Camus "der Fremde"

  • In unserem Französisch Kurs lesen wir zur Zeit "L'Etranger" von Camus. Ich verstehe nicht so ganz, wie sich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte (der Mord an dem Araber) durch die ganze Geschichte zieht, was dieser Punkt genau ändert und wie sich das Bewusstsein und das Verhalten von Meusault ändert.
    Auch verstehe ich nicht ganz, wie der erste Teil der Geschichte den zweiten vorbereitet.


    Es würde mich sehr freuen, wenn ihr mir helfen könntet.


    Vielen Dank schonmal im Vorraus.



    Lg Sarah

  • Hallo SRM!


    Ich habe gestern vier Stunden Deutsch LK über den Fremden geschrieben, also mal schauen, ob ich Dir ein bisschen weiterhelfen kann...


    Hmm, wie fange ich am besten an?
    Ich versuch's mal so: Der Mord ist notwendig, damit Meursault vor den Untersuchungsrichter kommt, vom Staatsanwalt angeklagt, zum Tode verurteilt wird und sich schließlich mit dem Geistlichen streitet. Die Streitgespräche mit den Beamten und das Plädoyer sind notwendig, um die Position Meursaults, die im ersten Teil nur angedeutet wird, stärker herauszuarbeiten. Die Todesstrafe ist logische Konsequenz seines Mordes und Camus braucht sie aber auch, damit Meursault gezwungen ist, sich mit seinem nahen Tod auseinanderzusetzen. Falls ihr auch Auszüge aus Camus Mythos des Sisyphos gelesen habt, kannst du Meursault mit Sisyphos vergleichen, zumindest am Ende des Buches.
    Der drohende Tod und das Leben angesichts des Nichts (M. glaubt ja nicht an ein Leben nach dem Tod) ziehen sich durch den Roman, vor allem im zweiten Teil, weil das einfach ein wichtiges Thema von Camus' Philosophie ist - Leben mit der Möglichkeit, jederzeit sterben zu können -> reflektiertes, bewusstes Leben im Diesseits, akzeptieren, dass die Welt keinen Sinn in sich trägt, dass sie gleichgültig ist in dem Sinne, dass ihr alles gleich gültig ist... (das absurde Universum) Sowas halt *hilflosmitdenSchulternzuck*


    Meursault entwickelt das weiter, was im ersten Teil bereits in seinem Charakter angelegt ist - Offenheit, Atheismus (Agnostizismus?), Toleranz des Anderen, aber auch völlige Konzentration auf das aktuelle Leben (deshalb schmeißt er den Geistlichen raus und sagt, er wolle seine wenigen restlichen Tage nicht mit Gott vergeuden) und eine noch einmal gesteigerte Wahrnehmung und Reflexion. Achte mal darauf, wie viel bilderreicher, farbiger die Sprache im zweiten Teil wird!


    Übrigens sagt Meursault irgendwann sogar (wenn ich mich richtig erinnere), er hätte sich auf jeden Fall so entwickelt, auch wenn er nicht im Todestrakt gelandet wäre! Vielleicht hat Camus den Mod benutzt, um
    a) diese Entwicklung zu forcieren, voranzutreiben und
    b) weil ein Mord sich immer gut macht und
    c) um noch einmal darauf hinzuweisen, dass auch wir (!) jederzeit sterben können. Wir sind nicht vor Mördern sicher *fg* Bedenke auch, dass der Mord im Prozess nur noch eine untergeordnete Rolle spielt; alle hängen sich an Meursaults Pietätlosigkeit gegenüber seine Mutter auf, und was er für ein unmoralischer Mann sei, dh. sie (va. der Staatsanwalt) stülpen ihm ihr moralisches Weltbild auf und verlangen, dass er hineinpasst...


    Hoffentlich konnte ich dir etwas dienen? :zwinker:


    PS: :sonne: ein wichtiges Motiv bei Camus :sonne:


    LG
    Nightfever

  • Ich finde Geschichte im Nachhinein richtig gut. Die Spannung liegt m.E. insgesamt darin, im Nachhinein darüber nachzudenken. Zuerst gingen mir diese kurzen Abgehackten Sätze ziemlich auf die Nerven, entpuppten sich aber im Nachheinein als guter Kunstgriff. Ich denke, es wäre fast fatal, dies hier öffentlich in allen Einzelheiten durchzudiskutieren. Wirklich schade, dass man sich so selten mal darüber unterhalten kann.


    MfG
    F. Hermann

  • Hi Sandhofer,


    das Problem ist, um etwas Vernünftiges dazu schreiben zu können, müsste man die Geschichte mindestens noch einmal lesen, vielleicht unter dem Gesichtspunkt, zu wissen, wie sie endet. Soviel ich gehört habe, ist sie auch Teil einer Trilogie. Camus scheint jedenfalls ein ziemlich interessanter Autor zu sein.


    MfG
    F. Hermann