Teixera de Pascoaes: Napoleon. Spiegel des Antichrist.

  • Hallo zusammen


    Ich habe heute bei schönem warmem Wetter auf der Terrasse dieses Buch zu Ende gelesen. Was soll ich dazu sagen?


    Es ist keine Biografie - auch wenn sich Pascoaes an den biografischen Daten Napeleons orientiert, um einen Faden in seinen Text zu bekommen. Es ist eher ein Dithyrambus auf Napoleon. Pescoaes, der "atheistische Mystiker", wie ihn sein Übersetzer Thelen genannt hat, tut nämlich genau das: Er singt ein Loblied auf den Antichristen Napoleon. Seine Gedankengänge dabei sind nicht logisch nachzuvollziehen. Er feiert in gewissem Sinn in Napoleon das Leben, den Tod, das Dasein und das Nicht-mehr-Dasein. Bergson lässt grüssen, Nietzsche sowieso, Dostojewskij. Bergson erwähnt er nie, die andern beiden recht häufig. Nur soviel habe ich verstanden, dass der Antichrist für den Portugiesen zwar der Teufel ist, aber deswegen keine negative Gestalt. Napoleons Leben folgt vorgegebenen Gesetzen, die er (Napoleon) aber selber formt. Teilweise. Nicht aber auf dem Höhepunkt seiner Kraft. Versteht das jemand? Ich nicht.


    Es ist ein Text, der ähnlich wie die grossen Balladen eines Fontane oder Meyer über die Klippen der Unlogik trägt und einen mythische Abgründe sehen lässt oder einem zumindest vorgaukelt, dass man sie sieht. Die Sprache reisst mit; ob das dem Autor oder seinem Übersetzer zuzuschreiben ist, kann ich nicht beurteilen. Dieses Buch ist wie Glühwein, es erhitzt, ohne nachhaltig zu wärmen. Aber: Es ist ein verdammt gut gemachter Glühwein.


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Danke Sandhofer für deinen interessanten Beitrag. Ich kannte das Buch gar nicht.
    Du hast Bergson auch genannt: Was hat in dem Buch an ihn Dich denken lassen?


    Viele Grüße
    wanderer

  • Du hast Bergson auch genannt: Was hat in dem Buch an ihn Dich denken lassen?


    Pascoaes' Ausführungen zum Leib-Seele-Problem (so weit ich sie verstanden habe, und so weit es "Ausführungen" sind) liessen mich an Bergsons Élan vital denken. Aber dann ist es lange her, dass ich Bergson gelesen habe.

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  • Pascoaes' Ausführungen zum Leib-Seele-Problem (so weit ich sie verstanden habe, und so weit es "Ausführungen" sind) liessen mich an Bergsons Élan vital denken.


    Hallo Sandhofer,


    ja, das hätte ich vermuten sollen. Ich kenne Essai sur les données immediates de la conscience. und Matière et Mémoire von Bergson: Leider habe ich auch die beide Bücher schon lange her gelesen.


    Viele Grüße
    wanderer


  • Es ist ein Text, der ähnlich wie die grossen Balladen eines Fontane oder Meyer über die Klippen der Unlogik trägt und einen mythische Abgründe sehen lässt oder einem zumindest vorgaukelt, dass man sie sieht.


    Schön gesagt! An welche Balladen dachtest du?


    Haben sich dir jetzt durch die Lektüre die Gründe für die enorme Verehrung Thelens für Pascoaes irgendwie erschlossen?( Das gehört jetzt eigentlich wieder in die Thelen-LR )

  • Schön gesagt! An welche Balladen dachtest du?


    Ich dachte an so bekannte Dinge wie Die Füsse im Feuer usw., usw.


    Haben sich dir jetzt durch die Lektüre die Gründe für die enorme Verehrung Thelens für Pascoaes irgendwie erschlossen?


    Nein. Ausser dass beide eine Tendenz haben zu stereotypen Aussagen über einzelne Völker, v.a. die Engländer in vorliegendem Fall.

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