Luther und die Reformation

  • Zu Luther am ehesten die Biographie von Heinz Schilling (C. H. Beck Verlag).


    Wenn es zur Reformation allgemein sein soll und nicht nur zu Luther, würde ich Thomas Kaufmanns Buch 'Erlöste und Verdammte' empfehlen. Kaufmann ist ein sehr guter Kenner der Epoche.


    Es gibt auch in der Beck'schen Reihe eine kleine Einführung zu Luther von Thomas Kaufmann, zur Reformation allgemein von Luise Schorn-Schütte.


    Um sowohl den zeitlichen wie auch geographischen Horizont noch etwas weiter zu stecken wäre auch noch Diarmaid MacCulloch zu nennen mit seinem Buch 'Die Reformation 1490-1700'.



  • "Die Reformation 1490-1700" und die Luther Biographie von Heinz Schilling zieren auch mein Bücherregal.


    Denis Scheck empfiehlt die neue Biographie über Luther von Willy Winkler.
    http://www.swrfernsehen.de/nav…122518/16audhn/index.html



    MDR-Spezial
    mit kurzen Audio Beiträge über Luther gestaltet als Adventskalender. Jeden Tag etwas über Luther ...
    http://www.mdr.de/reformation500/index.html


    Jaqui
    tolle Idee den Thread zu eröffnen.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Ich habe ja mit diesem ganzen Lutherismus, der derzeit kirchlich wie medial über uns kommt, die allergrößte Mühe. Kirchlicherseits gibt es viel Banales, journalistisch viel Beliebigkeit. Nun gut, es ist der Job der Journalisten, vor allem Nachrichten zu generieren und jedes Thema so aufzubereiten, dass sofort ein Gegenwartsbezug hergestellt wird. Sie wollen ja, dass die Menschen ihr Zeug lesen. Aber beim Thema Luther bleibt dabei leicht die Komplexität und vor allem auch die Fremdheit auf der Strecke. Gegenwärtig ist ja im Moment der Luther für jeden Geschmack und jedes Bedürfnis zu haben. Luther der Ketzer, der Mystiker, der Rebell, der Fürstenknecht, der Freiheitskämpfer, der Frauenversteher, der Judenhasser, ... beliebig fortsetzbar. Jeder schlachtet die Marke Luther für seine Bedürfnisse aus, und im Lutherjahr darf sich auch jeder auf seine Weise als Interpret blamieren. Bühne frei. :breitgrins:


  • Dankeschön.


    Schilling, Kaufmann und MacCulloch sind notiert.


    Das Buch von Luise Schorn-Schütte lese ich gerade, sehr interessant bisher.
    Zudem habe ich die Biographien von Reinhard Schwarz und Ulrich Köpf auf meinen Reader geladen.


    Dass es viele Biographien zu Luther gibt war mir schon klar, aber dass es so viele sind wusste ich nicht.


    Maria: Ich lese gerade den historischen Roman Blutiger Frühling von Barbara von Bellingen. Da kommt Luther und seine Reformation am Rande vor.

  • Sehr schön. Danke :winken:


    Einiges davon wurde in dem thread eh schon genannt.
    Meine bib hat auch das Buch von Roper online. Allerdings vorbestellt bis Februar 2017. Da muss ich noch eine weile warten.


    Im Buch von Luise Schorn-Schütte über die Reformation bin ich derzeit im Jahr 1520 angelangt und die Bauernkriege starten jetzt. Ein sehr interessantes Buch.

  • Heinz Schillings Biographie hätte ich auch empfohlen, die bereits 2012 erschienen war. Da war schon absehbar, dass sich fünf Jahre später die Tische unter der Last der Bücher über Luther biegen würden.


    Der Autor hatte in den 1980er Jahren maßgeblich die Vorstellung von der "Konfessionalisierung" in Territorien geprägt, sich lange Zeit mit der calvinischen Variante des Protestantismus beschäftigt und verfügt über einen europaweiten Blick.


    In diesem Jahr nun beeindruckt mich die Müntzer-Biographie von Siegfried Bräuer (* 1930) und Günter Vogler (*1933), die Ergebnis von jahrzehntelangen Quellenforschungen beider Autoren ist.


    https://www.randomhouse.de/Buc…r-Verlagshaus/e494831.rhd


    Die Autoren orientieren sich an den gesicherten Fakten und vermeiden Spekulationen, die Sprache wirkt nüchtern und lakonisch. Vorausgegangen war 2015 eine Müntzer-Biographie von Hans-Dieter Goertz, der zuvor jahrzehntelang die radikalen Varianten reformatorischer Bewegungen erforscht hatte.


    Günter Vogler entwickelte mit Max Steinmetz und Adolf Laube das in der DDR maßgebliche Konzept einer "frühbürgerlichen Revolution" und hat 2003 ebenfalls ein Buch über Europa in der frühen Neuzeit vorgelegt, also einen länderübergreifenden Ansatz verfolgt.
    In den letzten Jahren der DDR wirkten marxistische Geschichtsforscher und evangelisch-lutherische Kirchenhistoriker wie Siegfried Bräuer zusammen: die in einem nichtreligiösen Umfeld aufgewachsenen Autoren lernten den wohl wichtigsten Vertreter einer zu Luther alternativen Reformation auch als Theologen, Prediger und Erneuerer der Liturgie kennen, Theologen wiederum begriffen immer mehr, dass auch das soziale Umfeld für das Wirken der Reformatoren erforscht werden musste.


