Bücher zu Ende lesen oder lieber weglegen?

  • Hallo!


    Ich habe ein großes Problem: des öfteren gerate ich an Bücher, die mir nicht so gut gefallen oder bei denen ich denke, die müsste ich nicht gelesen haben oder in der Zeit kann ich was besseres lesen. Leider stell ich das oft erst nach 50 oder 100 Seiten fest. Dann stehe ich vor dem Dilemma, das Buch wegzulegen und damit angebrochen/angelesen zu lassen, oder aber es zu Ende zu lesen und mich dabei zu langweilen oder zu ärgern. Was soll man da tun? Jemand eine Idee?


    Die meisten, die ich gefragt hab, sagen, dass sie ein einmal angefangenes Buch auch zu Ende lesen, ich denk aber auch, dass man ganz schlimme Sachen lieber schnell von sich entfernen sollte. Andererseits hab ich dann fast schon wieder ein schlechtes Gewissen oder ein Gefühl der Unvollständigkeit oder was weiß ich... :smile:


    Mich würde eure geschätzte Meinung dazu interessieren!

  • Zitat von "Caiman"

    Ich habe ein großes Problem: des öfteren gerate ich an Bücher, die mir nicht so gut gefallen oder bei denen ich denke, die müsste ich nicht gelesen haben oder in der Zeit kann ich was besseres lesen. Leider stell ich das oft erst nach 50 oder 100 Seiten fest.


    Weglesen, äh, weglegen und was anderes lesen. Und zwar zügig. Pflicht- und Schuldgefühle sind da gänzlich überflüssig.


    Ich breche Lektüre ab, wenn sie nicht funktioniert (und wenn der Autor auch Thomas Mann (Josefsromane), Heinrich Mann (Der Atem) oder Musil (Mann ohne Eigenschaft) heißen mag).


    Letzthin hab ich mich bis ca. zur Hälfte durch Gustav Frenssens "Otto Babendieck" gequält, nur, weil Arno Schmidt meint, der Roman sei besser als "David Copperfield". Was einfach nur dummes Zeug ist. Also hab ich den Mist weggelegt (wenn ich mich mit der Literatur um 1920 beschäftigen würde, ok --- aber so aus Jux und Dollereiein präfaschistisch verlogener Blut & Boden Quark? No way.)


    Merke: Nichts ist so freiwillig wie das Lesen.


    (und jetzt kommt CK und raunt so dies und das von den Mühen, die sich lohnen, Widerstände, die man überwinden müsse, intellektuelle Entwicklung und den Untergang des Abendlandes. Wetten?)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "giesbert"

    Ich breche Lektüre ab, wenn sie nicht funktioniert (und wenn der Autor auch Thomas Mann (Josefsromane), Heinrich Mann (Der Atem) oder Musil (Mann ohne Eigenschaft) heißen mag).


    Oft, das ist meine Erfahrung, funktioniert's ein paar Jahre später. Manchmal auch erst im dritten oder vierten Anlauf. Das war bei mir so bei Witiko, Divina Commedia, U.S.A. und andern, die mir jetzt nicht gleich in den Sinn kommen.


    Zitat von "giesbert"

    Letzthin hab ich mich bis ca. zur Hälfte durch Gustav Frenssens "Otto Babendieck" gequält, nur, weil Arno Schmidt meint, der Roman sei besser als "David Copperfield". Was einfach nur dummes Zeug ist.


    Also ... über Arno Schmidts (nun, sagen wir: recht eigenwillige) Urteile zur Literatur solltest gerade Du dich ja nicht wundern. Bisher hat sich in meinen Augen Schmidts Begeisterung zu einem Werk / Autor erst einmal als gerechtfertigt erwiesen: bei Bulwer Lyttons Was wird er damit machen?. Ich habe es, das war reiner Zufall, in Schmidts Übersetzung gelesen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,
    in jungen Jahren habe ich mich auch durch manche Bücher gequält, weil ich meinte, sie für meine literarische Bildung gelesen haben zu müssen. Das Resultat ist, daß ich den Inhalt gerade dieser Bücher heute komplett vergessen habe - ich müßte sie jetzt nochmal lesen. Das "Gefühl der Unvollständigkeit" ist auf diesem Weg also gar nicht zu beseitigen, erzwungene Lektüre somit vollkommen unnütz.


