Friedrich Hölderlin

  • Hölderlin als Hirnforscher,


    als ich das las, wunderte ich mich erst sehr. Verdammt, Hölderlin steht schon so lange auf meiner Wunschliste (wie so viele Bücher), ich las von ihm bisher wenig mehr als einzelne Gedichte, und kann mir jetzt gar kein eigenes Urteil erlauben. Wieder und wieder schiebe ich die Anschaffung eines Lyrikbandes von Hölderlin vor mir her, wohl wissend, dass ich ihn längst besitzen müsste. Warum nur steht Hölderlin bei so vielen Geistesgrößen auf der Tagesordnung? Warum trifft man auf wenige, aber wenn, auf so begeisterte und faszinierte Hölderlin-Anhänger(innen)? Was macht den Reiz von Hölderlins Werken aus? Hesse liebte Hölderlin, Heidegger philosophierte über Hölderlin usw. und ich habe keine Ahnung und renne mit einigen unverzeihlichen Bildungs- und Wissenslücken umher...


    Das fand ich in einer Suhrkamp-Halbjahresvorschau:



    Aber die Zeit, dass auch ich Hölderlin lesen werde, wird kommen.


    Mich beschämend aus dem Ordner stehlend rufe ich euch noch einen letzten Wochenendgruß zu,


    FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Unbedingt lesen! Ich habe anfangs auch eher einen großen Bogen um Hölderlin gemacht, dieses weihevolle Gesäusel um ein imaginäres Griechenland kam mir als Jugendlicher sehr seltsam vor; aber dann gibt es auf einmal eine Lyrik, die einen umhaut, deren Sprache einen fortträgt und nach deren Genuss man die Idee, dass der Mensch durch Literatur besser werden könnte nicht mehr ganz so verschroben findet... Elegien wie "Brot und Wein", oder Gedichte wie "Hälfte des Lebens", "Abendphantasie", "An die Natur" sind immer wieder ein Genuss und werden mich für den Rest meines Lebens begleiten...


    Und die schönste Prosa, die ich in deutscher Sprache kenne ist für mich der "Hyperion". Wenn man mit Bleistift liest wie ich, kommt man aus dem ankreuzen und unterstreichen gar nicht mehr heraus, so wundervolle Formulierungen finden sich darin und eigentlich sind die ganzen 200 S. ein einziges Prosagedicht...


    Ich glaube von Hölderlin strahlt eine Art von unschuldiger Redlichkeit, eine Reinheit und eine Sehnsucht nach moralischer Höherentwicklung des Menschen, die nicht fordernd auftritt, sondern eher elegisch und in dessen Dienst sich Hölderlin mit seinem ganzen Wesen als Dichter stellt... tragisch, aber groß...


    Gruß,
    Lucien

  • Oh jee. Hölderlin als Hirnforscher zu bezeichnen ... darauf wäre ich nun wirklich nicht gekommen. So ein Gedanke überrascht mich sehr.


    Obgleich ich im Allgemeinen nicht der große Anhänger von Lyrik bin, Hölderlin ist die große Ausnahme. Irgendwann in einem ganz anderen Zusammenhang, - es ging um das Unbewusste im Menschen, - kam ich darauf, dass es Hölderlin gelingt, Unsagbares zu sagen, in dem er das Unbeschreibbare in Sprachbilder transformiert. So gelingt die Beschreibung eines erweiterten Bewusstseins und dessen Befindlichkeit, die er in Beziehung setzt zur Welt, zum gesamten Kosmos.
    .
    Hölderlin beschreibt die Unstimmigkeiten zwischen Mensch und Kosmos und versucht, so etwas wie eine Versöhnung. Das kann in einer nüchternen Analyse nicht gelingen, da die Sprache dazu nicht auseicht. Es geht nur mit Bildern.


    Ich glaube, dass sich Hölderlin in seinem Schreiben sehr von seinem Unbewussten hat tragen lassen, was beim Leser affektiv etwas berührt, das verschüttet ist. Ich habe Hölderlins Werke immer als etwas empfunden, das den Menschen zum einen tröstet und, zum anderen, ihn mit der Idee infiziert, dass er viel „mehr ist“, als er sich einräumt.

  • Hallo Lucien und Ulla!


