Kafka und Camus

  • Hallo!
    Wir lesen im Deutschunterricht gerade den Prozess von Franz Kafka. Während dem Lesen sind mir dabei die Parallelen zu Camus "Der Fremde" aufgefallen. Beide Protagonisten, Herr K. und Meursault durchlaufen einen absurden Prozess. Meursault wird am Ende für sein Fehlverhalten seinen Mitmenschen gegenüber, u. a. seiner Mutter, zum Tode verurteilt. Auch Herr K. scheint seine Mutter zu vernachlässigen, wie in einem Fragment deutlich wird. Die Interpretation, dass K. am Ende dafür bestraft wird, wie er mit seiner Umwelt insbesondere seinen Mitmenschen umgeht, würde in meinen Augen Sinn machen. Oder liege ich da vollkommen falsch? Kannte Camus den "Prozess" von Kafka und wenn ja hat er ihn in sein Werk einfließen lassen? Was meint ihr dazu?
    Freue mich auf eure Antworten!


    Liebe Grüße,


    Lara

  • Camus kannte Kafkas Werke und hat trotzdem das Thema des Prozesses aufgenommen. In jungen Jahren hat Camus viele Kriminalprozesse verfolgt, denn er war als Journalist für die Gerichtsberichterstattung zuständig. "Der Fremde " beruht daher auf seinen eigenen Erlebnissen. Ihm war sicher bewusst, dass seine Leser einen Vergleich mit Kafkas Roman ziehen könnten, doch Camus Personen und Episoden sind zu alltäglich als dass sie wirklich mit der Symbolik Kafkas verglichen werden können. Camus ist ein Realist.

  • zu kafka: also das versteh ich nich, wieso k. für sein verhalten gegenüber seiner umwelt und seinen mitmenschen bestraft wird. der tut doch nichts. außer dass er sich andauernd wundert und fragt, wofür er eigentlich angeklagt wurde.
    :roll:
    grüße vom troll


  • zu kafka: also das versteh ich nich, wieso k. für sein verhalten gegenüber seiner umwelt und seinen mitmenschen bestraft wird. der tut doch nichts. außer dass er sich andauernd wundert und fragt, wofür er eigentlich angeklagt wurde.
    :roll:
    grüße vom troll


    Vielleicht kann man es so interpretieren, dass K. seine Mitmenschen instrumentalisiert. Denn zu niemanden hat er eine wirkliche Bindung, die über sein geschäftliches Interesse hinausgeht. Seine Familie vernachlässigt er (Mutter, aber auch seine Cousine, deren Geburtstag er vergisst und die er seit Ewigkeiten nicht besucht hat), seine "Stammtischfreunde" sind Leute in höheren Positionen, von denen er sich vermutlich Vorteile erhofft (z.B. Staatsanwalt) Und sein Verhältnis zu Frauen beruht entweder auf Triebbefriedigung (Elsa) oder er erhofft sich Vorteile für seinen Prozess (Frau des Gerichtsdieners, Leni)

  • Hi Lara,
    klar kann man das sicherlich auch so interpretieren. Es kommt bestimmt darauf an, ob man entweder mit K. symphatisiert oder ihn schon mal vom Typ her nicht mag. Immerhin neigt er wirklich dazu, alles immer ein wenig zu verkomplizieren. Vom Prinzip her passiert bei Kafka ja auch immer das Gleiche, bloß in "Amerika" kommt es denn doch noch zu einem halbwegs optimistischen Ende. Na egal.
    Beste Grüße jedenfalls und schöne Woche
    :clown:
    vom troll


  • Vom Prinzip her passiert bei Kafka ja auch immer das Gleiche, bloß in "Amerika" kommt es denn doch noch zu einem halbwegs optimistischen Ende. Na egal.


    Höre da ein gewisses Resentiment durch?


    Nebenbei: So viele Kafka-Leser, so viele Interpretationen, wie Politzer die Interpretations-Schwierigkeiten beschreibt...


    Beim Prozess frappiert mich auch immer wieder, dass K. den Prozess so ernst nimmt, dass er keinen Moment daran zweifelt, dass es ihn gibt und dass er sich darum kümmern muss. - Auch wenn er sich zuerst unschuldig zu fühlen vorgibt.



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann