraus erst etwas Twitter-typisches machen würde.


    Nun -,- Twitter steht ja eher im Zusammenhang Twitterroman ein Synonym für das, was du als Werkzeuge aufzählst, und ein Rätsel ist mir: Was hat der Twitterroman Neues, was es nicht schon gab.


  • Nun -,- Twitter steht ja eher im Zusammenhang Twitterroman ein Synonym für das, was du als Werkzeuge aufzählst, und ein Rätsel ist mir: Was hat der Twitterroman Neues, was es nicht schon gab.


    Eben. Deshalb sind die angelbichen Twitterromane auch keine, sondern einfach nur normale Texte, deren kurze Bausteine satzweis getwittert werden. (Ah, da schreib ich doch gleich mal ein Blogposting zu ;-))

  • "The French Revolution" ist ein, von der Form her, konventioneller Roman, veröffentlicht via twitter. Nahezu jede Nachricht endet mit ... mitten im Satz, der dann in der nächsten Nachricht wieder aufgenommen wird.


    Dem Vergleich mit Briefromanen halten wohl auch "Handy"romane nicht stand. Auch nicht, wenn sich die Beschränkung der Nachrichtenlänge auf die Form auswirkt.


    Aber die Nachrichten der Gesprächspartner müssen nicht zu lesen sein, braucht also keine zwei Twitter-Nutzer, es genügt doch, wenn die weiteren Kommunikationspartner angenommen werden. Hölderlins Hyperion besteht, bis auf eine Ausnahme, auch nur aus den Briefen eines Absenders.