Mai 2007 - Hölderlin: Hyperion

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt auch den ersten Band zu Ende gelesen. Die Sprache ist sehr schön, aber das Lesen ist anstrengend, ich muß mich stark konzentrieren. Die Handlung/Thematik fand ich bisher nicht besonders ansprechend, aber ich gehe davon aus, dass die Handlung hauptsächlich als Hinführung zum zweiten Teil diente. Von der angeblich so scharfen Kritik an den Deutschen (auf die Hölderlin auch im Vorwort einging) habe ich bisher noch nichts bemerkt, ich denke, dass wir hier im zweiten Band mehr erfahren werden.
    Dadurch, dass man immer nur die Briefe von Hyperion an Bellarmin zu lesen bekommt und auch in keiner Weise auf etwaige Antworten von Bellarmin eingegangen wird, hat das Buch bisher eigentlich nicht den Charakter eines Briefromans.


    Viele Grüße,
    Zola


  • Dadurch, dass man immer nur die Briefe von Hyperion an Bellarmin zu lesen bekommt und auch in keiner Weise auf etwaige Antworten von Bellarmin eingegangen wird, hat das Buch bisher eigentlich nicht den Charakter eines Briefromans.


    Da muss ich was verpasst haben: Wo und wann ist denn das poetologische Gesetz festgeschrieben worden, dass ein Briefroman durchgehend mindestens Briefe von zwei Personen enthalten muss?


    Und ist das die einzige Charaktereigenschaft, die ein Briefroman haben muss, oder nur die wichtigste?


    Und kann er einen Mangel an Briefschreibern z. B. durch Mut, malerische Begabung, Wanderlust oder andere Charakterzüge ausgleichen?

  • Briefromane können vielleicht sehr schön sein, aber mir scheinen doch, z. B. hier bei Hyperion, oder beim Werther, Briefe zweckentfremdet zu sein, und sie erinnern mich eher an Tagebücher oder derartiges, als an Briefe.


    Nun hab ich auch das erste Buch (I,1) des Hyperions fertig.


    Manchmal wird es sehr kitschig. Vor allem, was die Beziehung mit Alabanda, und all die Gesten rundherum betrifft.
    Schön sind die Naturbeschreibungen. Und da ich tatsächlich vor kurzem am Peloponnes war, ist mir einiges bekannt, und die dortige Atmosphäre wird mir hier wieder nah. Das finde ich schön.


    Allerdings finde ich Hyperion manchmal sehr arrogant: Ihr wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht bessern, denn es ist umsonst!, oder Neide die Leidensfreien nicht, die Götzen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.
    Und weil er davor sagt: ..und denke, daß es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt!, finde ich, grenzt es fast schon an der nationalsozialistischen Gesinnung. Es klingt, als ob er bestimmen würde, was noch lebenswert sei und was nicht. Das finde ich schon äußerst widerlich.


    Aber natürlich kann ich nicht leugnen, daß die Sprache wunderwunderwunderschön ist. Die Metaphern sind wirklich toll.


    Lieben Gruß.

  • Da muss ich was verpasst haben: Wo und wann ist denn das poetologische Gesetz festgeschrieben worden, dass ein Briefroman durchgehend mindestens Briefe von zwei Personen enthalten muss?


    Nirgends. Bisher ist nur der Sinn der Verwendung dieses Stilmittels nicht erkennbar. Aber vielleicht ergibt sich das im zweiten Band, der übrigens meiner Meinung nach mit dem bisher schönsten Brief, einer sehr romantischen Naturbeschreibung, beginnt.


  • Allerdings finde ich Hyperion manchmal sehr arrogant: Ihr wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht bessern, denn es ist umsonst!, oder Neide die Leidensfreien nicht, die Götzen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.
    Und weil er davor sagt: ..und denke, daß es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt!, finde ich, grenzt es fast schon an der nationalsozialistischen Gesinnung. Es klingt, als ob er bestimmen würde, was noch lebenswert sei und was nicht. Das finde ich schon äußerst widerlich.


    Hallo Knabe,
    da muß ich Dir nun doch wiedersprechen. Ich bin zwar noch nicht an der Stelle aber wenn ich diese Sätze so ohne Zusammenhang lese kommen sie mir gar nicht arrogant und schon weniger "Grenze nationalsozialistisches Gedankengut" vor.
    Für mich klingt das eher wie wachrütteln. Jemand will Menschen klarmachen, daß sie als Knechte leben. Im zweiten Satz würde ich modern interpretieren: Geld ist nicht alles. Im letzten Satz versucht er für mich nicht mehr, als zu sagen, daß es besser ist, in einem gerechten Kampf gestorben zu sein als unter Knechtschaft weiter dahinzuvegetieren. Gerade weil Du für diesen Satz die Nationalsozialisten herangezogen hast - ich würde das genaue Gegenteil heranziehen, die Partisanen.


    Aber wie gesagt, es ist mein erstes Buch aus dieser Zeit. Von Hölderlin habe ich nur die Lebensdaten gelesen. Vielleicht irre ich mich. Das wäre übrigens interessant für mich zu wissen. Kennt sich jemand mehr damit aus?


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.<br />Und er sagte:<br />Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.<br /><br />Khalil Gibran<br />Der Prophet

  • Hallo zusammen!


    Unterdessen habe ich den Hyperion beendet.


    Allerdings finde ich Hyperion manchmal sehr arrogant: Ihr wollt ja nie, ihr Knechte und Barbaren! Euch will man auch nicht bessern, denn es ist umsonst!, oder Neide die Leidensfreien nicht, die Götzen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre Seele so arm ist, die nichts fragen nach Regen und Sonnenschein, weil sie nichts haben, was der Pflege bedürfte.
    Und weil er davor sagt: ..und denke, daß es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt!, finde ich, grenzt es fast schon an der nationalsozialistischen Gesinnung. Es klingt, als ob er bestimmen würde, was noch lebenswert sei und was nicht. Das finde ich schon äußerst widerlich.


    Hyperion bestimmt ja, wennn überhaupt, wer sterbenswert sein könnte :zwinker: . Es sind hier natürlich noch Nachwehen aufzufinden des Geniekultes, der ja noch so lange vorher abgelaufen war.. Und der immer wieder in der Literatur auftauchende Selbsttrost dessen, der ein feineres Nervenkostüm als seine Umwelt hat bzw. zu haben glaubt. Die Künstlerfiguren von Goethe über Tieck und Gottfried Keller bis hin zu Thomas Mann, ja Arno Schmidt laborieren alle an dieser "Krankheit": Faust, Karl Moor, Sternbald, der Grüne Heinrich ... Es ist die mentale Differenz zwischen Genie und Plebs, die hier gefeiert wird (im Bewusstsein, dass der Plebs fürs eigentlich-vegetative "Leben" besser gerüstet ist als das Genie, das am Leben scheitert - genial scheitert, aber eben scheitert), nicht eine Differenz zwischen einer lebenswerten (germanischen) Rasse und einer lebensunwerten (jüdischen) Rasse.


    Die Handlung/Thematik fand ich bisher nicht besonders ansprechend, aber ich gehe davon aus, dass die Handlung hauptsächlich als Hinführung zum zweiten Teil diente.


    Jein. Jedenfalls für meinen Geschmack. Hyperion ist meiner Meinung nach ein grosses Gedicht. Lyrik, nicht Epik. Also sehr wenig Handlung. Wordsworth oder Tennyson, nicht Byron.


    Von der angeblich so scharfen Kritik an den Deutschen (auf die Hölderlin auch im Vorwort einging) habe ich bisher noch nichts bemerkt, ich denke, dass wir hier im zweiten Band mehr erfahren werden.


    Nun ja ... Ich fand's ja nun nicht soooo wild ...


