Margriet de Moor

  • Hallo zusammen,


    vor kurzem habe ich den Roman "Sturmflut" von Margriet de Moor gelesen und bin davon sehr angetan.


    Der Roman spielt in den Niederlanden vorwiegend des Jahres 1953 und thematisiert das Leben zweier Schwestern, von denen eine, die verheiratete junge Mutter Lidy, bei der großen Sturmflutkatastrophe vom 1. Februar 1953 ums Leben kommt, während ihre jüngere Schwester Armada in ihre Rolle schlüpft und Mann und Kind der verstorbenen älteren Schwester übernimmt. Damit aber wird sie nicht glücklich,weil sie ihre eigene Identität verliert.


    Das Ganze wird sehr lakonisch und dabei doch immer ungeheuer spannend in zwei Erzählsträngen dargestellt. Während Lidys letzte Stunden minutiös und im historischen Detail wohl sehr präzise erzählt werden, schreitet das Leben von Armanda weiter voran, als jüngere Schwester, die mit dem Mann ihrer verreisten Schwester flirtet, neue Frau des Witwers von Lidy, als Mutter mehrerer Kinder sowie schließlich kurz vorm Tod im Altenheim.


    Zusätzlich zu den zwei Erzählsträngen ist der Roman in fünf Teile geteilt, die ein wenig wie der Aufbau einer Sinfonie mit zusätzlichem Epilog anmuten. De Moor ist wohl auch Musikerin und verleiht ihrer Sprache Eigenschaften von Musik: Besonders das ruhige Dahinströmen und das Crescendo gelingen ihr sehr gut, ohne dass irgend etwas überladen wirkt.


    Ein toller, sehr empfehlenswerter Roman, der uns außerdem in einen Raum und eine Zeit entführt, die trotz ihrer Nähe uns Mitteleuropäern des beginnenden 21. Jahrhunderts zum Teil sehr fern liegt. Das Leben z.B. der niederländischen Polderbauern vor 50 Jahren wird in sehr eindringlichen Bildern deutlich gemacht.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Moin, Moin!


    vor kurzem habe ich den Roman "Sturmflut" von Margriet de Moor gelesen und bin davon sehr angetan.


    Seit ihrem Erfolgsroman "Der Virtuose" von 1994 bin ich ihr treuer Fan und konnte bisher mit allen ihren Bücher etwas anfangen. Neben <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/A._F._Th._van_der_Heijden">Adrianus Franciscus Theodorus van der Heijden</a> eine der für mich herausragenden niederländischen AutorInnen.

  • Hallo zusammen,


    von Margriet de Moor habe ich "Erst grau dann weiß dann blau" im Regal stehen. Ich habe es vor Jahren angefangen und abgebrochen, weil ich einfach keinen Zugang gefunden habe. Im Rahmen des SUB-Wettbewerbs im Großen Forum werde ich dieses Buch jetzt nochmal angreifen. Hat es jemand unter Euch schon gelesen, und wie fandet Ihr es?


    Schöne Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo Manjula,


    ich habe im Rahmen einer Leserunde des Literaturcafés "Erst grau dann weiß dann blau" gelesen. Die Diskussion findest Du, falls Du nachlesen magst, hier: klicken


    Mir hat das Buch nicht besonders gefallen; die Gründe habe ich sicher in dem Leserundenthread dargelegt, kann sie aber jetzt nicht mehr nachvollziehen, weil ich mich an gar nichts mehr erinnern kann (außer an die Bedeutung des Titels, aber das ist auch alles).


    Vielleicht habe ich irgendwas nicht mitbekommen, was ist das denn für ein SUB-Wettbewerb?


    Ich habe da nämlich einen erstklassigen Kandidaten dafür, den ich bestimmt schon fünfmal angebissen und wieder weggelegt habe ... :rollen:


    lG Zefira

  • Hallo Zefira,


    vielen Dank für den Link, ich habe mir Eure Diskussion ausgedruckt und werde sie dann parallel zur Lektüre lesen. Beim ersten Überfliegen habe ich gesehen, dass der Zugang einigen Teilnehmern nicht so leicht fiel, das hat mich schon mal beruhigt.


    Falls Du Lust auf den SUB-Wettbewerb hast, die Anmeldefrist läuft bis 31.12. :zwinker:


    Schönen Sonntag noch.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo nochmal,


    ich habe "Erst grau dann weiß dann blau" nun gelesen und bin sehr angetan (ausführliche Rezension hier). Das war sicher nicht mein letztes Buch von Margriet de Moor.


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo,


    Eigentlich wollte ich kein Buch mehr von Margriet de Moor lesen. Ihr Roman "Die Verabredung" war fürchterlich, unlesbar, ein Lesemassaker. „Der Virtuose“ ist vom Thema an sich schon interessant. Der Roman spielt in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Carlotta, eine Frau aus einem Dorf in der Nähe Neapels, verliebt sich in den Kastratensänger Gasparo Conti.