  • Hallo Karamzin,


    danke für den Hinweis auf Müntzer. Dieser gehört sicher ganz wesentlich an das Gesamtbild der Reformation hinein, denn er zeigt, welche Möglichkeiten (Option und Gefahr) die reformatorischen Bewegen auch gehabt hätten, wären sie nicht durch die Fürsten und Luthers frühes Bündnis mit der Herrschaft domestiziert worden.


    Wenn Müntzer sozusagen als die linke Flügelfigur Luthers gelten kann, dann wäre als weiterer Flügel Philipp Melanchthon zu nennen, der als Denker, Systematiker und Intellektueller die Reformation in eine inhaltliche Form goss, die ihr auf Dauer eine Wirksamkeit und auch ein Überleben sicherte. Ohne Melanchthons ordnende Hand, wäre der lutherische Impuls wohl eher in einem wirren Gedankenchaos versunken...

  • Zum zweiten Mal lese ich gerade: Luther und seine Zeit, von Richard Friedenthal (1967) Eine neuere Biografie würde ich nur lesen, wenn sie einen noch stärker sozialgeschichtlichen Ansatz hätte. Friedenthal war ein guter Freund von Stefan Zweig, schreibt ebenso schwungvoll aber wesentlich differenzierter.

  • Wer es nicht scheut, sich mit dem Großteil der Bevölkerung zu Luthers Zeiten gemein zu machen, der ja nicht Lesen und Schreiben konnte, dem empfehle ich die DDR TV Serie: Martin Luther (auf DVD: Große Geschichten 41). Um Größenordnungen besser als der schwachsinnige Kinofilm aus dem laufenden Jahrtausend.

  • Es ist eben die Frage: welches Bedürfnis treibt einen um, gerade die Situation eines Jubiläumsjahres zu nutzen, um sich wieder einer Gestalt wie der Luthers anzunähern.


    Wenn einen die Frage des Antijudaismus Luthers beschäftigt, ist einem wohl am besten mit Thomas Kaufmann geholfen, der sich schon seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt hat. Bei der Umsetzung ist für ihn kennzeichnend gewesen, dass es von ihm so gründliche Studien über Luther und die Juden gibt, in denen am oberen Rand gerade einmal ein paar Zeilen Text zu finden sind, während der größte Teil einer Seite von Fußnoten ausgefüllt wird - sozusagen eine Art Markenzeichen früherer Arbeiten :zwinker: - nicht aber in seinem neuen Buch über die Reformation!


    Was Melanchthon betrifft, so hat jetzt Heinz Scheible eine neue Auflage seiner Biographie herausgegeben. Diesem Humanisten stand ein Erbe der Antike zu Gebote, das weit über die Quellen Luthers hinaus reichte. Ein Probefeld wäre die Auseinandersetzung um das heliozentrische System des Kopernikus, das Luther am Ende seines Lebens noch nicht zur Auseinandersetzung herausfordern konnte.


  • Wer es nicht scheut, sich mit dem Großteil der Bevölkerung zu Luthers Zeiten gemein zu machen, der ja nicht Lesen und Schreiben konnte, dem empfehle ich die DDR TV Serie: Martin Luther (auf DVD: Große Geschichten 41). Um Größenordnungen besser als der schwachsinnige Kinofilm aus dem laufenden Jahrtausend.


    Ach ja, dieser Film -- Teil einer Popularisierungswelle, die nicht unbedingt der inhaltlichen Auseinandersetzung dient. Wobei ich ihn nicht als schwachsinnig bezeichnen würde. Einige zentrale Aspekte der Reformation arbeitet er schon heraus.


    Es gab auch einen sehr ordentlichen Mehrteiler im Lutherjahr 1983 - war der vom ZDF? Sie wurde in einer Nürnberger Kirche gedreht und hatte nachgeradezu kammerspielartigen Charakter. Die war auch gut. Aber natürlich textlich-inhaltlich so anspruchsvoll, dass man das heute überhaupt nicht mehr durchkriegen würde.

  • Lost
    Schön, dass du wieder da bist :winken:


    Also...
    allein schon wegen Ustinov in seiner letzten Rolle funktioniert "Luther" für mich, auch wenn Fiennes ein viel zu schöner Luther ist, aber ich fand den Film stimmungsvoll.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Zum zweiten Mal lese ich gerade: Luther und seine Zeit, von Richard Friedenthal (1967) Eine neuere Biografie würde ich nur lesen, wenn sie einen noch stärker sozialgeschichtlichen Ansatz hätte. Friedenthal war ein guter Freund von Stefan Zweig, schreibt ebenso schwungvoll aber wesentlich differenzierter.


    Ist sogleich auf meiner Wunschliste gelandet. Ich habe auch die Goethe Biographie von ihm.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)