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    ein bisschen bin ich nun auch weiter gekommen und bei den Diotima-Briefen in II, 1.
    Zu eurer Diskussion über die Arroganz des Hyperion: Die besteht sicher und ganz Recht hat da auch sandhofer: Nur, wie von ihm schon gesagt: Die Arroganz des Genies rächt sich an vielen durch Alkoholismus (z.B. Hoffmann), Wahnsinn (Sic! Hölderlin, auch Nietzsche) und / oder einen frühen Tod (Novalis, Schiller und und und ...).
    Wer so wie Hyperion und - ich denke, nach einigen Einblicken in seine Biografie, auch Hölderlin selbst - in dieser ständigen Gespanntheit des Hochgestimmtseins oder am Leben verzweifeln ist, der hält das nicht lange aus.
    Diotima selbst bemerkt dies ja auch ganz richtig am Ende von I,2 gegenüber Hyperion, wie vielleicht auch ihr alter ego, Suzette Gontard, gegenüber Hölderlin.
    Nun habe ich auch die interessante Hölderlinsche Ausprägung von edler Einfalt und stiller Größe hinter mir und weiß endlich, warum wir "Nordmannen und -frauen" nicht zur Demokratie fähig sind. Wir müssen wegen unseres schlechten Klimas uns der Despotie der Gesetze beugen?! und müssen deshalb nicht zart behandelt sein :breitgrins:.
    In diesem Sinne [hr]
    auf ihr Sklaven der Gesetze: Ab in die neue Arbeitswoche!
    (Hyperion muss schließlich auch ran und zieht jetzt in den Krieg)


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Geniekult... danke für den interssanten Exkurs!
    Aber ist es nicht ein Analogon? Genie verhält sich zu Plebs wie: Arier(in der Ideologie) zu Jude. Genie, und Arier, sollen sich als Übermenschen verstehen? Oder übertreibe ich es, oder verstehe ich den Geniekult noch immer nicht. Geht es hier bloß darum, daß das Genie mental besser ist? Nun ja, mich hat nur das, wie Hölderlin sagt, "nie gelebt", etwas aufgeregt.


    Ich bin nun am Anfang des zweiten Buches. Diotimas Tod wird erwähnt. Und Hyperion klagt sehr jambisch, die Prosa klingt tatsächlich gebunden.


    Die Sprache ist einfach schön. Vieles gefällt mir. Aber eines muss ich noch erwähnen, das mich anwidert. Und zwar ist es, wie beim "Tod des Empedokles", die eigene Vergöttlichung. Wenn er die Sonne, das Sonnenlicht, die Sonnenstrahlen so vergöttert und lobt, denke ich daran, daß bei Homer "HYPERIONOS"("der Hochwandelnde") ein Beiname der Sonne ist, und somit glaube ich, daß Hölderlin sich selbst damit meint.


    Soll sein.
    Lieben Gruß.


    P.S. Hat sich jemand schon mit Schillers Briefen "über die ästhetische Erziehung des Menschen" beschäftigt? Sind da nicht einige Ähnlichkeiten zu Hyperion - Diotima?

  • Aber ist es nicht ein Analogon? Genie verhält sich zu Plebs wie: Arier(in der Ideologie) zu Jude. Genie, und Arier, sollen sich als Übermenschen verstehen? Oder übertreibe ich es, oder verstehe ich den Geniekult noch immer nicht.


    Na ja - Du ziehst daraus ähnliche Schlussfolgerungen, wie es gewisse Nazi-Ideologen taten. Es sind aber - scusi - falsche. Das Genie ist der grosse Einzelne, der einsame Wolf. Letzten Endes geht das Genie zu Grunde, nicht Otto Normalverbraucher. Immer in der Fiktion, oft in der Realität. (Wenige können sich - sozusagen - den Tod vom Leibe schreiben: Goethe, Th. Mann ... ) Das Genie wird die andern bemitleiden, selber an seinem Anderssein leiden - es wird aber nie die andern aktiv vernichten wollen.


    Aber eines muss ich noch erwähnen, das mich anwidert. Und zwar ist es, wie beim "Tod des Empedokles", die eigene Vergöttlichung. Wenn er die Sonne, das Sonnenlicht, die Sonnenstrahlen so vergöttert und lobt, denke ich daran, daß bei Homer "HYPERIONOS"("der Hochwandelnde") ein Beiname der Sonne ist, und somit glaube ich, daß Hölderlin sich selbst damit meint.


    Ich rate immer, mit Schlüssen von Romanfigur auf Autor sehr, sehr vorsichtig zu sein ... :zwinker:


    P.S. Hat sich jemand schon mit Schillers Briefen "über die ästhetische Erziehung des Menschen" beschäftigt? Sind da nicht einige Ähnlichkeiten zu Hyperion - Diotima?