    Gruß,
    R.

  • Hallo,


    ich kann nachdem ich 30-40 Seiten gelesen habe Bücher nicht mehr aus der Hand legen, auch wenn sie noch so langweilig oder schlecht geschrieben sind.
    An den Inhalt kann ich mich später allerdings im Gegensatz zu Roquairol besonders gut erinnern, da ich mich natürlich schon etwas zum Lesen zwingen muß und dadurch wohl intensiver lese.
    Ich kann auch nicht langweilige oder langatmige Stellen überfliegen oder überblättern (was einige Leute scheinbar häufig machen).



    Zitat von "giesbert"

    Ich breche Lektüre ab, wenn sie nicht funktioniert (und wenn der Autor auch Thomas Mann (Josefsromane), Heinrich Mann (Der Atem)


    ohje, genau die beiden Sachen wollte ich mir demnächst vornehmen. Hoffentlich haben wir einen unterschiedlichen Geschmack ;-)


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo


    Bei etabliert anspruchsvoller Literatur habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich eine Menge überlese. Deshalb gelten für mich diese Bücher dann nur als angelesen und ich knöpfe sie mir später nochmal vor.


    Bei Büchern, die ich nicht fertig gelesen habe, kommt dagegen kein Unvollständiggefühl auf, da ich weiss, dass ich sie irgendwann doch noch auslese.

  • Hallo,


    Zitat

    Ich habe ein großes Problem: des öfteren gerate ich an Bücher, die mir nicht so gut gefallen


    ich versuche zu vermeiden, an Bücher zu geraten, die mir nicht gefallen. Klappt natürlich auch nicht immer. ;-) Aber im Laufe seines Leselebens bekommt man doch schon ein gewisses Gefühl dafür, was einem zusagen könnte, und was nicht. Es kommt natürlich auch darauf an, was das für Bücher sind. Wenn es sich um einen berühmten Klassiker handelt, der von vielen, ganz unterschiedlichen Menschen bewundert wird, dann weiß man, daß sich die Mühe des Lesens wahrscheinlich lohnen wird. Selbst wenn man die Begeisterung nicht so ganz nachvollziehen kann, kann man hinterher wenigstens das Erfolgsgefühl genießen, diese Schwarte endlich bezwungen zu haben.


    Zitat

    Leider stell ich das oft erst nach 50 oder 100 Seiten fest.


    Dann lies halt nur kurze Sachen: wenn Du merkst, daß es Dir nicht gefällt, bist Du schon durch. :-) Bevor ich mir einen dicken Roman vorknöpfe, überlege ich mir schon sehr genau, ob es wirklich genügend gute Gründe dafür gibt, weshalb ich meine Zeit damit verbringen sollte. Wenn ich vorher schon die Befürchtung habe, daß ich den Roman nicht fertiglesen werde, dann fange ich gar nicht erst damit an.


    Die Lektüre eines Buches abzubrechen fällt wahrscheinlich umso leichter, je mehr gute Bücher man schon gelesen hat. Dann weiß man, wie es sich anfühlt, wenn »Lektüre funktioniert« (Giesberts Worte), man hat das schon mit vielen unterschiedlichen Büchern erlebt, auch mit Büchern, die man gemeinhin als Hochliteratur bezeichnet; und wenn das mit einem bestimmten Buch nicht klappt, dann legt man es eben beiseite, selbst wenn es von einem weltberühmten Autor geschrieben worden ist. Oder anders gesagt: Wenn ich schon mit Göttern wie Sappho, Shakespeare, Hölderlin und Brentano im siebten Himmel war, dann wurde mir ohnehin schon mehr Glück zuteil, als ich verdiene; wenn mir andere Götter nicht so gnädig gestimmt sind, dann sehe ich es ihnen nach, ich bin schon beschenkt genug. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Zitat

    Stern: Sind Sie noch mußefähig?
    Harald Schmidt: Absolut. Aber es muss mich schon sehr packen, damit ich ein Buch überhaupt noch zu Ende lese. "Der Schwarm" von Frank Schätzing? Erstes Kapitel - Schluss! "Vienna" von Eva Menasse? 25 Seiten - Feierabend! Das Tolle an Büchern ist auch, dass man so wahnsinnig gnadenlos sein kann. Einen Film guckt man ja eher noch irgendwie zu Ende. [...] Paulo Coelho. Welches Buch von dem, ist wurscht. Ich habe mal "Der Alchimist" geschenkt gekriegt und dachte, vielleicht tue ich dem Mann ja Unrecht. Zwei Seiten - Feierabend!