    Im Roman heißt es, dass kastrierte Jungen, wenn die Wunde geheilt ist, ihr normales Körpergefühl, und alle Lebenslust wieder erhalten. So sicher bin ich mir da aber nicht, wenn ich die Passagen lese, wo sie beieinander liegen, da glänzen zwar noch seine Augen, aber sein wirkliches sexuelles Interesse scheint entschwunden zu sein. de Moors krampfhafter Versuch, den sexuellen Akt mit Vokalen, Konsonanten und Gesangstechnik zu verbinden, ist recht lustlos. Und dann die fürchterlichen Sexratgebervorschläge auf unterem Coelho-Niveau, die Carlotta sich in Gedanken selber gibt, sind schon eine Beleidigung für den Leser:


    "Mach nicht so viel Trara, sei nett, aber bring nicht zuviel Technik ins Spiel...“ (ok., das langt).


    Am Rande erfahren wir doch, dass Kastraten einen Teil ihrer Männlichkeit eingebüßt haben: keine Körperbehaarung, „matte Befriedigung“ usw. Gasparo erscheint bleich und teilnahmslos, das mag auch daran liegen, das Margriet de Moor ihre Figuren nicht wirklich zum Leben bringen kann. Carlotta erscheint ja auch nur oberflächlich und fordernd. Sex scheint sich bei ihr hauptsächlich im Kopf abzuspielen, sie will dies, sie will das, aber mit so einer entlüsternden Kastratenerscheinung ist es ein Handicap. Ich vermute, de Moor wollte nicht so eine Wirkung erzielen, hat sie aber.


    Zugutehalten muss man der Autorin, wie sie die Geschichte in einen historischen Rahmen eingebettet hat, auch scheint sie sich mit der Barockmusik und der italienischen Oper auseinandergesetzt zu haben. Doch auch in ihren Musikbeschreibungen erblüht Margriet de Moor nicht als große Erzählerin, sondern diese Passagen wirken nur musiktechnisch überfrachtet und unelegant.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Im Roman heißt es, dass kastrierte Jungen, wenn die Wunde geheilt ist, ihr normales Körpergefühl, und alle Lebenslust wieder erhalten. So sicher bin ich mir da aber nicht, wenn ich die Passagen lese, wo sie beieinander liegen, da glänzen zwar noch seine Augen, aber sein wirkliches sexuelles Interesse scheint entschwunden zu sein.


    Ich verstehe nicht ganz (Dich oder die Autorin?). Wenn ich meinen Hund (egal ob Männchen oder Weibchen) kastrieren lasse, dann doch genau mit dem Sinn und Zweck, dass dessen sexuelles Interesse entschwindet. Das kann beim Menschen kaum anders sein, oder? Ich weiss, dass es Kastraten gab, die geheiratet haben - aber was sich da an Sexualität abspielte, entzieht sich meiner Kenntnis. Wohl wenig bis gar nichts.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • "Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo." (Das sang einmal André Heller)
    Ich denke, dass das auch für die Sexualität gilt - es gibt ja auch Menschen mit Behinderungen, die durchaus ein erfülltes Sexualleben haben...
    ...andererseits, ich halte dieses Thema nicht für den Kern der Geschichte im besagten Buch (das ich im übrigen für weniger gelungen halte als die anderen Werke der Autorin, die ich dennoch - wie einige andere Niederländer/innen in der Literatur sehr schätze).

  • Ich verstehe nicht ganz (Dich oder die Autorin?). Wenn ich meinen Hund (egal ob Männchen oder Weibchen) kastrieren lasse, dann doch genau mit dem Sinn und Zweck, dass dessen sexuelles Interesse entschwindet. Das kann beim Menschen kaum anders sein, oder? Ich weiss, dass es Kastraten gab, die geheiratet haben - aber was sich da an Sexualität abspielte, entzieht sich meiner Kenntnis. Wohl wenig bis gar nichts.


    Es besteht ein Widerspruch. Zuerst wird gesagt, ihr normales Körpergefühl und alle Lebenslust bleibt erhalten, dann aber doch nicht, weil das sexuelle Interesse entschwindet. Gasparo wurde ja vor der Pubertät kastriert, damit er nicht in den Stimmbruch kommt. So was das damals üblich. Bei Wikipedia gibt es zwei Interessante Artikel zum Thema (Kastrat und Kastration ), worin darin auch auf die problematische Seite dieser Praxis eingegangen wird.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Es besteht ein Widerspruch. Zuerst wird gesagt, ihr normales Körpergefühl und alle Lebenslust bleibt erhalten, dann aber doch nicht, weil das sexuelle Interesse entschwindet.


    M.a.W.: Die Autorin veranstaltet ein Kuddelmuddel, und das in einem zentralen Punkt des Romans? Gut zu wissen, so etwas mag ich nämlich ganz und gar nicht. Es ist ja der springende Punkt der Kastration, dass sich das sexuelle Interesse gar nicht erst entwickelt, bzw. bei Spätkastration mehr oder weniger zurückbildet. Wenn Gasparo vor der Pubertät kastriert wurde, sollte es sich allerdings wirklich gar nicht erst entwickelt haben, nicht "entschwunden" sein ... Jedenfalls wenn ich von meinen Hunden auf Menschen schliessen darf ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus