März 2002: Thomas Mann - Joseph und seine Brüder

  • 1. Die Geschichten Jaakobs
    2. Der junge Joseph
    3. Joseph in Ägypten
    4. Joseph der Ernährer


    Joseph und seine Brüder


    Kindlers neues Literaturlexikon


    Vierteiliger Romanzyklus von Thomas Mann, entstanden in den Jahren 1926-1942, erschienen 1948 in einer dreibändigen Gesamtausgabe, der die Einzelbände Die Geschichten Jaakobs (1933), Der junge Joseph (1934), Joseph in Ägypten (1936) und Joseph, der Ernährer (1943) vorausgegangen waren. - Die lange Entstehungszeit des voluminösen Werks, das der Autor in einem späteren Vortrag (Joseph und seine Brüder; 17. 11. 1942) als »verschämte Menschheitsdichtung« bezeichnet hat, erklärt sich nicht allein aus den zeitraubenden Unterbrechungen, die sein Emigrantenschicksal - der größere Teil des dritten Bandes entstand 1933-1936 in der Schweiz, der vierte 1940-1942 in Amerika - ihm aufnötigte und die andere Arbeiten, wie etwa der zwischen den dritten und vierten Teil eingeschobene Goethe-Roman Lotte in Weimar (1939), noch vergrößerten, sondern auch aus der nach der Beendigung des Zauberbergs (1924) sich immer deutlicher herausbildenden umfassenden Intention, den Schritt vom »Bürgerlich-Individuellen zum Mythisch-Typischen« zu tun, jene »Brunnentiefe der Zeiten« auszuloten, »wo der Mythus zu Hause ist und die Urnormen, Urformen des Lebens gründet« (Freud und die Zukunft, 1936) - kurz, eine Psychologie des mythischen Bewußtseins zu liefern, in dem das principium individuationis noch durch kollektive, archaische Verhaltensmuster bestimmt und dirigiert wird. Dieser Absicht bot sich die biblische Josephslegende des ersten Buchs der Genesis (vor allem Kap. 27-50) nicht zuletzt deshalb an, weil der Autor eine von Goethe empfangene Anregung seit langem produktiv aufzugreifen gedachte: »Höchst liebenswürdig ist diese natürliche Geschichte i. e. die Josephslegende : nur erscheint sie zu kurz, und man fühlt sich versucht, sie in allen Einzelheiten auszuführen« (Dichtung und Wahrheit). Thomas Manns Bemühungen um eine aktualisierende Vergegenwärtigung mythologischen Stoffs, nicht nur des biblisch-palästinensischen, sondern auch des ägyptischen, phönizischen, hellenischen und assyrisch-babylonischen Raums, stützten sich zunächst auf den reinen Bibeltext, bezogen aber im Fortgang des Werks zahllose weitere alttestamentliche Quellen wie das Buch der Jubiläen und ältere Midrasch- und Sagenliteratur ein. Die ersten beiden Bände beschreiben - nach einem essayartigen Einleitungskapitel (Höllenfahrt), das den »Brunnen der Vergangenheit« perspektivisch immer weiter vertieft, immer größere »Vergangenheitsstrecken« durchmißt bis zu jenem von gnostischen Schöpfungsmythen umwobenen »Paradies im Osten«, dem Garten Eden, demgegenüber Josephs Epoche bereits als Spätzeit erscheinen mußte - in einem großangelegten Rückgriff die Lebensgeschichte Jaakobs, seinen Segensbetrug an Esau, seine Flucht und Demütigung durch dessen Sohn Eliphas, seine »Haupterhebung« und die Zeit seiner Verbannung bei Laban im Land Aram Nahareim, dem er vierzehn Jahre um seine Tochter Rahel diente, die Brautvertauschung mit deren ungeliebter Schwester Lea, die ihm jedoch seinen Erstgeborenen - Ruben - schenkt, während Rahel lange unfruchtbar bleibt, bevor sie ihm Joseph, den »rechtmäßigen Sohn«, gebiert, seine Lösung aus den Diensten Labans, Rückkehr und Aussöhnung mit Esau, endlich die Jugend Josephs im Weidelager seines Vaters bei Hebron und seine Konflikte mit den älteren Brüdern, die ihn, aufgrund der ungerechtfertigten Bevorzugung durch den Vater, in einem Brunnenschacht aussetzen, aus dem ihn wandernde Ismaeliter befreien und nach Ägypten bringen. Die letzten beiden Bände stellen der patriarchalischen Hirtenwelt der »Erzväter« und ihrer »Gottessorge« und dem von Abraham »entdeckten« und »hervorgedachten« »Einen und Höchsten« das zivilisatorisch fortgeschrittene, kosmopolitisch-aufgeklärte Milieu des oberen Niltals mit seinem bunten Götterhimmel entgegen, wobei der Autor Josephs Auftreten in Ägypten - im Widerspruch zu einem Teil der Forschung, die einen früheren Zeitpunkt annimmt - auf das Ende der 18. Dynastie, in die Regentschaft Amenhoteps III. (1411-1375) und Amenhoteps IV. (1375-1352) verlegt und damit das »Irgendwann« und »Einst« der dem »Zeitenstrom« weitgehend entzogenen mittelmeerisch-semitischen Mythenwelt in klareren, historisch bereits umrißhaft greifbaren Bezügen aufhebt. Ihren - schematisch-verkürzten - Inhalt bilden zunächst Josephs Sklavendienst im Hause Peteprês (Potiphars), eines Groß-Eunuchen des Pharao, zu dessen Hausverwalter er aufsteigt, und seine Versuchung durch Peteprês Gattin Mut-em-enet - eine Episode, welcher der Autor den buhlerisch-bündigen Charakter des Genesis-Textes zwar nicht nimmt, die er aber in einer ungleich feinfühliger motivierten Dimension ansiedelt: Mut-em-enet, Vertreterin des ägyptischen Hochadels und jungfräuliche »Mondnonne« des Staatsgottes Amun-Rê, wird, in einer zeremoniell aufrechterhaltenen Ehe lebend, sich ihrer lange verdrängten Sexualität angesichts Josephs männlicher Schönheit schmerzhaft bewußt (Freuds Trieblehre, ebenso wie seine Theorie der Bewußtseinsschichtung in Das Ich und das Es (1923) und Totem und Tabu (1913), hat bedeutenden und nachhaltigen Einfluß gerade auf die Josephs-Tetralogie ausgeübt). Es folgen Josephs Bestrafung und erneute »Fahrt in die Grube« (d. h. das Inselgefängnis Zawi-Rê), seine Erhöhung zum Traumdeuter des Pharao, dessen Gunst er mit seiner Auslegung des Traums von den sieben festen und den sieben mageren Kühen als Zeiten des Überflusses und der Dürre in dem Maß gewinnt, daß ihm als »Wirtschaftsminister« die Getreideversorgung des gesamten Reichs übertragen wird und er den Beinamen des »Ernährers« erhält, schließlich die Wiederbegegnung mit seinen Brüdern und Jaakob, der Zug der gesamten Familie nach Ägypten und Jaakobs Tod. Dieses bekannte biblisch-legendäre Handlungsschema wird von Thomas Mann nicht nur im Sinn einer illusionistischen Fabulierlust romanhaft-fiktiv erweitert und aufgefüllt, sondern darüber hinaus mit textkritischen und essayistischen, religionshistorischen, mythenvergleichenden, soziologischen und kommentierend-analytischen Einschüben durchsetzt und verklammert, so daß die Geschichte »gleichsam Selbstbesinnung gewinnt und sich erinnert, wie es denn eigentlich im Genauen und Wirklichen mit ihr gewesen, also, daß sie zugleich quillt und sich erörtert«. Dabei bedingen