Re: Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts

  • Hallo zusammen,


    im Oktober 2010 kamen seine Briefe heraus:


    Albert Vigoleis Thelen. Meine Heimat bin ich selbst: Briefe 1929-1953 , Herausgeber Jürgen Pütz


    [kaufen='978-3832195595'][/kaufen]


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • im Oktober 2010 kamen seine Briefe heraus:



    Wenn ich Amazon richtig verstehe, eine Auswahl. Ich mag es nicht, wenn mir Herausgeber vorkauen wollen, was ich als "seine besten Briefe" zu betrachten habe. Schade. :sauer:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Auf der Thelen-Homepage klingt das anders:http://www.vigoleis.de/content…lbert-vigoleis-thelen.htm
    Der Herausgeber Jürgen Pütz, ein Freund Thelens, ist mMn absolut vertrauenswürdig.



    Da steht "der erste Band einer Thelen-Briefausgabe". Das heisst nur, dass eventuell ein zweiter Band folgen wird. Sorry. Nicht mal "sämtliche Briefe" oder so ... :sauer:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    nur eine Frage der Zeit, bis solch ein Buch im Modernen Antiquariat auftaucht.


    Darauf gründen sich ja alle meine Hoffnungen. Ich habe seit ich weiß nicht wievielen Jahren kein neues Buch mehr gekauft. Und es läuft prima. Inzwischen ist es ein Sport geworden, das billigeste besterhaltene Exemplar eines Buches zu erwischen. Wäre es olympisches Disziplin, stünde ich auf dem Treppchen.

  • Ich nutze einmal diesen "Insel"-Thread für einen Erfahrungsbericht über den "Schwarzen Herrn Bahßetup". Über den Inhalt und darüber, wie der seltsame Name zustande kam, will ich hier keine Reden führen, dafür gibt es sogar eine eigene Seite in der Wikipedia (die aber einige sachliche Fehler hat). Auch die Auflösung der im Buch aufgeworfenen Rätsel möchte ich einem Leser nicht vorwegnehmen.


    Natürlich drängt sich der Vergleich mit der “Insel” auf, und äußerlich ähneln sich die beiden dicken Bücher nicht wenig, jedenfalls was den Erzählstil angeht. Auf erste Sicht ist die „Insel“ klar besser. Fünf Jahre von 1931 bis 1935 auf Mallorca auf tausend Seiten bieten einfach mehr Abwechslung und Tempo als ein paar Wochen im Herbst 1951 in Amsterdam und Umgebung auf 670 Seiten.


    Wenn sich die Eindrücke etwas gesetzt haben, wächst die Sympathie für die Geschichte vom schwarzen Herrn. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass dieser eine Fabel hat und nicht nur biographischen Vorgängen nachläuft, die ja nur schwerlich auf ein zu Beginn bestimmbares Ziel hinauszulaufen pflegen. Das gibt dem Buch eine Abrundung von der ersten Seite an, die die „Insel“ nicht hat. Davon profitieren auch die vielen eingeflochtenen Abschweifungen: sie lassen sich vom Beginn an sinnvoller orchestrieren, dem Tempo, dem Spannungsbogen und dem Fortgang der Rahmenhandlung anpassen. Diese Chance nutzt Vigoleis aus. Es gibt da beispielsweise im ersten Viertel des Buches eine über mehrere Episoden ausgesponnene Trickdiebstahls- oder Betrugsgeschichte, die die Richtung des größten Teils des nachfolgenden Textes vorgibt, nämlich die Aufklärung der Zweifel über des schwarzen Herrn Identität: Gelehrter oder Hochstapler?


    Der schwarze Herr Bahßetup ist der stillere der beiden Romane. Das ist auch kein Wunder. Ging es in der Insel um die nackte Not und Lebensgefahr des Erzählers, so hat der Erzähler des schwarzen Herrn hier wenigstens ein bescheidenes Auskommen, wird nicht von Francos und Hitlers Schergen bedrängt, sondern nur von einem königlich-niederländischen Gerichtsvollzieher, und kann deshalb an der einen oder anderen Stelle auch etwas mehr Kontemplation pflegen.


    Der schwarze Herr Bahßetup setzt die Lektüre der Insel des zweiten Gesichts voraus, ansonsten ist vieles gar nicht recht durchschaubar. Das gilt für Personen, Handlungsverweise, vor allem aber auch für die vielen sprachlichen Spielereien. Zahlreiche Neologismen tauchen wieder auf, von denen ich einige wiedererkannte, andere kamen mir nur irgendwie bekannt vor. Ziemlich genau in der Mitte wird z.B. einmal die in der „Insel“ erfundene „Pilarière“ zitiert, und es spricht sehr für Vigoleis, dass er diesen Scherz nicht durch Wiederholung abnutzt. Zöge Vigoleis wie ein Arno Schmidt einen Kometenschweif von Jüngern hinter sich her, gäbe es längst penible Referenzverzeichnisse der Neologismen. Vielleicht wäre das ja einmal eine Aufgabe für Interessierte.


    Auf der Seite http://www.vigoleis.de sind zwei Taschenbuchausgaben erhältlich, ich hatte mich für die dtv-Version entschieden. Wer auf der vigoleis-Seite etwas stöbert, findet dort übrigens auch ein Foto von dem realen Vorbild des schwarzen Herrn Bahßetup : ein gewisser Professor Manuel Francisco Pinto Pereira.


    Ich habe es sehr genossen, dieses Buch zu lesen. Keine Knalleffekte, keine Pyrotechnik – nur Geschichten über Geschichten, und ein Titelheld, der einem nach und nach ans Herz wächst.