Neue amerikanische Literatur verlängert die Pubertät

  • Hallo zusammen,


    so lautet der Untertitel in der NZZ:


    Woody Allens Enkel


    am Ende bleibt die Tatsache, der Leser muß sich gut orientieren und für sich die passende Literatur herausfinden.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Nun ja - ob nun Pessl oder Zoë Jenny: Dass die jungen Schriftsteller ihre pubertären Probleme thematisieren und dafür vom Feuilleton auch noch in den Himmel gelobt werden, ist ja an und für sich nichts Neues. Das war schon bei Gertrud Leutenegger so ... Überleben wird solche Schreibe selten, selten werden solche Autoren auch noch wirklich Gewichtiges nachschieben. Nicht jeder ist ein Goethe, der seinen Werther mit seinen Gedichten und seiner Faust-Dilogie vergessen machen kann ...


    Neu ist allenfalls, dass im Moment eine Welle US-amerikanischer Pubertierender in den deutschsprachigen Raum schwappt ... Aber das ist wie beim Surfen im Meer: Wenn du nicht auf der Welle reiten kannst oder willst: Luft anhalten, abtauchen und warten, bis dich die Wogen wieder nach oben spülen ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,
    hallo zusammen,


    und wer möchte schon dauernd über pubertäre Probleme lesen ;-)
    vielleicht ist das auch die Antwort auf die "Altersprobleme" diverser Schriftsteller.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo Maria und alle,

    und wer möchte schon dauernd über pubertäre Probleme lesen ;-)
    vielleicht ist das auch die Antwort auf die "Altersprobleme" diverser Schriftsteller.


    eben: Über die letzteren möchte man auch nicht ständig lesen.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Dieser Artikel ist wieder typisch für Teile der deutschsprachigen Literaturkritik, allein die Aufzählung der genannten Autoren: Updike, Roth, McCormack etc., wobei wichtige Namen fehlen, müßte uns angesichts der Erzeugnisse deutscher Sprache die Scham ins Gesicht treiben, stattdessen vergleicht die Rezensentin, die diesen Namen kaum verdient, die langweiligen, bemühten Versuche von Ingo Schulze mit der messerscharfen, kristallinen Prosa eines Raymond Carver.
    Eine tatsächlich mit pubertärem Talent ausgestattete, von den Medien in die Welt gesetzte Autorin wie Zoe Jenny kann man nicht mit Jonathan Safran Foer vergleichen, dessen Bücher Leuchtfeuer in dunkler Nacht sind. Foer ist ein Ausnahmeschriftsteller, einer der weinigen, die einem Jahrhundert zugebilligt werden. Sein erstes brennendes Buch schrieb er mit kaum zwanzig Jahren. Seine beiden Romane sind, was ihre Titel sagen, durch und durch erleuchtet, extrem laut und ungeheuer nah. Ich bemitleide alle, die seine Bücher nicht kennen.
    Man lege eine Tonne deutschen Gegenwartsschriftmüll auf eine Waagschale, dann eine Seite von Foer auf die andere Waagschale, und schon wirbeln die ganzen deutschen Blätter in der Luft herum.
    Die Leserin

  • Auch wenn ich die deutsche Gegenwartsliteratur nicht so in Bausch und Bogen verurteilen möchte: Was Foer betrifft, gebe ich dir recht.


    Ich kenne bisher nur "Extremely Loud ..." ("Everything is Illuminated" steht aber schon bereit) und es war wirklich eines der wenigen Bücher der letzten Zeit, die mich so beeindruckt haben, dass ich noch eine ganze Weile daran 'arbeiten' musste. Die Art, wie Foer in dem Artikel verwurstet wird, finde ich reichlich unpassend. Eine Menge Schriftsteller jeden Alters hat versucht, die kindliche/jugendliche Erzählperspektive einzusetzen und meistens geht das sowas von daneben. In "Unglaublich nah ..." gelingt es großartig.


    Jemandem vorzuwerfen, dass er professionell schreibt ('Creative Writing Course') ist einfach lächerlich; mir fallen diverse Autoren - ja, in diesem Falle hauptsächlich deutschsprachige - ein, die sich vielleicht mal für etwas Ähnliches einschreiben sollten. Und dass er zusätzliche Mittel der Textgestaltung, Bilder etc. einsetzt (niemals als Selbstzweck übrigens, sondern sehr überlegt und gekonnt) kann man ja durchaus positiv sehen. Gute Literatur kann (und muss sogar) heute eben anders aussehen als vor zweihundert Jahren.