    Vielen Dank für eure schönen, mich noch schuldiger gegenüber Hölderlin fühlend machenden Beiträge! Also muss ich handeln und werde möglichst bald eine deutschsprachige Buchhandlung aufsuchen (was immer etwas Mühe macht).


    Bei Hölderlin treffe ich eigenartigerweise noch recht oft auf sehr positive und begeisterte Anhänger(innen), obwohl er in der Öffentlichkeit eigentlich recht wenig präsent ist. Aber in guten Buchhandlungen haben sie doch immer auch etwas von Hölderlin liegen.


    Im Ausland scheint mir Hölderlin ein großer Unbekannter zu sein. Jedenfalls sehe ich ihn in niederländischsprachigen Buchhandlungen nie und in französichsprachigen Buchhandlungen sehr selten ausliegen. Vielleicht lässt er sich einfach nicht sinnvoll und gut in andere Sprachen übersetzen, was bei Lyrik auch recht verständlich ist. Ich mag dabei zweisprachige Ausgaben, wie ich sie z.B. von Thomas Bernhard und Paul Celan besitze.


    Aber Hölderlin ist beschlossene Sache für mich, ihr habt mir den letzten Zweifel und die letzten Ausreden genommen.


    Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo Friedrich-Arthur,
    hätte ich gewusst, dass Du gleich von Schuldig-fühlen sprichst, ... so sollte mein Beitrag nicht ankommen. :sauer:

    Gestern Abend habe ich übrigens nach dieser „Hirnforschertheorie“ ein bisschen recherchiert. Auch wenn ich Linkes Buch nicht gelesen habe, ich halte diese Theorie für abenteuerlich. Nach den Informationen, die ich dazu gefunden habe, war Linke so etwas wie ein Generalist, der versucht hat, einen Bogen zwischen den Disziplinen Neurobiologie und Philosophie zu spannen. In seiner Eigenschaft als Hirnforscher wollte er wohl u.a. dem Phänomen von Genialität und Kreativität auf die Spur kommen, indem er die zuständigen Stellen im Gehirn lokalisiert bzw. den Abweichungen nachgeht gegenüber einem „normalen“ Gehirn.


    Die Frage ist, ob sich im Gehirn – als Organ des menschlichen Selbst - die Antwort auf die Fragen zum menschlichen Sein und Bewusstsein finden lassen.


    Der Titel von Linkes Buch „Hölderlin als Hirnforscher“ ist auf jeden Fall verfehlt. Es sei denn, man bezeichnet jeden, der sich mit Fragen der menschlichen Existenz - bis hin zum Universum - als Hirnforscher. Dann sind wir alle Hirnforscher!


    „Hölderlins Konzept der Poesie als einen Entwurf der Hirnwissenschaften zu deuten“: Was soll dieser verquaste Satz eigentlich besagen? D. Linke ist ja im Februar gestorben. Vielleicht haben die Erben die Manuskripte nicht richtig sortiert. Und er würde sich jetzt im Grab umdrehen, wenn er das wüsste.


    Ich weiß nicht! Fast bin ich in Versuchung zu sagen, Hirnforscher sollten Hölderlin hirnforschungstechnisch in Ruhe lassen!


    So. Nun wünsche ich viel Erfolg bei der Suche nach einer hölderlinbestückten Buchhandlung und bin gespannt, wie er Dir gefällt.


    Tschüs! Ulla
    (auch Hirnforscherin) :banane:

  • Hallo Friedrich-Arthur,


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Bei Hölderlin treffe ich eigenartigerweise noch recht oft auf sehr positive und begeisterte Anhänger(innen), obwohl er in der Öffentlichkeit eigentlich recht wenig präsent ist.


    ich glaube, Hölderlin gehört zu den Autoren, die man entweder mit Begeisterung liest oder überhaupt nicht. Es ist gut möglich, daß man nicht gleich den richtigen Zugang zu Hölderlin findet und man das Buch dann enttäuscht und einigermaßen ratlos wieder zuklappt. Bei mir hat es jedenfalls einige Anläufe gebraucht, ehe ich mit Hölderlin etwas anfangen konnte, aber die Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt, denn es ist ein außergewöhnliches und bereicherndes Leseerlebnis, das einem andere Dichter so nicht bieten können.


    Zitat von "Friedrich-Arthur"

    Vielleicht lässt er sich einfach nicht sinnvoll und gut in andere Sprachen übersetzen, was bei Lyrik auch recht verständlich ist.