  • Moin, Moin!


    Zitat von "giesbert"

    Weglesen, äh, weglegen und was anderes lesen. Und zwar zügig. Pflicht- und Schuldgefühle sind da gänzlich überflüssig.


    Ein wenig gegen die Brandung anlesen schadet nix. Je älter ich werde, desto eindrücklicher wird mir zwar die verbleibende Zeit, ergo auch die Lesezeit, aber mitunter weiß ich nicht, woran es wirklich liegt, wenn ich an Büchern herumknauble. Von mir weiß ich, daß mir Kurzprosa und lyrische Prosa zu schaffen macht. Kürzlich las ich "Unterm Neomond", einem Erzählband von Wolfgang Hilbig, dessen erste Hälfte mit schwer zu schaffen machte. Bücher weg legen mache ich nur selten, so daß ich weiter las. Und siehe da, im zweiten Teil mehr Handlung und die Freude, dabei geblieben zu sein. Unbd im Moment lese ich Isaak Babels "Reiterarmee". Allgemein gelobt, frage ich mich nach weit über der Hälfte, warum mir der Zauber des Buches entgeht. Ich werde aber nicht aufhören. Bei dünnen Büchern lese ich gnadenlos zuende. Nur dicke würde ich weglegen.


    Ich stelle leider fest, daß meine Lesefähigkeit in die Binsen geht. Liegt es am zunehmenden Alter, an den schlechteren äußeren Bedingungen (Streß, Müdigkeit, Ablenkung) oder woran sonst?

  • Moin, Moin!


    Zitat von "Zola"

    Ich kann auch nicht langweilige oder langatmige Stellen überfliegen oder überblättern (was einige Leute scheinbar häufig machen).


    Ich kann das normalerweise auch nicht, weil das Buch dann für mich nicht als gelesen gilt; denn gelesen heißt: 100%. Ganz selten mache ich Ausnahmen. Ich hatte eine Buch, in dem seitenlange Rechnungen aufgelistet waren - überblättert. Und beim U (James Joyce Ulysses überging ich das Kapitel, das im Deutschen im Mittelhochdeutsch wiedergegeben ist.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Dostoevskij"

    Ich stelle leider fest, daß meine Lesefähigkeit in die Binsen geht. Liegt es am zunehmenden Alter, an den schlechteren äußeren Bedingungen (Streß, Müdigkeit, Ablenkung) oder woran sonst?


    Eher zweites, imho. Ausser vielleicht, Du gingest jetzt so auf die 100 zu.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Natürlich ist es sinnvoll, sich an LeseWiderständen zu reiben oder auch abzuarbeiten, natürlich ist die gelingende Lektüre ein Ziel, das die Mühen reichlich lohnt -- aber es ist völlig sinnlos, Texte in sich hineinzwingen zu wollen. Was nicht geht, geht nicht. Geht vielleicht später, aber geht halt jetzt nicht. Wie gesagt: Gegen Widerstände anlesen ist gut und richtig, über diese Widerstände nachzudenken auch -- aber eine permanente Selbstüberforderung ist eher schädlich und entwicklungshemmend.


    Man sollte auch nicht aus einem völlig verqueren Pflichtgefühl heraus glauben, man müsse jedes Buch zu Ende lesen. Es gibt jede Menge schlechte Bücher, die nur so tun, als seien sie gute Bücher. Eine der wichitgsten Fertigkeiten eines Leser besteht darin, zwischen Büchern, die die Mühe wert sind und solchen, die einem nur die Zeit stehlen, unterscheiden zu lernen.


    Dass etwas nicht geht, hat natürlich 1001 Gründe. In meinem Fall wäre es z.B. völlig sinnlos, wenn ich mich jetzt an den MoE machen würde. Ich habe in meiner derzeitigen Lebenssituation gar nicht die Zeit & Muße, die man dafür braucht und bin froh, wenn ich den "Onkel Benjamin" in 2 Wochen schaffe (den hätte ich früher an einem Tag gelesen).