gerade die versuchte Exaktheit und der wissenschaftlich-zünftige »Schein« die humoristisch-ironische Grundhaltung, »denn das Wissenschaftliche, angewandt auf das ganz Unwissenschaftliche und Märchenhafte, ist pure Ironie«. Die »Zusammenziehungen, Verwechselungen und Durchblickstäuschungen«, welche die Höllenfahrt des Einleitungskapitels als für das mythische Bewußtsein charakteristische Verhaltensweise angesichts eines »stilleren, stummeren, gleicheren Zeitgebreites« mit langsamerem Entwicklungsgefälle beschreibt - so hält Joseph in »träumerischer Ungenauigkeit« Abraham für seinen Urgroßvater, ohne zu bemerken, daß eine Zeitspanne von wenigstens zwanzig Generationen ihn von Abraham trennen muß -, lassen ein personales Bewußtsein sich entfalten, das gleichsam »nach hinten, ins Frühere« offensteht, weniger fest umrissen ist als das der »Individualität«, der »Persönlichkeit« späterer Jahrhunderte und unmerklich archaisch-urtümliche, vorgeprägte Handlungskonstellationen wiederaufnimmt und sich imitierend mit ihnen identifiziert. Die chronologische Zeit hebt sich auf »im Geheimnis der Vertauschung von Überlieferung und Prophezeiung, welche dem Worte ›Einst‹ seinen Doppelsinn von Vergangenheit und Zukunft und seine Ladung potentieller Gegenwart verleiht«. So waltet etwa in der Austeilung des Abrahamssegens ein mythischer Wiederholungszwang, der, bei zwei Brüdern oder Gruppen von Brüdern, den Segen immer auf die »Sanften und Klugen«, die Hirten (wie Isaak und Jaakob), im Gegensatz zu den Streifenden und Jägern (wie Esau) lenkte. Dieser Wiederholungszwang bildet eine »zeitlose und über-individuelle Zusammenfassung des Typus« heraus und war schon ebenso bei Kain und Abel wirksam, wie er auch Parallelen in ägyptischen und sumerisch-akkadischen Mythen (zu Seth und Osiris, vgl. Horus und Seth; zu Tammuz: Inannas (Istars) Gang zur Unterwelt) findet: Seth ermordet seinen Bruder und zerstückelt die Leiche des Osiris, der darauf König des Totenreichs wird; Tammuz wird - stellvertretend - von dem Eber Ninib zerrissen, stirbt und steigt als Bringer einer neuen Zeit und Religion aus der Erde empor (auch hier hat Thomas Mann die Überlieferung frei gestaltet). Den mythischen Konstellationen gesellt sich das Motiv des Kreislaufs, der Vertauschbarkeit »irdischer« und »himmlischer« Geschicke zu: »Die Sphäre rollt: das liegt in der Natur der Sphäre. Oben ist bald Unten und Unten Oben, wenn man bei solcher Sachlage von Unten und Oben überall sprechen mag. Nicht allein, daß Himmlisches und Irdisches sich ineinander wiedererkennen, sondern es wandelt sich auch, kraft der sphärischen Drehung, das Himmlische ins Irdische, das Irdische ins Himmlische, und daraus erhellt, daraus ergibt sich die Wahrheit, daß Götter Menschen, Menschen dagegen wieder Götter werden können.« - Josephs Geschichte scheint zunächst ebenso unter mythischen Wiederholungszwang zu stehen: Der schöne Knabe, um den bereits der Vater ein »Scheinen von Klarheit, Lieblichkeit, Ebenmaß, Sympathie und Gottesannehmlichkeit« zu bemerken glaubt, lenkt in narzißtischer Selbstverliebtheit den Zorn seiner Brüder auf sich, als er sich dem »Erwähltheitstypus« der Sanften und Klugen halb schauspielerisch-bewußt, halb instinktiv anähnelt: »Das ist aber der Vorteil der späten Tage, daß wir die Kreisläufe schon kennen, in denen die Welt abläuft, und die Geschichten, in denen sie sich zuträgt und die die Väter begründeten.« So empfindet er seinen Sturz in die Brunnengrube (das Unterweltsmotiv des zerrissenen und zerstückelten Gottes) als direkte Analogie zum osirischen Göttermythus, so bemüht er sich in Ägypten, seinem »Totenreich«, zunächst, der »erste der Unteren« zu werden, in der Hoffnung auf eine Auferstehungszukunft, die ihm erlaubt, seine versöhnte Familie nachkommen zu lassen. »Das zitathafte Leben, das Leben im Mythus, ist eine Art von Zelebration: insofern es Vergegenwärtigung ist, wird es zur feierlichen Handlung, zum Vollzuge eines Vorgeschriebenen durch einen Zelebranten, zum Begängnis, zum Feste« (Freud und die Zukunft, 1936). Indem sich jedoch Joseph seiner »zitierenden« Identifikationen bewußt wird und den Sinn seiner »Geschichte« erkennt und damit überschreitet, ereignet sich das, was Thomas Mann die »Geburt des Ich aus dem mythischen Kollektiv« nennt, die den langen Prozeß menschlicher »Selbstverständigung« und Emanzipation einleitet. Auf diesen Prozeß der Bewußtwerdung bezieht sich auch eine Formulierung des Autors in seinem über zwanzig Jahre sich erstreckenden Briefwechsel mit dem Altphilologen und Mythenforscher Karl Kerenyi, der - seit 1934 - mehr als die Häfte der Entstehungszeit der Josephstetralogie kritisch begleitet: »Man muß dem intellectuellen Fascismus den Mythos wegnehmen und ihn ins Humane umfunktionieren. Ich tue längst nichts anderes mehr« (14. 11. 1941). Josephs Bewußtwerdung, in deren Verlauf er sich von der mythischen Rollenidentifikation löst, setzt ein mit seinem zweiten »Fall«: Seine Geschichte »kommt auf die Erde«, wird konkrete Menschengeschichte, in der sich die Gegensätze von Oben und Unten so durchdringen, daß Joseph, der »Herr über Ägyptenland«, und sein vorausschauendes, quasi bürgerlich-rationalistisches Wirtschaftssystem der Vorratsanhäufung und der Landbesitzverteilung durchaus »als schelmisch und als Manifestation einer verschlagenen Mittlergottheit« empfunden wird. Sein Weg zur männlichen Reife entläßt ihn nicht als »Gotteshelden«, als »Boten geistlichen Heils«, sondern als »Volkswirt«, als Verfechter einer »einfachen, praktischen Sache« - symbolischer Ausdruck eines Menschentums, das den das Frühwerk Thomas Manns beherrschenden Antagonismus von Natur (Leben) und Geist - wie die Goethe-Gestalt des Autors in Lotte in Weimar - aufhebt und gesegnet ist mit »Segen oben vom Himmel herab und mit Segen von der Tiefe, die unten liegt«. Und mit Josephs Lösung aus der mythischen Imitatio, an der das virtuos geknüpfte Motivgeflecht des gesamten Werks mit seiner weitausgreifenden Einbeziehung alttestamentarisch-orientalischer Mythologie suggestiv mitwirkt, wird auch das Schema der Segensausteilung an die Sanften zugunsten des schweifenden »Edom«-Typus durchbrochen: Juda wird zum Segenserben erwählt und Joseph sogar gänzlich übergangen, weil er - Jaakobs später Einsicht entsprechend -, das eigenwillig sich absondernde »verpflanzte Reis« des Stammes Israel, den Gehorsam gegen Gott vergaß und wohl »weltlichen Segen«, nicht aber geistlichen sich erwarb. Hans-Horst Henschen