    Sein Deutsch klingt ja auch für Deutsche streckenweise recht fremdartig, weil er Wörter auf eine Weise zusammengefügt hat, wie man es bis dahin im Deutschen so noch nie gesehen hatte. Er hatte darin natürlich Vorläufer (insbesondere Klopstock), auf die er aufbauen konnte, aber Hölderlin hat die syntaktischen Möglichkeiten des Deutschen bis zu den äußersten Grenzen ausgeschöpft, in manchen seiner Gedichte mag er diese Grenzen auch überschritten haben. Das führt zu einem eigenwilligen und unverwechselbaren Sprachklang, nach dem man süchtig werden kann. Wobei ich finde, daß da immer wieder unvermutet eine seltsam anmutende Komik aufblitzt, die sicherlich nicht beabsichtigt ist, die aber wohl zwangsläufig entsteht, wenn man mit so großer Ernsthaftigkeit und unbedingter Hingabe dichtet, wie es Hölderlin getan hat. Ein Mensch, der reden will wie ein Gott, hat immer etwas Lächerliches an sich, weil er trotz allem Wissen und aller Kunst eben doch immer nur ein Mensch bleibt. :-) Insofern finde ich die unfreiwillige Komik in Hölderlins Gedichten gar nicht störend, sondern sogar sehr sympathisch.


    Bei aller Begeisterung für Hölderlin möchte ich auch auf das Gedicht "Der Tod fürs Vaterland" hinweisen, das zeigt, daß eine so ernsthafte und unironische Art zu dichten auch Schattenseiten haben kann. Die Schlußverse dieses Gedichtes lauten bekanntlich: <i>Lebe droben, o Vaterland,/ Und zähle nicht die Toten! Dir ist,/ Liebes! nicht Einer zu viel gefallen.</i> Das ist Poesie, die den Kontakt mit der Wirklichkeit nicht standhält. Angesichts eines realen Schlachtfeldes klingen solche Verse wie blanker Zynismus. Natürlich muß man das Gedicht im Kontext der damaligen Zeit und Hölderlins gesamter Dichtung sehen, was manches in einem anderen Licht erscheinen läßt, aber trotzdem hinterläßt dieses Gedicht in mir ein gewisses Unbehagen.


    Wenn Du, Friedrich-Arthur, Dir irgendwann einmal eine Gedichtausgabe von Hölderlin zulegen willst, solltest Du eine kommentierte Ausgabe nehmen. Denn bei manchen Gedichten, wie etwa <a href="http://gutenberg.spiegel.de/hoelderl/gedichte/Druckversion_chiron.htm">Chiron</a>, müßte man ohne die Hilfe eines Kommentars schon sehr viel Mühe aufwenden, ehe man versteht, worum es in dem Gedicht genau geht. Es ist ja kürzlich eine <a href="http://www.suhrkamp.de/buecher/taschenbuch/dkv/2005/oktober/68004.htm">Taschenbuchausgabe des Deutschen Klassikerverlages</a> herausgekommen, die 18 Euro kostet. Die kenne ich zwar nicht, aber ich habe eine Insel-Taschenbuchausgabe, die ebenfalls von Jochen Schmidt kommentiert ist. Diesen Kommentar fand ich sehr gut und hilfreich, ehrlich gesagt fand ich ihn sogar hilfreicher als den Kommentar der wesentlich teureren dreibändigen Hölderlin-Werkausgabe von Hanser, die ich ebenfalls habe.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hölderlin? Mein Kumpel Svenni hat gemeint, dass H. der Hammer sei. Muss der troll haben.
    t.
    pchallo

  • Vielen Dank Ulla und Wolf!


    Hier noch ein letzter allgemeiner Beitrag über Hölderlin von Hermann Hesse (auszugsweise):


    Zitat

    Über Hölderlin
    Seit hundert Jahren gab es einen deutschen Dichter, der die Besten immer wieder an sich zog, einen heimlichen Liebling und König der idealistischen Jugend, der aber niemals von den vielen gekannt war: Hölderlin. Sein Werk, ein kleiner Band Gedichte, teils von hymnisch großem Schwung, teils von zartester lyrischer Versunkenheit, klang merkwürdig schön, erregend und tragisch zusammen mit seinem Leben, das sich nach einer kurzen strahlenden Jugend in Wirrnis und Wahnsinn, aber auch in eine überpersönliche und mythische Atmosphäre verlor, er war das Urbild des von Gott auserwählten und von Gott geschlagenen Dichter, aufglänzend in übermenschlicher Reinheit, voll Adel und schmerzlicher Schönheit, des Dichters, der am “normalen Leben” zerbrechen muß und das Gedächtnis einer kurzen leuchtenden Geistesblüte hinterließ, wie es sonst nur die früh Gestorbenen begleitet…