  • Hallo,
    die letzte mich berührende Prosa aus den USA war Die Glasglocke von Sylvia Plath.
    Wenn man schon amerikanische und europäische bzw. deutsche Prosa vergleicht, dann muss man doch zu folgendem Nenner kommen:
    Die Amerikaner schreiben um Geld damit zu verdienen, ein Großteil der Europäer schreibt, weil sie schreiben müssen.
    Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wo sind die großen Themen, die Auseinanderzetzung mit der der Wirklichkeit, bei den
    meisten Amerikanern. Die fehlen leider völlig, von Ausnahmen abgesehen. Große Literatur ensteht da, wo man etwas wagt, sich sozusagen
    als Schriftsteller auf sehr dünnen Eis begibt und in Kauf nimmt, fürchterlich auf die Nase zu fallen.
    Das kann ich beim besten Willen, in der amerikanischen Literatur nicht entdecken.
    Updike, Roth, Franzen, immer wieder gern genannte Namen, die aufgezählt werden, wenn man die Stärke der erzählenden Prosa aus den USA
    unterstreichen möchte. Man lese einmal Sinclair Lewis, z.B. sein Werk : Babitt. Der Mann hat mal den Nobelpreis bekommen, jetzt kennt ihn
    kaum noch einer. Und es sind die ewig gleichen Probleme, die Verlogenheit des Mittelstandes, die Brüche im Mittelstand etc. etc.
    Schreibt ein amerikanischer Autor aber darüber, wie in der Reagan-Ära oder Bush-Ära der Mittelstand wegbrach bzw. bricht,
    schreibt ein Gegenwartsautor über die beständig bestehende Rassenproblematik, über die Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft,
    die permanenten sozialen Konflikte
    Da sucht man leider (von Ausnahmen,wie z.B. Capote und McCarthy mal abgesehen) vergebens.
    Das ist fast alles Mainstream Literatur, alles ganz nett zu lesen, aber Morgen hat mans eh vergessen. Leider.
    Eine Einschränckung möchte ich hier machen.
    In der kleinen Form, ja das können sie, sind sie ungeschlagen.


    Gruß, Lauterbach


  • Die Amerikaner schreiben um Geld damit zu verdienen, ein Großteil der Europäer schreibt, weil sie schreiben müssen.


    Das halte ich für ein ziemlich pauschales Urteil. Natürlich gibt es jede Menge Triviales, aber Sozialkritisches etc. (was meiner Ansicht nach auch nicht per se zu guter Literatur führt) findet sich auch durchaus zahlreich.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, was du unter 'Müssen' verstehst, aber wenn das bedeutet, innerlich gehetzt von großen Botschaften zu schreiben, die man unters Volk zu bringen hat, ziehe ich ein solides Kunsthandwerk vor. :breitgrins:

  • Hallo,


    @ Leserin und ink-heart,


    bezüglich Foers kann ich euch nur zustimmen: "Alles ist erleuchtet" ist ein Leseerlebnis gewesen. Mehr von solcher Art "pubertierender
    Amerikaner"!


    @ Lauterbach


    Ich halte Sinclair Lewis nicht für veraltet, denn der Mittelstand umfasst weiterhin einen großen Teil der postindustriellen Gesellschaft.
    Die von ihm aufgezeigten Neureosen und Verhaltensweisen existieren im modernen Gewand noch immer.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich aktiviere einmal diesen Strang, um ein Thema anzusprechen, das mich beschäftigt.


    Ich habe nämlich mittlerweile die Befürchtung, dass ich für das Genre 'big american novel' irgendwie gestorben bin. Ich meine damit die großen amerikanischen Gesellschaftsromane a la Franzen, Foer u.ä. Während ich davon früher einige recht gerne gelesen habe (Eugenides, Franzen), finde ich diese Bücher mittlerweile tendenziell entweder langweilig oder unerträglich. In den letzten Monaten bin ich sowohl an Foers 'Hier bin ich' gescheitert wie jüngst auch an Hanya Yanagiharas 'Ein wenig Leben'. Letzteres wurde von Andreas Platthaus in der SZ nachgeradezu hymnisch gepriesen, auch sonst gehyped ohne Ende, die Leserkommentare auf Amazon und andernorts sprachen von erschütternden Leseerlebnissen. Also habe ich mich verleiten lassen. Nach 210 Seiten hatte ich das Gefühl, in einer ungeheuer geschwätzigen amerikanischen Fernsehserie der gefühlvollen Art a la 'Brothers & Sisters' gefangen zu sein. Endlose Szenenschilderungen mit auswalzenden Kommentaren der Erzählerin, nahezu maßlos redundant und das gleiche Motiv auswalzend ad nauseam. Und dabei vor Klischees strotzend und erzähltechnisch absolut einfallslos. Transportiert werden einzig Emotionen und eher flache Lebensweisheiten. Ich kann sowas nicht mehr lesen. Und schon gar nicht über 950 Seiten.


