Juni 2009 - T. Mann: Buddenbrooks

  • Liebe Mitstreiter,


    da ich voraussichtlich am morgigen Pfingstmontag nicht dazu kommen werde, unsere Leserunde zu eröffnen, schreite ich vorsichtshalber heute schon zur Tat. Ich freue mich auf unsere Lektüre und wünsche uns viel Spaß!


    Frohe Pfingsten!


    Tom

  • Hier sind unsere Materialien.


    Zunächst, etwas einfallslos, die wikipedia-Ergüsse:


    Der Autor
    http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Mann


    „Buddenbrooks“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Buddenbrooks


    Die Links zu den Verfilmungen (aus den Jahren 1959 und 2008) funktionieren aus unerfindlichen Gründen nicht. Folgt einfach den Hinweisen im wikipedia-Artikel "Buddenbrooks".


    Interessant ist das Thomas Mann-Figurenlexikon (falls mal der Überblick verlorengeht):
    http://www.literaturlexikon-online.de/


    Sonstige Fundstücke:


    Rainer Maria Rilke hat den gleichaltrigen Kollegen Thomas Mann nach dem Erscheinen der „Buddenbrooks“ sehr gelobt: „Man wird sich diesen Namen unbedingt notieren müssen. Mit einem Roman von elfhundert Seiten hat Thomas Mann einen Beweis von Arbeitskraft und Können gegeben, den man nicht übersehen kann. […] Es ist ein Buch ganz ohne Überhebung des Schriftstellers. Ein Akt der Ehrfurcht vor dem Leben, welches gut und gerecht ist, indem es geschieht.“


    Aus einer Thomas Mann-Laudatio Daniel Kehlmanns: „Sein Werk ist von unvergleichlicher Perfektion, voll Witz und voller Dämonen, voll Schönheit und dunkler Winkel, denen man sich nur unter Aufbietung seines ganzen Mutes nähern kann.“


    Eine letzte Kleinigkeit am Rande. Angsichts der Breloer-Neuverfilmung fragte ein Zeitungsrezensent: „Ist nicht manches an der Kunst des "Zauberers" in die Jahre gekommen? Die ziselierte Sprache etwa? Und vor allem Manns Flirt mit Morbidezza und Dekadenz?“


    Wir werden es feststellen.


    Viele Grüße


    Tom

  • Ich habe mir heute das Buch aus der Bib geholt und zu lesen begonnen. Bisher habe ich nur das erste Kapitel gelesen und bin mit dem Namen noch ein wenig durcheinander, aber das wird schon noch.


    Katrin

  • Habe den ersten Kapitel auch gelesen und es liest sich alles flüssig. Thomas Mann schreibt ja in diesem Roman ohne große Verschlüsselungen die Geschichte seiner Familie und ihrer Stellung in der Vaterstadt Lübeck.

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo zusammen,


    ich bin auch noch nicht sehr weit gekommen, habe ca. 40 Seiten gelesen. Ich habe das Buch schon einmal vor ca. 10 Jahren gelesen, erinnere mich aber kaum noch. Die vielen Namen am Anfang sind wirklich etwas verwirrend, das gibt sich aber mit der Zeit. Ich werde wohl erst am Wochenende dazu kommen, mehr zu lesen...


    Viele Grüße
    thopas

  • Der erste Teil ist gelesen – Zeit für einige Anmerkungen.


    Wie Thomas Mann die einzelnen Familienmitglieder vorstellt und einführt, wie er die gehobene, aber doch spießige Umgebung der repräsentabel gewordenen und neureichen Buddenbrooks schildert, hat mir sehr gefallen. Sehr gekonnt finde ich die Versammlung des Kleinstadtpersonals (Pfarrer, Händler, Makler, Stadtpoet etc.), das mit all den kleinen und großen Macken lächerlich gemacht wird.


    Auch das zentrale Thema "Verfall" wird angeschnitten. Das Schicksal des Vorbesitzers des Buddenbrook-Hauses, der Firma Ratenkamp & Komp., löst allgemeine Betroffenheit aus. Das bezeugte Mitleid will mir allerdings als pure Heuchelei erscheinen, denn letztendlich ist die Runde sich einig, dass der Vorbesitzer einfach zu viele unverzeihliche Fehler begangen und damit seinen ökonomischen Untergang selbst herbeigeführt habe.