    Quelle: Beginn des Textes “Über Hölderlin” aus Hermann Hesse, Eine Literaturgeschichte in Rezensionen und Aufsätzen, st 252, Suhrkamp Taschenbuchverlag


    All der Beiträge in diesem Ordner zum Dank, dank auch Hesses Schwärmen über Hölderlin und der jahrelangen eigenen Neugier schritt ich zur Tat und bestellte mir aus der INSEL-Reihe “Gedichte in einem Band” Friedrich Hölderlin, sämtliche Gedichte und Hyperion. Als die Bestellung schon raus war, las ich den Beitrag von Wolf und hätte wohl eher die Taschenbuchausgabe des Deutschen Klassikerverlages http://www.suhrkamp.de/buecher…kv/2005/oktober/68004.htm gewählt – aber da war ich wohl zu schnell (ich dachte, die Taschenbuchausgaben aus dem Deutschen Klassikerverlag werden erst später erscheinen), die Bestellung war schon raus. Egal, dann passt die Ausgabe gut in meine Sammlung “Gedichte in einem Band”… Na jedenfalls kann ich jetzt vieles von Hölderlin lesen und mir ein eigenes Bild machen.


    Luciens, Ullas und Wolfs Beiträge haben mich endgültig überzeugt, die Hölderlin-Lektüre endlich in Agriff zu nehmen. Noch diese Woche hole ich mein Buch von der Buchhandlung ab und freue mich schon darauf.


    Ich habe mir auch gleich noch ein Buch mit japanischen Dreizeilern (Haikus) bestellt und bin auch hier gespannt.


    Und da sage noch jemand, die Lyrik kann nicht begeistern!


    Selbst moderne Lyrik/moderne Gedichte (z.B. Durs Grünbein) hat/haben mich in ihrem Bann! Ich sollte das Thema hier mal etwas ausweiten. Später...


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo,


    es gibt ja eine ziemlich bekannte Biografie über Hölderlin von Peter Härtling (wurde hier vielleicht schon mal erwähnt?). Eigentlich ist das Buch zwischen Biografie und Roman angesiedelt, und deshalb, wie ich meine, als Einstieg in Zeit und Denken des Dichters gut geeignet. Ich las es mit Genuß und Gewinn.


    Gruß,
    Gitta


  • Hallo,


    es gibt ja eine ziemlich bekannte Biografie über Hölderlin von Peter Härtling (wurde hier vielleicht schon mal erwähnt?). Eigentlich ist das Buch zwischen Biografie und Roman angesiedelt, und deshalb, wie ich meine, als Einstieg in Zeit und Denken des Dichters gut geeignet. Ich las es mit Genuß und Gewinn.


    Gruß,
    Gitta



    Hallo zusammen,
    hallo Gitta,


    ich habe mich dem Hölderlin ebenfalls über die Romanbiographie von Peter Härtling genähert. Es ging mir sehr nahe, als ich seine Aussage las "Die Wirklichkeit hat mich krank gemacht".


    seine unsterbliche Liebe zu Susette Gontard, ihr Tod, von Hypochondrie zu beginnendem Wahnsinn, das lässt einen nicht unberührt.


    Peter Härtlings Art an eine Romanbiographie ranzugehen, mag vielleicht gewöhnungsbedürftig sein, zu anfangs hatte ich etwas Probleme damit, doch hat er sich einfühlsam in Zeit und Leben Hölderlin hineinversetzt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()


  • "Die Wirklichkeit hat mich krank gemacht".


    Hallo Maria,


    ist das ein belegtes Hölderlin-Zitat oder Härtlings dichterische Freiheit?


    Um das Buch von Peter Härtling bin ich auch schon herumgeschlichen, habe dann jedoch Stefan Zweig den Vorzug gegeben ("Der Kampf mit dem Dämon"; das erste Kapitel ist Hölderlin gewidmet).


    Gratulation übrigens, dass Du diesen alten Ordner wiederentdeckt und -belebt hast. Ich kannte ihn bislang noch nicht.