  • Hallo zusammen
    ich denke dann ziehen wir auch gleich mit unserem Lesestoff hierher
    Für alle die es noch nicht mitbekommen haben, wir lesen die Tetralogie "Joseph und seine Brüder".
    Band 1 (Die Geschichte Jaakobs) und Band 2 (Der junge Joseph) haben wir bereits durch (siehe das alte Klassikerforum).


    Im Moment sind wir im 3. Band 'Joseph in Ägypten'


    Hier das letzte Posting von Ikarus, dann kann es weitergehen:


    Hallo JMaria


    Ich bin im 4. Hauptstück und komme zum Kapitel "Der Auftrag".


    In dieser Ägypten-HP habe ich mich auch schon verloren. Ich finde die wirklich schön gemacht und sehr informativ.
    "Kemet" hatte ich noch nicht nachgeschaut (danke, daß Du die Erlärung hier gepostet hast), aber etwas anderes interessantes gefunden. Thomas Mann weist oft auf schlechte Zähne bei den Ägyptern hin (das hat mich irgendwie an die Buddenbrooks erinnert *g*) und das muß wirklich auch so gewesen sein. Es lag am Brot und am Bier:


    "Weil die alten Ägypter die Körner zwischen flachen Steinscheiben mahlten, war das Brot noch mit feinen Steinpartikeln versehen. Durch diese kleinen Partikel und dem Wüstensand, der sich in Ägypten kaum vermeiden ließ, wurden die Zähne der alten Ägypter regelrecht abgeschmirgelt."


    "Bier bestand nach dem Untersuchen der dort gefunden Reste hauptsächlich aus Emmerweizen, Koriander und Wacholder und hatte ungefähr 6 % Alkoholanteil. Um es lange haltbar zu machen, wurde es mit Dattelsaft gesüßt, was das Bier natürlich besonders zuckerhaltig machte. Karies war eine weit verbreitete Krankheit im alten Ägypten."


    Ich als Katzen-Narr hätte mich in dieser "Katzenstadt" wahrscheinlich wohlgefühlt Aber die Geruchsmischung aus Baldrian und Katzenexkrementen dürfte schon gewöhnungsbedürftig gewesen sein.


    Ich habe mich manchmal gefragt, zu welcher Zeit Thomas Mann diese Geschichte eigentlich spielen läßt. Dazu habe ich in den "Reden und Aufsätzen" gestöbert und bin auch fündig geworden. In einer Vorrede zu einer Lesung in Wien 1928 sagte Thomas Mann:
    "Ich setze die Lebensgeschichte Josephs...um 1400 vor Christo an... - woraus sich ergibt, daß Joseph nicht >wirklich< der Urenkel des Mannes ist, der zuerst von dem mesopotamischen Charran aus das Westland erwanderte; denn Abraham lebte sechshundert Jahre früher..."


    Viele Grüße
    ikarus


    Hallo Ikarus
    ich bin auch ein Katzenfreund und kann selbst 3 'Hausbesetzer' wie sie mein Mann liebevoll nennt, mein eigen nennen *ggg*.


    Ich komme nun zum 3. Hauptstück 'Die Ankunft'


    Gruß Maria

  • Hallo JMaria


    Schön von Dir, daß Du den Umzug ins neue Forum gleich bewerkstelligt hast. Ist ganz in meinem Sinn.
    Ich merke, daß ich mal wieder ziemlich vorausgeeilt bin, aber du weißt ja - von Thomas Mann kann ich mich immer nur sehr schwer trennen.
    Ich werde mich aber bemühen, etwas langsamer zu lesen.
    Auf ein Kapitel möchte ich Dich aber aufmerksam machen: "Huij und Tuij". Da kommt Manns Humor mal wieder so richtig zur Geltung. Du wirst begeistert sein. Allein die Kosenamen...


    Daß Dein Mann eure Stubentiger als "Hausbesetzer" bezeichnet ist ja richtig geschmeichelt. Der richtigere Begriff, den ich immer verwende, ist meiner Erfahrung nach "Haustyrannen". Mich haben meine beiden jedenfalls schon ganz schön erzogen


    Viele Grüße
    ikarus

  • Hallo Ikarus


    'Haustyrannen' trifft auch zu ))) Hier noch ein kleiner Gedanke der mir kam: ich habe ja im alten Forum doch diesen schönen Abendgruß gepostet:


    Lebe wohl... Möge die Nacht dich in sanften Armen wiegen und dein Haupt entschlimmern an ihrer Brust, friedesüß, wie dein Kinderhaupt einst am Herzen der Mutter.


    und der Alte preist ja Joseph als die 7.Sache an, die er verkaufen möchte (Thomas Mann hat es wirklich mit der Zahl 7 *gg*) und sagt, daß er 360 verschiedene Abendgrüße weiß. Als Kostprobe sagt Joseph zu Mont-kaw:


    Ruhe sanft...nach des Tages Muhsal! Mögen deine Sohlen, die versengt sind von der Glut seines Pfades, selig hinwandeln auf den Moosen des Friedens und deine ermattete Zunge geletzt werden von den murmelnden Quellen der Nacht!