    Apropos Ökonomie: Schnell wird deutlich, dass in der Familie Buddenbrook ganz besondere "Regeln" gelten in Bezug auf das, was die einzelnen Familienmitglieder sich erlauben können. Der Erbschaftstreit mit Gotthold Buddenbrook zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass der Einzelne sich in seinen Wünschen immer dem Wohl der Firma unterzuordnen hat. Familäre Entscheidungen werden gefällt als handele es sich um geschäftliche Transaktionen. Kein Zweifel: Diese Familie tickt nach der Uhr der neuen Zeit, in der das Bürgertum den Ton angibt und in der die Ökonomie gleichermaßen Triebfeder und Glaubensbekenntnis ist. Schon die achtjährige Antonie wird vom Großvater scherzhaft nach dem Preis für einen Sack Weizen gefragt ...


    Die Gotthold-Geschichte ist ein Hinweis auf innerfamiliäre Bruchstellen, die auf unterschiedlichen moralischen Vorstellungen beruhen. Auch zwischen dem alten Johann Buddenbrook und dessen Sohn Jean (dem Konsul) gibt es Unstimmigkeiten. Der Alte verlacht die religiösen Ansichten seines Nachfolgers (dessen "Bete und arbeite" fast mönchisch klingt), zeigt aber auch eine erstaunliche Verachtung für "praktische Ideale" ("Bergwerke, Industrie, Geldverdienen ... Brav das alles, höchst brav! Aber ein bißchen stupide, wie?"). Das lächerliche Verhalten seines Enkels Christian tadelt der Patriarch mit scharfen Worten (´N Aap is hei!), während er dem in meinen Augen ebenfalls lächerlichen Dichter Hoffstede wohlgesonnen ist. Überhaupt will der alte Buddenbrook mir als die zwiespältigste Person des ersten Teils erscheinen.


    Soviel für den Augenblick.


    LG


    Tom

  • Kennt jemand den Aufsatz „Lübeck als geistige Lebensform“? Darin soll Thomas Mann nach dem Erscheinen der „Buddenbrooks“ (und als Reaktion auf beleidigte Stimmen aus seiner Geburtsstadt) abgerechnet haben mit all dem Dünkel und der Provinzialität, die sich im Roman auf eine Reihe von Figuren verteilen. So weit mir bekannt ist, wirft er den Lübecker Großbürgern vor, ihre engstirnige Krämermentalität mit sozialem Prestige zu verwechseln. Auch die fassadenhafte, selbstüberzeugte, im Grunde jedoch zutiefst heuchlerische Würde der Kaufmannspatriarchen soll in diesem Essay angeprangert worden sein.


    Wer hat dieses Stück schon einmal gelesen?


    LG


    Tom

  • Kenne den Aufsatz leider nicht. Danke für die Info! :zwinker:


    LG, Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Ich habe nun den ersten Teil ebenfalls beendet und entgegen meiner ersten Annahme liest sich das Buch sehr flüssig.


    Mittlerweile habe ich das erste Kapitel des zweiten Teils hinter mir und die kleine Clara ist bereits auf der Welt. Bisher bin ich sehr begeistert von dem Buch und ich bin froh, dass ich nach dem "Zauberberg" noch einmal einen Mann lese.


    Katrin


  • Bisher bin ich sehr begeistert von dem Buch ...


    Ich teile Deine Begeisterung, die steigerungsfähig ist, falls Du Dir etwas mehr entlocken lässt ... :zwinker:



    ... habe ca. 40 Seiten gelesen.


    Fein! Und?



    Habe den ersten Kapitel auch gelesen und es liest sich alles flüssig.


    Ja! Und sonst?


    Ich mache eine kleine Lesepause und warte auf Euch.


    Ein schönes Wochenende!


    Tom


  • Ich teile Deine Begeisterung, die steigerungsfähig ist, falls Du Dir etwas mehr entlocken lässt ... :zwinker:


    Nun, ich kann dir gerne sagen wieso ich begeistert bin. Ich habe es erst wieder kürzlich mit dem Zauberberg versucht und bin, wieder einmal, kläglich gescheitert. Ich habe diese ganze atmosphärische Erzählung, in der seitenlang nichts passiert, nicht ausgehalten.