    Viele Grüße


    Tom


  • Hallo Tom,


    das tut mir jetzt leid. Sonst notier ich mir immer die Seitenzahl, wenn ich mir ein Zitat aus einem Buch schreibe, diesmal jedoch nicht und ich finde es nicht mehr. Vom Gefühl her, habe ich an ein Zitat aus einem Brief gedacht. Doch gibt es natürlich in der Romanbiographie keine Anhangverweise. Der Autor weist am Ende des Buches darauf hin, dass er vorallem Adolf Beck dankt für seine Edition und Kommentaren zu den Briefen Hölderlins.



    Um das Buch von Peter Härtling bin ich auch schon herumgeschlichen, habe dann jedoch Stefan Zweig den Vorzug gegeben ("Der Kampf mit dem Dämon"; das erste Kapitel ist Hölderlin gewidmet).


    Stefan Zweigs "Kampf mit dem Dämon" möchte ich auch noch lesen.
    Peter Härtling gibt dem Schwäbischen Dialekt viel Raum in seinem Buch. Für mich war das jetzt nicht schwierig zu folgen, da ich nahe der Schwäbischen Alb wohne.


    Hier gehts zu einem Spiegel Artikel über die Biographie von Pierre Bertaux über Hölderlin, der ja meint, dass Hölderlin seine geistige Umnachtung gespielt hat. Ich weiß nicht, kann man über Jahrzehnte solch ein Leben spielen? Ich denke, er hat sich tatsächlich in sein "Inneres" zurückgezogen.


    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40351152.html


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    Zitat von "JMaria"


    Sonst notier ich mir immer die Seitenzahl, wenn ich mir ein Zitat aus einem Buch schreibe, diesmal jedoch nicht und ich finde es nicht mehr.


    welche Ausgabe hast Du denn? Wenn sie 636 Seiten Umfang hat, dann steht das gesuchte Zitat auf S. 445, wie man bei Google-Books erfährt. :-) Ein originales Hölderlinzitat scheint das aber wohl nicht zu sein.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Auf die Schnelle finde ich das Zitat auch nicht; ich würde es in den Komplex um den "Hyperion" einordnen, dort finden sich, vor allem im zweiten Teil, ganz ähnliche Gedankengänge.
    Neben Härtling fand ich als Biografie noch hilfreich die von Pierre Bertaux und die Erzählungen von Stephan Hermlin, den man ja fast nicht mehr nennen darf, ohne verketzert zu werden. Gerhard Wolf hat zudem ein hübsches kleines Werk "Der arme Hölderlin" geschrieben, auch Marin Walser hat durchaus lesenwerte Aufsätze über Hölderlin geschrieben. Näheres auf Wunsch...

  • Hallo Wolf,
    hallo zusammen,


    Danke fürs Nachforschen. Die Ausgabe der Sammlung Luchterhand hat nur 399 Seiten. Aber zumindest kann ich nun erahnen, dass es im letzten Drittel zu finden sein müsste.
    Ein Originalzitat ist es vielleicht nicht, aber wie Scardanelli bereits erwähnt hat, ist Peter Härtlings Stil derart, dass er Aussagen aus Briefen, Gedichten und aus dem Hyperion in den Dialogen einflechtet. Ein Querverweis wäre echt nützlich gewesen.


    Scardanelli:
    auch Marin Walser hat durchaus lesenwerte Aufsätze über Hölderlin geschrieben


    dazu fällt mir "Hölderlin auf dem Dachboden" ein. Sollte ich nochmals raussuchen und lesen. Gibt es von Walser noch mehr?
    Deinem Tipp "Der arme Hölderlin" werde ich mal nachgehen. Danke.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • [...] die Biographie von Pierre Bertaux über Hölderlin, der ja meint, dass Hölderlin seine geistige Umnachtung gespielt hat. Ich weiß nicht, kann man über Jahrzehnte solch ein Leben spielen?


    Bertaux hat seinerzeit eine wahre Hölderlin-Renaissance ausgelöst, v.a. Hölderlins Spätwerk war unter den fortschrittlichen Germanisten ja plötzlich sehr en vogue ... Ich meine aber, dass heute seine Thesen nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen werden.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • 1. Ich denke allerdings, dass es möglich ist, "Verrücktheit" zu spielen - der Zeitraum spielt dabei keine Rolle -, wenn man sich aus verschiedenen persönlichen und politischen Gründen dazu entschlossen hat, sich aus der Welt zurückzuziehen und wenn man, wie Hölderlin durch den Meister im Turm das Angebot erhalten hat, dort zu leben...