    Na, wir sagen 365x im Jahr doch immer das gleiche einfache 'Gute Nacht', stell dir vor wir müssten uns für jeden Tag etwas einfallen lassen Zur Zeit kommt im Radio SWF 1 oder 2 ein Bericht über das Wort 'Danke'. Wir haben nur ein Wort um unseren Dank auszusprechen, aber es gibt Völker/Stämme da wird das viel blumiger und gestenreicher ausgesprochen. Das erinnerte mich an Joseph's Abendgrüsse. Irgendwie hat der Radiobericht bei mir eine Gedankenbrücke zu Joseph geschlagen und wollte es dir kurz mitteilen Ich komme gerade recht langsam voran, noch ein Kapitel dann starte ich das 4. Hauptstück.


    Gruß Maria

  • Hallo JMaria


    Die orientalischen Sprachen sind, glaube ich, sowieso sehr viel "blumiger" als die abendländischen und auch das Geschichten-Erzählen hat im Orient eine große Tradition. Vielleicht sind die Menschen dort einfach phantasiebegabter. Mir würden auch keine 360 verschiedenen Gute-Nacht-Wünsche einfallen. Aber ich bin mir sicher: Thomas Mann wären sie eingefallen. Er hat diesen ausschweifenden Erzählton wirklich sehr gut getroffen. Ein schönes Kapitel in dieser Hinsicht fand ich auch "Joseph redet vor Potiphar".


    Das war sicher ein interessanter Bericht über das Wort "Danke". Und daß Du den Bogen zum Joseph-Roman geschlagen hast, zeigt mir, daß Dich das Buch sowenig los läßt wie mich.
    Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, spiele ich oft erstmal eine halbe Stunde am PC, um abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen. Bisher habe ich immer "Cäsar 3" gespielt. Das ist eine Städtebau-Simulation in der römische Städte errichtet und verwaltet werden müssen. Aber seit Joseph in Ägypten ist habe ich mir "Pharao" installiert und errichte jetzt ägyptische Städte


    In letzter Zeit bin auch kaum zum Lesen gekommen. Heute werde ich aber mit dem 5. Hauptstück beginnen.


    Viele Grüße
    ikarus

  • Hallo Ikarus
    auch ich bin in den letzten Tagen weniger zum Lesen gekommen, obwohl ich nun schon im 5. Hauptstück bin, Kapitel: Beknechons


    Man sollte sich immer notieren, wenn einem was auf- oder einfällt. Diesmal hab ich es versäumt und nun sind mir einige Gedanken abhanden gekommen. *grummel*.


    Ich habe mich für Joseph gefreut, daß er mit Leichtigkeit eine wichtige Stellung bei Potiphar bekommen hat. Typisch, oder auch nicht, da ja der Segen Gottes bei ihm ist, so seine feste Überzeugung.


    Der garstige Zwerg, oder wie Joseph in nennt, 'Heinzel', hat nun die Aufmerksamkeit der Frau Potiphar auf Joseph gelenkt. Er hat einen Keim des Mißtrauens gesetzt, in dem er ihr einflüsterte, daß dieser Joseph, ein Empörling ist und nichts in einem ägyptischen Hause zu suchen hat, er solle Felddienst leisten. Ganz schön frech, der Kleine.


    Joseph hat ja intensiv versucht niemanden auf die Füße zu treten und hat so nach und nach die Hausgemeinschaft für sich eingenommen und dafür gesorgt, daß mancher Angestellter einen besseren Job bekommt.


    Aber das alles hat bei 'Dudu' nicht bewirkt.


    Mit PC-Spiele kenn ich mich nicht sehr gut aus. Außer Moorhuhnschiessen ist mir nichts näher bekannt. Aber dein Pharao hört sich gut an, würde mir wahrscheinlich auch Spaß machen


    Ich wünsche dir schöne Feiertage.


    Gruß Maria

  • Hallo JMaria


    Nachdem der Lesefluß bei mir auch etwas ins stocken geraten war, komme ich jetzt wieder ganz gut voran und bin mittlerweile im 6. Hauptstück, Kapitel "Die Gatten".


    Dieser Dudu ist wirklich der reinste Giftzwerg und versucht unserem Joseph das Leben schwer zu machen. Bis jetzt gelingt es ihm noch nicht so recht, das wird aber noch kommen.


    Die Rede Josephs an Mont-Kaws Sterbebett hat mich sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht. Ich würde mir wünschen, daß auch bei meinem Sterben jemand so zu mir redet und mich begleitet.


    Viele Grüße
    ikarus

  • Hallo Ikarus


    Hier ein paar Gedanken zu den weiteren Kapitel im 3. Buch. Es ist einiges zusammengekommen:


    Du schriebst einmal, dass mir das Kapitel Huij und Tuij gefallen wird und natürlich hattest du recht


    ein blumiger, liebevoller Stil den ich zu würdigen weiß. Eigentlich wollte ich noch, für mich persönlich die ganzen Kosenamen herausschreiben, mit denen sie sich benannten in diesem einmaligen Gattengespräch. Bin aber dann doch nicht dazugekommen. Hier aber mal eine kleine Auswahl:


    meine Rohrdommel - meine Erdmaus - mein Dotterblümchen - mein Fröschen - mein Sumpfbiber


    aber beeindruckend war genauso ihre ernsten Themen. Sie hatten sich eine Menge zu sagen, wo findet man das heute noch? Ein gutes Beispiel, dass man die Kommunikation in der Ehe nicht einschlafen lässt von den Kosenamen ganz zu schweigen


    Dann hab ich schon in einem Beitrag geschrieben, dass Joseph in sich gewachsen und reifer geworden ist. Sehr schön zu lesen auch im Kapitel als Mont-kaw starb. Wie einsam ist heute doch das moderne sterben. Du hast ganz recht in deinem letzten Beitrag.


    Doch seit er Muts Aufmerksamkeit hat, macht es ihm Spaß mit dem Feuer zu spielen. Der alte Joseph, der die Eifersucht seiner Brüder reizte, kommt wieder zum Vorschein.
    Was meinst du?