    Wir haben sie im September 2005 hier sogar gemeinsam gelesen. Allerdings ohne jeden Blick auf Hölderlin. (Der sich hinwiederum - wie jeder denkende Mensch jener Zeit - auch unabhängig von Schiller mit Kant auseinandergesetzt hat. Soweit ich sehe, war Hölderlin eher an Herder orientiert.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt auch den zweiten Teil fertiggelesen. In meinem Buch befindet sich im Anschluß noch ein "Fragment zu Hyperion" (ca. 50 Seiten), das ich jetzt auch noch lesen werde. Weiß jemand, wie weit das dazugehört?


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo Sandhofer,


    Jein. Jedenfalls für meinen Geschmack. Hyperion ist meiner Meinung nach ein grosses Gedicht. Lyrik, nicht Epik. Also sehr wenig Handlung. Wordsworth oder Tennyson, nicht Byron.


    Danke für die Info. Ich muß zugeben, dass ich mich in der lyrischen Ecke sehr wenig auskenne.


    Nun ja ... Ich fand's ja nun nicht soooo wild ...


    Ja stimmt, das waren nur die Teile, die ich eigentlich schon aus Zitaten kannte. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man das in der damaligen Zeit als offenen Affront empfand. Der griechische Freiheitskämpfer, der sich vom Joch befreit hat, schimpft über die Deutschen und das auch noch aus der Feder eines deutschen Lyrikers.
    Ich bin schon auf das Nachwort des Herausgebers gespannt.

  • ich habe jetzt auch den zweiten Teil fertiggelesen. In meinem Buch befindet sich im Anschluß noch ein "Fragment zu Hyperion" (ca. 50 Seiten), das ich jetzt auch noch lesen werde. Weiß jemand, wie weit das dazugehört?


    Theoretisch ja. Im Nachwort meiner Ausgabe sind die Einzelteile und die Entstehungsgeschichte schon gebüschelt. Ich kann aber frühestens heute abend nachschlagen :zwinker: .

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich bin schon auf das Nachwort des Herausgebers gespannt.


    Ähm, meine Ausgabe hat weder ein Vor- noch ein Nachwort. Ich lese den "Hyperion" aus gesammelten Werken. Trotzdem merkwürdig, daß nicht zumindest das Vorwort auftaucht - wenn es sogar von Hölderlin selbst ist.
    Könnte mir jemand einen Querschnitte aufschreiben? Das würde mich natürlich interessieren.


    Danke im voraus.
    Leseratte

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  • Hallo zusammen,
    habe den Roman nun auch heute Nacht zu Ende gelesen.
    Vom Hocker geholt hat er mich ehrlich gesagt nicht. Schöne Sprache, schöne Landschaftsschilderungen, aber dieses Schwärmerische geht mir doch am Stück ziemlich gegen den Strich.
    Ich dachte, nachdem Hyperion von seinen Soldaten so massiv enttäuscht wurde, käme er ein bisschen mehr auf den Boden der Realität. Aber er richtet die schwärmerische Liebe dann eben auf die Natur und unterliegt auch hier einer völlig künstlichen Harmonievorstellung: Der Überlebenskampf in der Natur ist ja keineswegs immer so toll. Auch wenn Pflanzen und Tiere nicht denken können, und man ihnen daher keinen moralischen Verstoß unterstellen kann, bringt es wenig, die Natur zu idealisieren.
    Die Kritik an den Deutschen finde ich, wenn auch zum Teil treffend, doch sehr massiv. Ich glaube- wie du, Zola, dass sich damals schon viele Leute auf den Schlips getreten fühlten. Diese Kritik ist auch insofern etwas schräg, weil sie aus der Richtung des Genies an die "Gewöhnlichen" gerichtet ist. Ich verstehe, dass z.B. du, Knabe, das als ziemlich ätzend empfindest, wenn auch die Analogie zu den Nazis im Wesentlichen in der Überheblichkeit besteht. Dann könnte man auch überzeugte Aristokraten als Nazis einstufen!
    Auch ich beschäftige mich jetzt mit den Vorläufern und Fragmenten zum Hyperion, die in meiner völlig "nackten" Tempelklassiker- Ausgabe (ja ja, die Achtziger!) zwar voll vollständig, aber unkommentiert daherkommen.
    Habe bisher ein Versfragment, das sich mit der Kindheit und Jugend beschäftigt und ein Fragment, in dem bereits Diotima, allerdings als "Melite" vorkommt, hinter mir. Hier merkt man doch, wie viel kompositorische und sprachliche Arbeit es brauchte, um den Hyperion zu schreiben.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Hallo zusammen!


    So, nun habe ich meine Ausgabe wieder zur Hand. Folgende Fassungen des Romans sind nachweisbar:


    1. Die Tübinger Fassung (1795-1793)
    2. Die Waltershäuser Fassung (1794)
    3. Die metrische Fassung (Ende 1794 - Anfang 1795)
    4. "Hyperions Jugend" (1795)
    5. Die vorletzte Fassung (1795)
    6. Die endgültige Fassung (1796-1798)


    In die Entstehungszeit fallen die Aufenthalte in Jena (1794-1795), wo Hölderlin Schiller und Fichte kennenlernte, und Frankfurt (1796-1798), wo ihm Susette Gontard begegnete, sowei die letzte Phase der Französischen Revolution (1793-1794) und der erste Revolutionskrieg (1792 -1797).


    V.a. die Französische Revolution spiegelt sich m.M.n. stark im Hyperion. Ich stehe vielleicht unter zu starkem Einfluss von Bertaux und den DDR-Herausgebern meiner Edition, aber ich sehe im Roman mehr als nur die ästhetische Dimension des aufbegehrenden Genies. Der Freiheitskampf der Griechen war natürlich auch der der deutschen Jakobiner. Und von daher kam die Deutschenschelte im Roman natürlich vielen in den falschen Hals und war so ungefährlich gar nicht ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    Der Freiheitskampf der Griechen war natürlich auch der der deutschen Jakobiner. Und von daher kam die Deutschenschelte im Roman natürlich vielen in den falschen Hals und war so ungefährlich gar nicht ...


    Aber da gibt es neben den Gemeinsamkeiten auch große Unterschiede. Gemeinsam: Hyperion und die deutschen Jakobiner stellen sich als Ziel ihres Kampfes eine Demokratie vor, H. allerdings wieder mit der überzogenen Vorstellung der Republik genialisch- freier Menschen. Aber gegen wen geht es? In Deutschland gegen die absolutistischen Herrscher, in Griechenland gegen eine fremde Besatzungsmacht!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo!


    Aber gegen wen geht es? In Deutschland gegen die absolutistischen Herrscher, in Griechenland gegen eine fremde Besatzungsmacht!


    Natürlich lässt sich das Ganze nicht 1:1 übersetzen. Andererseits ... die sich am französischen Vorbild orientierenden Mini-Sonnenkönige, die, um ihren Prunk zu finanzieren, bedenkenlos Landsleute als Söldner nach Amerika verkauften und oft auch nur Französisch sprachen und das Deutsch sprechende gemeine Volk verachteten - da war kein riesiger Unterschied mehr zu einer gänzlich fremden Besatzungsmacht ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Ähm, meine Ausgabe hat weder ein Vor- noch ein Nachwort. Ich lese den "Hyperion" aus gesammelten Werken. Trotzdem merkwürdig, daß nicht zumindest das Vorwort auftaucht - wenn es sogar von Hölderlin selbst ist.
    Könnte mir jemand einen Querschnitte aufschreiben? Das würde mich natürlich interessieren.


    Danke im voraus.
    Leseratte


    Die Vorrede findest du zum Beispiel auf Projekt Gutenberg.

  • Hallo Knabe,
    danke für Deine Mühe. Als ich die Worte las, kamen sie mir merkwürdig bekannt vor, ich blätterte zurück und siehe da, es gab diese Vorrede natürlich auch bei mir. :redface:


    Gruß
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.<br />Und er sagte:<br />Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.<br /><br />Khalil Gibran<br />Der Prophet