    Buddenbrooks ist ganz anders. Das Buch hat eine Handlung, die auch noch spannend ist. Man erfährt schon allein in den ersten Seiten mit wem man es zu tun hat. Und ich finde auch die kleinen Anspielungen über die Familie sehr spannend. Vor allem, dass der alte Buddenbrook seinen ersten Sohn im Grunde nicht leiden kann, weil seine erste Frau nach dessen Geburt gestorben ist, hat mich überrascht.


    Eigentlich war ich immer der Ansicht, dass die Kinder (vor allem die Burschen) über dem Leben der Frau standen. Das es hier anders ist, hat mich eigentlich erstaunt.


    Und nun werde ich weiterlesen und mal schauen wie weit ich heute noch komme.


    Katrin


  • (...)Ich habe es erst wieder kürzlich mit dem Zauberberg versucht und bin, wieder einmal, kläglich gescheitert. Ich habe diese ganze atmosphärische Erzählung, in der seitenlang nichts passiert, nicht ausgehalten.


    Buddenbrooks ist ganz anders. Das Buch hat eine Handlung, die auch noch spannend ist. (...)


    Das ging mir bei meiner ersten Zauberberg-Lektüre nicht anders. Nach ca. der Hälfte habe ich das Handtuch geschmissen. Und war dementsprechend positiv überrascht, daß sich die Buddenbrooks so angenehm lesen und auch etwas mehr Handlung bieten. Inzwischen habe ich allerdings auch den Zauberberg komplett gelesen, hat aber mehr als 10 Jahre gedauert, bevor ich einen zweiten Versuch gewagt habe...


    Zurück zu den Buddenbrooks: ich finde den Anfang des Buches ganz spannend zu lesen. Thomas Mann streut schon überall die kleinen Hinweise ein, daß es mit den Buddenbrooks wohl bald bergab gehen wird. Allein die Kinder des Konsuls haben alle Eigenschaften, die eindeutig auf den Verfall der Familie hindeuten (z.B. Thomas' gelbliche Zähne). Aber auch der Konsul selbst wirkt sehr vergeistigt und blutleer, wenn man ihn im Gegensatz zu seinem Vater betrachtet. (Der Vater des Konsuls wirkt nicht unbedingt sympathisch, ist aber zumindest noch ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Emotionen.)


    Ich bin gerade im zweiten Kapitel des zweiten Teils. Die kleine Tony fühlt sich stark zum Luxusleben ihrer Großeltern hingezogen, was wohl auch kein gutes Zeichen für die Zukunft bedeutet.


    Viele Grüße
    thopas

  • Im ersten Teil habe ich mich gerade für das Familienoberhaupt Johann Buddenbrook interessiert, weil mir aufgefallen ist wie er im Privaten so ein unnachgiebiger Großkaufmann ist.
    Fasziniert bin ich auch über den Konflikt zwischen Johann Buddenbrook und seinem Sohn aus erster Ehe, Gotthold. Er fordert brieflich als Ausgleich für den Erwerb des Hauses einen Drittel-Anteil von 33.335 Courantmark. Der Vater bleibt aber hart.
    Mann oh Mann da ziehen dunkle Wolken auf.
    Beginne am Wochenende mit dem zweiten Teil.

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Ich stoße jetzt auch dazu. Den ersten Teil habe ich gestern abend und heute gelesen.
    Ganz am Ende des ersten Teils sagt Konsul Buddenbrook, an diesem Abend hätten die Familie Buddenbrook gefeiert, weil sie etwas geleistet haben, die Familie auf eine Höhe gehoben haben, wo ihr Anerkennung von allen Seiten zuteil wird usw. Kann es sein, dass das schon der Höhepunkt war und dass es von jetzt an bergab geht?


    Der alte M. Buddenbrook und sein Sohn sind tatsächlich ganz verschieden. Der alte Herr folgt seinen Vorstellungen, ohne sie allzusehr zu hinterfragen. Gotthold "verstößt" er, weil er eine Mesalliance eingegangen ist und einen "Laden geheiratet" hat. Konsul Buddenbrook hat schon Zweifel, ob das ein ausreichender Grund ist und hält das Standesbewusstsein des Vaters eher für eine "kleine Schwäche". Überhaupt sieht der Konsul im Konflikt mit Gotthold immer auch die andere Seite und muss sich erst mühsam durchringen, bis er mit seinem Vater einig ist, dass Gotthold kein Geld bekommen soll.
    Ich habe anscheinend überlesen, dass die Abneigung des alten M. Buddenbrook gegen Gotthold letztlich aus dem Tod seiner ersten Frau resultiert, oder kommt das erst im zweiten Teil?