    Die Kapitel im 6. Hauptstück: Das erste Jahr ; Das zweite Jahr; Josephs Keuschheit; ist m. E. ein Höhepunkt in der Erzählkunst Thomas Manns.


    Was mich überraschte, war dass Thomas Mann hier kein Vorurteil, oder eine Schuldzuweisung dem Leser vermittelt. Im Gegenteil er versucht sogar die Bewegunggründe Potiphars Frau uns näher zu bringen, Verständnis für sie auf zubringen.


    Sie wird von Potiphar wie ein Kind behandelt. Siehe das Gespräch Die Gatten. Erst vermutete Potiphar, dass sie seine Ruhezeit stört mit Banalitäten, dann fühlt er sich so erhaben, dass er sich sogar wünscht, dass er ihr einen Wunsch erfüllen kann. Widerspricht sie ihm ist er pikiert. Er hört ihr gar nicht richtig zu. Schlimm.
    Am vergisst ganz, daß sie älter als Joseph ist, der zu diesem Zeitpunkt bereits 24 Jahre alt war, als ihre Leidenschaft erwachte, an dem Dudu mit seiner Lügerei einen erheblichen Anteil an Schuld hat. Dudu bekommt ja im Buch einige unschöne Spitznamen, aber am besten war phallischer Däumling in seiner Rolle als (hinterhältiger) Liebesbote. *ggg*


    Ihr bestreben Joseph zu gefallen war schon sehr kindlich. Man merkt, dass sie noch nie solche Gefühle gehabt hat und nun nicht damit umgehen kann. Als sie sich in der Tracht seiner Gegend kleidete um seiner Mutter zu ähneln, hat sie nicht den Erfolg den sie sich wünschte.
    Ich verspürte Mitleid mit der Frau.


    Joseph dagegen hat sie zum erstenmal als Frau, als Herrin beachtet und mit ihr Wirtschaftsfragen besprochen, zu anfangs war sie total verschreckt und wollte am liebsten weglaufen. So arg war es ihr, weil sie spürte, sie verstand nichts davon.
    Ich könnte mir vorstellen, dass sie in den 3 Jahren in denen sie Joseph mit einbezog viel gelernt hat. Aber die Leidenschaft überschattete alles. Schade.


    Ich musste lachen als sie den Lendenschurz von Joseph wollte. Ich wurde aus dem Kapitel nicht ganz schlau - der 1. Angriff auf seine Tugend? *gg*


    Sieben Gründe nennt Thomas Mann, warum Joseph nicht mit Mut Ehebruch begehen kann. Ich wäre höchstens auf 2 gekommen. Es ist für mich immer wieder faszinierend, wie Thomas Mann psychologisch bis ins kleinste Detail geht.


    auf der letzten Seite des Kapitels Josephs Keuschheit, beantwortet Mann die Frage, die ich mich während des Lesens immer wieder gestellt habe:


    Text aus dem Buch:
    Aber warum wagte er sich denn so weit vor? Warum setzte er sic hhinweg über die wispernden Warnungen des reinen Freundchens, das die Grube schon für ihn klaffen sah, und hielt Gemeinschaft mit dem phallischen Däumling, der betörende Kuppelrede vor ihm hinschüttete aus dem Seitenbeutel? Mit einem Wort, warum mied er bei alledem die Herrin nicht lieber, sondern ließ es kommen mit ihm und ihr, wohin es bekanntlich kam?


    Ja, das war Liebäugelei mit der Welt und Neugierssympathie mit dem Verbotenen; es war dazu eine gewisse Gedankenverfallenheit an seinen Todesnamen und an den göttlichen Zustand, den er in sich begriff; es war auch etwas von selbstsicherem Übermut, die Zuversicht, er könne es weit treiben mit der Gefahr....;


    Erkennst du hier auch das ähnliche Verhalten, wie im 2. Buch Der junge Joseph als er heimlich das Hochzeitsgewand seiner Mutter einpackt um seine Brüder damit zu überraschen, obwohl er wusste, dass das die Eifersucht noch mehrte. Er treibt es immer bis zum äußersten.


    Nun komme ich zum 7. Hauptstück: Die Grube


    Wie weit bist du?
    Gruß Maria

  • Hallo JMaria


    Ich bin gerade erst auch mit dem 6. Hauptstück fertig geworden. Die 3 von Dir genannten Kapitel sind auch für mich erzählerische Höhepunkte des Buches.


    Du hast Dir wieder viele gute Gedanken gemacht. Auch ich habe mich oft gefragt, warum sich Joseph wieder auf so ein Spiel mit dem Feuer einläßt, weil er es ja eigentlich besser wissen müßte. Daß uns darauf Thomas Mann zum Schluß noch eine Antwort gibt, hat mich etwas überrascht.


    Die Ausgewogenheit in der Beschreibung der Charaktere ist mir auch aufgefallen, aber das hatte ich in den anderen Büchern, vor allem in den "Buddenbrooks", schon bemerkt. Schwarz-Weiß-Malerei ist nicht Sache Thomas Manns. Auch vordergründig unsympathische Figuren sind einem doch auch auf eine gewisse Art sympathisch (und umgekehrt).


    Über den "phallischen Däumling" habe ich auch lachen müssen. Unter allen Bezeichnungen für Dudu wirklich die Beste.


    Am Besten hat mir allerdings die Einführung des Kapitels "Das erste Jahr" gefallen. Vom "Dürfen" und "Müssen" der Verliebten. Besonders der grandiose Satz über Mut:


    "Aber viel, ja alles hat die Vermutung für sich, daß dieses Antlitz in der Verborgenheit vor Freude strahlte, weil sie den Erwecker auch weiterhin würde dürfen sehen müssen und ihn nicht würde müssen vergessen dürfen."


    Das hat Thomas Mann sehr gut analysiert und wer jemals verliebt war, wird dem wohl vorbehaltlos zustimmen müssen.


    In den nächsten 10 Tagen werde ich nichts von mir hören lassen können, da Urlaub ansteht und die Toskana ruft
    Aber der "Joseph" kommt natürlich mit


    Viele Grüße
    ikarus

  • OFF TOPIC


    Hallo Ikarus


    Toskana - che bello!
    dann wünsch ich dir einen schönen Urlaub.


    Buon Viaggio!


    A pui tardi
    Maria

  • Hallo Ikarus


    hast du dieses Kapitel (Vorspiel in Oberen Rängen) verstanden? Also ich mußte es 2x lesen um einen gewissen Einblick zu verstehen, aber trotzdem bleibt mir diese Einführung in ihrer Erklärung irgendwie verborgen.