    Wer soll sowas lesen? Oder bin ich einfach nur an die schlechten Romane geraten?

  • Ich lese sehr wenig amerikanische Literatur und habe mich erstmal ein bisschen schlau machen müssen zum Konzept "Great American Novel" (siehe den Artikel in der engl. Wikipedia, da gibt es auch eine Liste mit Büchern, die zu diesem Genre gerechnet werden).


    Von diesen Romanen habe ich The Great Gatsby, Gone with the Wind, The Cather in the Rye und Lolita gelesen. To Kill a Mockingbird möchte ich irgendwann einmal lesen. Die neueren amerikanischen Romane kommen mir irgendwie nicht so interessant vor. V.a. wenn sie dann solche Schinken sind... Und was du jetzt berichtest, verleitet mich auch nicht gerade dazu, so ein Buch mal zu probieren :breitgrins:.

  • Mir geht es ähnlich wie euch, thopas und @Newman. Die ersten ins Deutsche übersetzte Roman von Franzen, Eugenides und Foer habe ich mit Gewinn und Freude gelesen, aber alle Nachfolgeromane konnten nicht daran anschließen und ich habe es aufgegeben. Was Roth darüber hinaus -aus der älteren und nobelpreisverdächtigen Generation angeht, komme ich mit dem gar nicht klar.


    Aber an den Autoren, die du nennst, thopas, hatte und habe ich viel Freude und möchte besonders noch die für mich relativ neue Entdeckung von Carson McCullers ergänzen, deren Stil und die Atmosphäre ihrer Romane und Erzählungen ich selbst in der Übersetzung ganz wunderbar finde.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Nachdem ich im Klappentext zu Alice Munros "Tanz der seligen Geister" lesen durfte:


    Jonathan Franzen zählt Alice Munro zu den größten Erzählern der Welt und stellt sie über Tschechow [...],

    war mir klar, dass ich Franzen nicht lesen musste ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Von Franzen, Eugenides und Foer habe ich bisher nichts gelesen. Hat mich irgendwie nie besonders interessiert. Ich muss aber dazu sagen, dass ich ein großer Fan der britischen Literatur bin, und mich deshalb mit amerikanischer Literatur wenig beschäftigt habe. Damals in der Schule war ich im Englisch-Leistungskurs, da haben wir auch amerikanische Literatur durchgenommen. Meine Lektüre der weiter oben genannten Romane fällt auch in etwa in diese Zeit.


    Ich habe mir aber jetzt vorgenommen, folgende Romane einmal zu lesen:


    Harper Lee - To Kill a Mockingbird
    Nathaniel Hawthorne - The Scarlet Letter (steht bei mir schon ewig im Regal, vermutlich seit damals)
    Carson McCullers - The Heart is a Lonely Hunter (danke an finsbury für den Tip :winken:)


    Philip Roth und Don De Lillo habe ich mal probiert, war aber nichts für mich... Von Steinbeck habe ich auch mal was gelesen, kann mich aber beim besten Willen nicht erinnern, was... :redface:

  • Einige Romane der Liste, die Thopas verlinkt hat, habe ich durchaus mit Gewinn gelesen. Robinson's 'Gilead' halte ich für ein großartiges Buch und auch Nabokov's Lolita ist natürlich über jeden literarischen Zweifel erhaben. Franzens 'Korrekturen' habe ich seinerzeit verschlungen. Mir ging es auch weniger um das Konzept, das der Wikipedia-Artikel benennt, als vielmehr um die großen amerikanischen Gesellschaftsromane, die in den letzten Jahren so sehr gefeiert werden. Zum einen werden diese Bücher offenbar immer dicker ('Gilead' ist ja ein vergleichsweise schmales Buch), aber dabei inhaltlich eher dünner als besser. Philip Roth hat mich auch nie begeistern können. Schon seinen 'Menschlichen Makel' fand ich ziemlich ungenießbar. Sehr seltsam, das.


  • Mir ging es auch weniger um das Konzept, das der Wikipedia-Artikel benennt, als vielmehr um die großen amerikanischen Gesellschaftsromane, die in den letzten Jahren so sehr gefeiert werden. Zum einen werden diese Bücher offenbar immer dicker ('Gilead' ist ja ein vergleichsweise schmales Buch), aber dabei inhaltlich eher dünner als besser.


    Entschuldige, da war ich dann wohl auf der falschen Fährte bei meiner Suche. Bei dicken Büchern überlege ich mir auch immer gut, ob ich sie lesen will (außer es sind Klassiker :zwinker:). Meist entscheide ich mich dagegen...