    2. Martin Walser hat neben dem besagten "Hölderlin auf dem Dachboden" im selben Band "Liebeserklärungen" auch den Aufsatz "Hölderlin zu entsprechen" geschrieben.


    3. Erinnert sei auch an Arbeiten des Peter Szondi und an das Theaterstück von Peter Weiss...

  • Zitat von JMaria:

    Hier gehts zu einem Spiegel Artikel über die Biographie von Pierre Bertaux über Hölderlin, der ja meint, dass Hölderlin seine geistige Umnachtung gespielt hat. Ich weiß nicht, kann man über Jahrzehnte solch ein Leben spielen? Ich denke, er hat sich tatsächlich in sein "Inneres" zurückgezogen.


    Ich hab ja vor Kurzem diese Biografie gelesen - Bertaux geht es in erster Linie darum, zu beweisen, dass Hölderlin eben nicht geisteskrank war. Sein Versuch, das mehr oder weniger schlüssig nachzuweisen, ergeht sich aber ebenfalls, wie diejenigen, die er anprangert, in Spekulationen. Natürlich wird ein endgültiger Nachweis nicht gelingen, zumindest regt aber Bertaux zum Nachdenken an. Laut Bertaux war Hölderlin nach der Depression und den Schuldgefühlen, die Hölderlin gegenüber Suzette Gontard aber auch gegenüber seiner Mutter hatte, deren Ansprüchen er nie genügte, einfach des Lebens überdrüssig und hatte wohl auch keine Lust mehr, daran im "normalen" Sinne teilzunehmen. In der langen Zeit im Turm haben ihn ja neben seiner Mutter auch alle seine Freunde aufgegeben, was ein sehr trauriges Kapitel ist.


    Gruß von Steffi

  • Auf Hölderlin stieß ich zufällig sehr früh. Ohne ihn natürlich mit 10, 11 Jahren zusammenhängend zu lesen und wirklich verstehen zu können, zogen mich schon damals einige zufällig ausgewählte Bruchstücke aus dem "Hyperion" und einige Verse vom Sprachklang her befremdlich an.
    Seitdem wurde Friedrich Hölderlin für mich eine feste Größe, die ich fortan nie mehr vergaß. So las ich beispielsweise mit 17 / 18 den Hölderlin-Essay Norbert von Hellingraths in der von Oskar Loerke herausgegebenen Essaysammlung "Deutscher Geist". So freute ich mich mit 19 darüber, feststellen zu können, dass auch der junge Nietzsche mit etwa 15, 16 Jahren Hölderlin für sich entdeckt hatte. Mit 20 wurde dann "Der gefesselte Strom" mein Lieblingsgedicht, das ich seitdem auswendig kann und zu unterschiedlichen Lebenszeitpunkten, es mir innerlich vorsagend, neu verstehen lernte.
    Nebenbei: Dass auch eine ganze Reihe von Komponisten von Brahms bis Nono in ihrer eigenen Musik - und auch französischsprachige Lyriker wie Philippe Jaccottet (als Übersetzer des "Hyperion") - Hölderlin für sich entdeckt haben, freut mich übrigens besonders.


    Ein kleines dilettantisches gedichtähnliches Gebilde von mir selber, das vor 15 Jahren spontan entstand, verrät etwas von meiner Auch-Vorliebe für Hölderlin. Es sei daher hier mitgeteilt:


    K a u m


    Als ich vierzehn war
    sagte mein Vater
    er habe Furcht
    ich hätte kein Gefühl
    da ich
    außer Balladen
    erkennbar
    kaum Gedichte mochte.


    Als ich achtzehn war
    bedeuteten mir Trakls
    Schwermut und Sprachklang
    viel
    und Hölderlins
    heilige Nüchternheit
    kaum weniger.


    Als ich zwanzig war
    drängte ich mich
    selber verwegen ins Gedicht
    und verstummte
    kaum ehe ich begann.


    Heute mit fünfzig und mehr
    f i n d e ich noch immer -
    Gesuchtes
    und Ungesuchtes.



    GFL, 2. 6. 1994