    Ich weiß nicht so recht, warum sich T.M. so einführt. Er läßt hier Semael sprechen, aber auch nur teilweise. Es ist verwirrend *grübel*


    Semael = nach jud. Sage Satan - soviel ist mir klar.


    Nach der jüdischen Sage weigerte sich Semael sich vor den Menschen niederzufallen, da sie nur aus Staub und Erde (Adama) gemacht sind.


    Diese Sage greift Thomas Mann auf:


    ...Wir wollen den Menschen schaffen, - ein Bild der Engel und doch fruchtbar!...


    Absurd. Mehr als überflüssig, nämlich abwegig, schrullenhaft und von reue und Bitternis trächtig. Wir waren nicht fruchtbar, allerdings nicht. Wir waren Kämmerer des Lichtes und stille Höflinge allzumal, und die Geschichte von unserem einstmaligen Eingehen zu den Töchtern der Menschen war haltloser Weltenklatsch...


    Bezweifelt T.M. hier die Geschichte die sich vor der Sintflut abspielte, als Dämonenengel sich mit den Frauen der Erde zusammentaten und sie gewalttätige Riesen gebärten?


    Trotzallem wollte anscheinend Semael, daß der Mensch erschaffen wurde, damit er ein Geschöpf hatte, das er die Bosheit einpflanzen konnte, die Versuchung.


    Was für Gedanken bringt T. M. nur in dieses Vorwort. Mir schwirrt der Kopf nur so.


    Im Mittelalter hätte die Kirche T. M. vermutlich als Ketzer verbrannt:


    War das nicht ein Witz zum Kichern? Genau das Geschöpf, welches, wenn man wollte, dem Schöpfer am allerähnlichsten war, brachte das Böse mit sich. Gott schuf sich darin, auf Semaels Rat, einen Spiegel, der nicht schmeichelhaft war, nichts weniger als das, und den ER dann auch mehrfach vor Ärger und Verlegenheit kurz und klein zu schlagen sich angeschickt hatte, ohne doch dabei bis zum Letzten zu gehen - vielleicht, weil ER es nicht über sich gewann, das einmal Aufgerufene wieder ins Nichtsein zu senken...


    Interessante Gedanken gibt es auch zu Kain. Ich habe mich früher auch oft gefragt, warum er nicht von Gott zu Tode gebracht wurde, wegen diesem Brudermord. Die späteren Gesetze der Israeliten waren darin sehr streng, dafür gab es die Todesstrafe. Nicht so bei Kain.


    Denn Kain hatte geantwortet: Allerdings habe ich meinen Bruder erschlagen, es ist traurig genug. Wer aber hat mich geschaffen wie ich bin, eifersüchtig bis zu dem Grade, daß sich gegebenen Falles meine Gebärde verstellt und ich nicht mehr weiß, was ich tue? Bist du etwa kein eifersüchtiger Gott, und hast du mich nicht nach Deinem Bilde erschaffen? Wer hat den bösen Trieb in mich gelegt zu der Tat, die ich unleugbar getan? Du sagst, daß Du allein trägst die ganze Welt, und willst unsere Sünde nicht tragen? --- Garnicht schlecht.


    Ja wirklich nicht schlecht argumentiert. Auch wenn ich nicht dieser Ansicht bin. Da könnte ja jeder sagen, es war mir bestimmt so oder so zu handeln. Na jedenfalls durfte Kain seines Weges gehen.


    Das Vorwort hielt mich ganz schön auf, weil es mich fuchsig machte und ich es nicht so recht einzuordnen wußte. Eigentlich müßte ich es nochmals lesen *grummel*. Aber jetzt warte ich erstmal ab, was du dazu sagst.


    Liebe Grüße
    Maria

  • Hallo JMaria


    Mensch, bin ich vielleicht froh, daß es Dir mit diesem Vorspiel genauso ging wie mir. Ich habe absolut nichts verstanden. Dauernd dachte ich: "Was soll das? Worauf will der eigentlich hinaus?" Mit Semael konnte ich auch nichts anfangen. Hatte ich noch nie gehört. Danke für Deine Erlärung.
    Mir ist auch der Kopf geschwirrt, als ich mich endlich durchgebissen hatte. Daß Du das 2x lesen konntest!? Mir hat das eine mal vollauf gereicht. Ich dachte mir dann aber, daß dieses Kapitel für das Verständnis des Buches kaum von entscheidender Bedeutung sein kann und habe einfach nicht mehr weiter darüber nachgedacht, sonst hätte ich mich vielleicht noch über Thomas Mann ärgern müssen.
    Auf mich wirkte dieses Vorspiel sowohl vom Stil, als auch von der Thematik (sofern ich überhaupt eine erkennen konnte) irgendwie aufgesetzt und unpassend.


    Ratlose Grüße
    ikarus

  • Hallo Ikarus


    Mir hat das eine mal vollauf gereicht. Ich dachte mir dann aber, daß dieses Kapitel für das Verständnis des Buches kaum von entscheidender Bedeutung sein kann und habe einfach nicht mehr weiter darüber nachgedacht, sonst hätte ich mich vielleicht noch über Thomas Mann ärgern müssen.


    Genau das ist mir passiert! Ich hab das Buch dann erstmal weggelegt und 2 Krimis gelesen.


    Danach war ich wieder in der Lage den Joseph in die Hand zu nehmen und ein paar Gedanken als Beitrag zu schreiben.


    Ein Glück, daß du noch Fontane reingeschoben hast. Ich dachte schon du wärst mit T. M. fertig


    Auf mich wirkte dieses Vorspiel sowohl vom Stil, als auch von der Thematik (sofern ich überhaupt eine erkennen konnte) irgendwie aufgesetzt und unpassend.


    Einen Sinn wird T.M. wohl verfolgt haben, aber ich gebe dir Recht, zum Verständnis des Buches, kann es nicht so wichtig sein.


    Ich hab das so verstanden, daß Satan Gott eingegeben hat den Menschen zu erschaffen, nur um ihm dann zu sagen: Was hast du nur erschaffen, sieh doch welchen Unfug, welch Böses sie treiben.


    Sein nächster Schachzug ist, daß Gott zu einem Volksgott wird, in dem er sich einen Stamm raussucht und dadurch, wenigsten zu anfangs sich in der Wichtigkeit sogar unter den damaligen Göttern setzt, da er zu damaliger Zeit ein unbekannter Gott war. Was mußte erst alles an Bösem geschehen, wenn Gott sich einen Stamm aussucht.


    kurz gesagt - wir sind für Satan eine vergnügliche Abwechslung.


    er nennt es einen Witz zum Kichern oder auch als allerhöchsten Scherz


    Irgendwie so *ohne-Gewähr*.


    CU Maria

  • Hallo JMaria


    Wenn ich Dich nicht hätte! So wie Du das erlärst, ist es wirklich einleuchtend. Du hast das, im Gegensatz zu mir, kapiert. Ich konnte halt nicht mal mit dem Begriff "Semael" etwas anfangen, hatte auch keinerlei Möglichkeit irgendwo nachzuschauen und stand so völlig auf verlorenem Posten. Sehr irritiert hat mich deshalb, daß es ein Wesen geben soll, das Gott sagt, was er machen soll. Gott ist doch allmächtig. Auch daß Gott auch mal "klein" angefangen haben soll, war für mich eine etwas merkwürdige Vorstellung. So dachte ich ständig: "Was schreibt der denn da?"
    Sicher wird es schon seinen Sinn haben, daß Thomas Mann dieses Vorspiel dem 4. Buch vorangestellt hat. Vielleicht werde ich, wenn ich fertig bin, dieses Vorspiel doch noch mal lesen und vielleicht erkenne ich ja dann einen Sinn dahinter.


    Viele Grüße
    ikarus

  • Hallo Ikarus
    Dass Gott sich von einem bösartigen, eitlen Engel sich übers Ohr hat hauen lassen, hat mich auch befremdet.


    ich kann mich nur wiederholen, im Mittelalter wäre T. M. wohl ein Fall für die Inquisition gewesen


    Gruß Maria

  • Hallo Ikarus
    meine Gedanken zum 7. Hauptstück, während du dich in der Sonne aalst und dir vielleicht auch so deine Gedanken darüber machst
    ich dachte ja nicht, dass Thomas Mann den Abschluß des Buches noch toppen könnte. Aber weit gefehlt. Das für mich schönste Kapitel, von der Sprache her gesehen, ist für mich DIE SCHMERZLICHE ZUNGE.


    Einführend beschreibt T.M. die Veränderung von Muts Körper, explosiv gereift für die Liebe. Falls man dies noch als Liebe bezeichnen kann, denn es kristallisiert sich immer mehr zu einer Manie heraus. Das ganze schaukelt sich hoch mit einem nicht mehr zu bremsenden Eigenleben.


    Ihre leidenschaftliches Anbieten ihres Körpers und seine vernunftbegründete Gegenargumente. Was für eine beeindruckende Sprache bedient sich hier Thomas Mann!!


    Joseph nennt Mut nun vertraulich KIND und ENI um den Stachel seiner Zurückweisung zu nehmen.


    Zu erst fand ich es seltsam, dass Mut mit verletzter Zunge sprach. Aber dann – als sie mit ihrer Idee herausrückte Potiphar zu ermorden - fand ich es sehr passend – eine gespaltene Zunge, eine falsche Zunge. Ich war genauso erschrocken wie Joseph.


    Der Wahnsinn hat Mut gepackt. Bin echt erstaunt mit welcher Intensität der 3. Band zuende geht. Bin immer noch ganz gebannt.


    Dudus Hinterhältigkeit wurde von Potiphar schwer bestraft. Potiphars Jähzorn ist nicht zu verachten. Zu Beginn sind es erst Prügel, aber dann bekommt Dudu bei der Gerichtsverhandlung seine endgültige Bestrafung. Was muß ihn das überrascht haben.


    Am besten fasst der Ausspruch des Hausgesindes die Situation zusammen:


    Die Herrin ist scharf auf den Jungmeier, er aber weigert sich ihrer. Ist das eine Hetz!


    Mir ist aufgefallen, dass Thomas Mann gegen Ende selbst viel erklärt. Zum Beispiel im Kapitel DER NEUJAHRSTAG zeigt er die Parallele zu Josephs Brüder, das uns ja auch bereits aufgefallen ist.


    Er schreibt:
    Seine Schuld gegen die Frau mit seiner früheren gegen die Brüder in Parallele zu stellen, ist sehr berechtigt. Wiederum hatte er es mit seinem Wunsch, die Leute stutzen zu machen, zu weit getrieben, wiederum die Wirkungen seienr Liebenswürdigkeit, deren sich zu freuen und die zur größeren Ehre Gottes zu nutzen und zu befördern sein gutes Recht war, leichtsinnig ins Kraut schießen, gefährlich ausarten und sich über den Kopf wachsen lassen: im ersten Leben hatten diese Wirkungen die negative Form des Hasses angenommen, diesmal die übermäßig positive und darum auch wieder verderbliche Form der Liebesleidenschaft....


    Die Parallele sah man auch was Potiphars Frau mit Josephs Obergewand machte. Sie zerriss es, biss hinein, stampfte mit den Füssen darauf. Genauso haben die Brüder es auch mit dem Hochzeitsgewand Rachels gemacht.


    Am erstaunlichsten fand ich den Gedanken, dass Joseph in seiner Leichtsinnigkeit auch ein Tauziehen der Götter herauf beschwören wollte. Wer ist der mächtigere Gott!!! Es heißt im Kapitel DAS LEERE HAUS:


    ....jedoch nicht nur als Gefahr, sondern, freudigerweise, auch als große Gelegenheit. – Als Gelegenheit wozu? – Als Gelegenheit, ...., eine Sache, die zu einer Ehrensache zwischen Gott und Amun geworden, so oder so endgültig zum Austrag zu bringen, den Stier bei den Hörnern zu nehmen und es in Gottes Namen auf alles ankommen zu lassen.....


    Wenn du mich fragst hat Potiphar seine Frau durchschaut. Der Beweis den sie vorführte, Josephs Gewand, war ja wirklich fadenscheinig und dann noch in solchem Zustand. Wenn Joseph ihr Gewalt hätte antun wollen, müsste ja IHR Gewand zerrissen sein und nicht seins.


    Aber Potiphar konnte nichts anderes tun als eine Strafe anzusetzen, genauso wie Joseph nur noch schweigen konnte, da die Herrin des Hauses anklagte. Alles andere war nutzlos.


    Dudu wurde die halbe Zunge abgeschnitten und Gottliebchen nahm die Stellung Dudus ein. Joseph wird ins Gefängnis geworfen und wird ein Königssklave Pharaos. Somit ist das Kapitel Potiphar abgeschlossen.


    und wie du siehst habe ich Band 3 nun auch durch *ggg*


    Gruß Maria

  • Buongiorno JMaria


    Du siehst, mein italienisch hat sich dramatisch verbessert
    Von in der Sonne aalen konnte in Ermangelung des Scheines derselben in meinem Urlaub aber wirklich keine Rede sein. Kultur war angesagt. Pisa (schöne Stadt und nicht nur wegen des schiefen Turmes sehenswert), Lucca (für italienische Verhältnisse recht gemütlich) und Florenz (terribile, zu laut, zu viel Verkehr und Gestank, nie mehr!).
    Das bewegenste Erlebnis hatte ich aber in einer ganz anderen Ortschaft. Auf meinem Weg durch die Schweiz habe ich nämlich extra einen kleinen Abstecher nach Kilchberg am Zürichsee gemacht und dort auf dem Friedhof das Grab von Thomas Mann besucht. Ich habe ein paar Blumen abgelegt und empfand, während ich vor seinem Grabstein stand, eine große Dankbarkeit. Es ist ein Familiengrab in dem außer Thomas Mann auch noch seine Frau Katja und die Kinder Erika, Monika, Michael und zuletzt Elisabeth Mann-Borghese, deren Name nur auf einem Blechschild stand, das in die Erde gesteckt war, beerdigt wurden. Interessant ist, daß Golo Mann zwar auch auf dem dortigen Friedhof begraben ist, jedoch in einem normalen Reihen-Einzelgrab abseits. Wahrscheinlich wollte er nicht mal im Tode was mit der übrigen Familie zu tun haben.
    Natürlich mußte ich anschließend im "Joseph" weiterlesen. So weit wie Du bin ich aber nicht gekommen. Auch ich empfand aber den Schluß des dritten Buches sehr spannend und von ungeheurer Intensität. Du hast Dir ja auch wieder viele gute Gedanken darüber gemacht. Vor allem das mit der "gespaltenen Zunge" gefällt mir. Darauf wäre ich nicht gekommen. Aber Du hast recht! Überhaupt wurde mir Mut während des Lesens derart unsympathisch, fast widerlich, wie noch keine Figur bei Thomas Mann.
    Erstaunt und verwirrt hat mich zuerst, daß Potiphar Dudu ebenfalls bestraft und dann sogar härter als Joseph. Aber als ich darüber nachdachte, bin ich zum gleichen Schluß wie Du gelangt. Er hat gewußt, daß seine Frau die Hauptschuldige ist, konnte aber nicht anders handeln und mußte Joseph bestrafen.
    Über den Ausspruch der Torwachen: "Ist das eine Hetz´!" mußte ich richtig lachen. Permaneder als ägyptische Torwache!? Der hat in den Buddenbrooks doch auch immer gesagt: "Is dös a Hetz´". Thomas Manns Humor ist schon herrlich.
    Ich komme nun zum 1. Hauptstück des vierten Bandes.


    Über das Vorwort und das Fontane-Bändchen "Der Lokus im Levkojenbeet", das ich nämlich auch noch gelesen habe, schreibe ich unter den entsprechenden Überschriften was.


    Viele Grüße
    ikarus

  • Buongiorno JMaria


    Buongiorno Ikarus
    che piacere!


    Du siehst, mein italienisch hat sich dramatisch verbessert


    ja, eindeutig


    Von in der Sonne aalen konnte in Ermangelung des Scheines derselben in meinem Urlaub aber wirklich keine Rede sein. Kultur war angesagt.


    Das gehört auch dazu, besonders wenn das Wetter nicht so mitspielt.


    Pisa (schöne Stadt und nicht nur wegen des schiefen Turmes sehenswert), Lucca (für italienische Verhältnisse recht gemütlich) und Florenz (terribile, zu laut, zu viel Verkehr und Gestank, nie mehr!).


    uh - das mit Florenz hört sich garnicht gut an. Florenz würde ich auch mal gern besuchen.


    Das bewegenste Erlebnis hatte ich aber in einer ganz anderen Ortschaft. Auf meinem Weg durch die Schweiz habe ich nämlich extra einen kleinen Abstecher nach Kilchberg am Zürichsee gemacht und dort auf dem Friedhof das Grab von Thomas Mann besucht. Ich habe ein paar Blumen abgelegt und empfand, während ich vor seinem Grabstein stand, eine große Dankbarkeit. Es ist ein Familiengrab in dem außer Thomas Mann auch noch seine Frau Katja und die Kinder Erika, Monika, Michael und zuletzt Elisabeth Mann-Borghese, deren Name nur auf einem Blechschild stand, das in die Erde gesteckt war, beerdigt wurden. Interessant ist, daß Golo Mann zwar auch auf dem dortigen Friedhof begraben ist, jedoch in einem normalen Reihen-Einzelgrab abseits. Wahrscheinlich wollte er nicht mal im Tode was mit der übrigen Familie zu tun haben.


    Das war bestimmt beeindruckend. Es hört sich vielleicht morbide an, aber ich schaue mir gern alte Friedhöfe an. Das Grab von Thomas Mann zu besuchen war eine passende Idee, gerade weil die Familie einem in letzter Zeit literarische näher gebracht wurde. Durch die Filmdokumentation und auch durch unseres gemeinsamen Lesen.


    Eigentlich eine gute Idee, soweit weg ist der Zürchersee nun wirklich nicht von Ulm aus.


    Über den Ausspruch der Torwachen: "Ist das eine Hetz´!" mußte ich richtig lachen. Permaneder als ägyptische Torwache!? Der hat in den Buddenbrooks doch auch immer gesagt: "Is dös a Hetz´". Thomas Manns Humor ist schon herrlich.
    Ich komme nun zum 1. Hauptstück des vierten Bandes.


    Das ist mir garnicht aufgefallen. Ich mußte, als ich deinen Beitrag las, auch lachen. Permaneder war schon ein bayrisches Prachtstück *ggg*


    CU Maria

  • OFF TOPIC


    Hallo JMaria


    Du wohnst in Ulm? Das kenne ich nämlich sehr gut. Zum einen bin ich in Laichingen auf der Schwäbischen Alb geboren und habe dort auch die ersten 23 Jahre meines Lebens verbracht. Dann bin ich in Ulm, auf dem Kuhberg, 3 Jahre in die Berufsschule gegangen und hatte auch die "Ehre" meine 15 Monate Bundeswehr auf der Wilhelmsburg verbringen zu dürfen.


    Also dann
    Schöne Grüße in meine schwäbische Heimat
    ikarus

  • Hallo Ikarus


    direkt in Ulm wohne ich nicht, aber in einer Kleinstadt in der Nähe allerdings auf der bayrischen Seite der Donau
    Ein Grenzgänger sozusagen *g*


    Aber ich liebe Ulm, die Stadt hat Charme und am schönsten ist es bei schönem Wetter einen Spaziergang im Fischerviertel und an der Donau zu machen


    Natürlich kenn ich auch Laichingen, überhaupt habe ich eine Schwäche für die schwäbische Alp und Tagesausflüge dorthin sind oft angesagt.


    bayrisch-schwäbische Grüße
    Maria