    Auch als über den Garten der Buddenbrooks geredet wird, der lange Zeit sich selbst überlassen wurde, merkt man den Unterschied zwischen den beiden Johnann Buddenbrooks. Konsul Buddenbrook fühlt sich als Teil der Natur und fragt sich, ob es denn richtig sei, die Natur zurechtzustutzen; für den alten Herrn ist das keine Frage: Dieses Stück Natur gehört ihm und damit basta.


    Das beste Beispiel ist natürlich der Bankerott der Firma Ratenkamp und die Partnerschaft mit Geelmack.

  • Willkommen in der Leserunde, Nautilus!



    Ganz am Ende des ersten Teils sagt Konsul Buddenbrook, an diesem Abend hätten die Familie Buddenbrook gefeiert, weil sie etwas geleistet haben, die Familie auf eine Höhe gehoben haben, wo ihr Anerkennung von allen Seiten zuteil wird usw. Kann es sein, dass das schon der Höhepunkt war und dass es von jetzt an bergab geht?


    Ich denke auch, daß das der Höhepunkt war, und es fortan nur noch bergab gehen wird. Der Konsul hat ja auch Bedenken, seinem Halbbruder Gotthold das geforderte Geld zu verweigern, weil es ein schlechtes Omen für die Firma sein könnte, oder so ähnlich. Letztendlich entscheidet er sich allerdings doch dafür, daß ihm die Firma wichtiger ist als sein Halbbruder, und das ist vermutlich dann auch der "point of no return" :zwinker:



    Ich habe anscheinend überlesen, dass die Abneigung des alten M. Buddenbrook gegen Gotthold letztlich aus dem Tod seiner ersten Frau resultiert, oder kommt das erst im zweiten Teil?


    Ich dachte, das wäre schon im ersten Teil vorgekommen, finde jetzt aber auf die schnelle die Stelle nicht...


    Momentan bin ich mitten im dritten Teil, in dem Tony in eine Ehe mit Bendix Grünlich gedrängt werden soll. Da ist es für sie dann doch nicht mehr so schön, Teil einer traditionsreichen Familie zu sein, wo man von ihr eine vorteilhafte Heirat erwartet. Allerdings sind ja auch der Konsul und seine Frau Bethsy eine Vernunftehe eingegangen, somit gehen sie davon aus, daß sie von ihrer Tochter dasselbe verlangen können. Es wäre interessant gewesen, die Meinung des alten Johann Buddenbrook zu Tonys Vernunftehe zu hören...


    Tony fährt nun gerade nach Travemünde, um sich von Grünlichs Avancen und dem Drängen ihrer Familie zu erholen; mal sehen, was passiert.


  • Es wäre interessant gewesen, die Meinung des alten Johann Buddenbrook zu Tonys Vernunftehe zu hören...


    Er hätte Grünlich mit Sicherheit abgelehnt. Johann Buddenbrook scheint mir so etwas wie ein letzter Repräsentant des 18. Jahrhunderts zu sein. Das beginnt mit Äußerlichkeiten (er trägt keine langen Beinkleider, pudert die Haare und trägt sie mit Zopf) und geht weiter mit Einstellungen, die den Geist der Aufklärung durchscheinen lassen: antiklerikal (Ablehnung der Frömmelei seines Sohnes, des Konsuls), naturbeherrschend (der verwilderte Garten ist ihm zuwider) und skeptisch gegenüber den politischen Entwicklungen, die in Frankreich ein extrem raffgieriges und skrupelloses Bürgertum an die Macht gebracht haben (vgl. Balzac und Stendhal). Der Patriarch ist somit ein Bürger „alten Schlags“: Er orientiert sich nicht allzusehr am neuen, kapitalistischen Geist und ist bestrebt, die Etikette seiner Jugend, die sich an den Idealen des aufgeklärten Adels orientiert, aufrechtzuerhalten.


    Viele Grüße


    Tom


  • Kann es sein, dass das schon der Höhepunkt war und dass es von jetzt an bergab geht?


    Ich denke ja.


    Das Geschäftsmotto kann man sehr schön aus der Familienchronik entnehmen: "Sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht gut schlafen können."


    Der Roman liest sich zwar flüssig, aber ich stolpere über manche Wörter, weil sie mir nicht geläufig sind. Außerdem kann ich kein Latein und werde dadurch manchmal beim Lesen unterbrochen. :redface:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Ich dachte, das wäre schon im ersten Teil vorgekommen, finde jetzt aber auf die schnelle die Stelle nicht...


    Hab's jetzt, es ist ganz am Anfang des zweiten Teils. :smile:


    Ich habe schnell weitergelesen, vielleicht zu schnell, aber das Buch entwickelt einen richtigen Sog. Ich bin jetzt bei Thomas Buddenbrooks Brief, die Verlobung mit Gerda Arnoldsen betreffend.



    Momentan bin ich mitten im dritten Teil, in dem Tony in eine Ehe mit Bendix Grünlich gedrängt werden soll. Da ist es für sie dann doch nicht mehr so schön, Teil einer traditionsreichen Familie zu sein, wo man von ihr eine vorteilhafte Heirat erwartet. Allerdings sind ja auch der Konsul und seine Frau Bethsy eine Vernunftehe eingegangen, somit gehen sie davon aus, daß sie von ihrer Tochter dasselbe verlangen können. Es wäre interessant gewesen, die Meinung des alten Johann Buddenbrook zu Tonys Vernunftehe zu hören...


    Tony fährt nun gerade nach Travemünde, um sich von Grünlichs Avancen und dem Drängen ihrer Familie zu erholen; mal sehen, was passiert.


    Grünlichs Werbung um Tony und die Eheschließung, inklusive einer Selbstmorddrohung gegenüber dem Konsul, ist widerlich. Konsul und Konsulin Buddenbrook reden Tony zu, spannen sogar den Pastor ein - und das Ergebnis? Ein Fiasko.
    Zur kurzen Liebelei mit Morten Schwarzkopf, speziell zu der Stunde am Strand, als sie sich küssen, hat Thomas Mann lt. Kommentar angemerkt, das sei die glücklichste Stunde Tonys.
    Der Konsul macht sich Vorwürfe, aber ich glaube, er hat wirklich keine große Schuld, dass er Grünlichs prekäre finanzielle Situation nicht bemerkt hat. Er hat sich ja nicht nur von Grünlich die (gefälschten) Bücher zeigen lassen, er hat auch bei respektablen Hamburger Firmen angefragt und sich über Grünlich erkundigt (Goudstikker und wie sie alle heißen).
    Nach dem Gespräch mit Grünlich und Kesselmeyer fällt eine schöne Bemerkung über Konsul Buddenbrook: "und wieder durchschauerte ihn [Konsul Buddenbrook] die schwärmerische Ehrfurcht seiner Generation vor menschlichen Gefühlen, die stets mit seinem nüchternen und praktischen Geschäftssinn in Hader gelegen hatte".


    Tony Buddenbrook finde ich auf ihre Art imponierend. Ihr Leben verläuft tatsächlich nicht sehr glücklich, aber sie hat eine bemerkenswerte Fähigkeit, aus allem das beste zu machen.


    Die "Revolution" in Lübeck zeigt noch einmal den Unterschied zwischen der alten Generation (Konsul Lebrecht Kröger) und der mittleren (Konsul Buddenbrook). Kröger ist, auf seine Art, außer sich, und Buddenbrook geht nach draußen und spricht mit den Leuten. Thomas Mann zeigt hier einigen Sinn für Komik. Die Revolutionäre raunen sich sofort zu, der Kunsel könne höllisch fuchtig werden, dass die Lampen nicht angezündet werden, heiße denn doch, die Revolution zu weit zu treiben, die "doppelte Republik"...
    Letzteres ist wohl keine Erfindung von Thomas Mann, sondern eine verbreitete Anekdote, sagt der Kommentar.


    Christian und Thomas verschwinden auf einige Zeit von der Bildfläche. Eine schöne Idee; es leuchtet dem Leser dann leichter ein, wie sehr sie sich verändert haben.

  • Hi Nautilus,


    Du bist - zumindest was mich anbelangt - recht weit vorausgeeilt. Das macht aber nichts, denn an die grobe Handlung kann ich mich noch gut erinnern, obwohl die Erstlektüre weit zurück liegt. Du schreibst übrigens zweimal etwas von einem "Kommentar". Um welchen handelt es sich? Etwa um den der "Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe'"?


    Viele Grüße


    Tom