Der Rezensentenmob im Internet


  • Eine erfrischende Form der Rezension bietet www.vorablesen.de


    Eine gute Möglichkeit vorab Interesse zu wecken und "spielerisch" Werbung zu machen. Die Buchauswahl trifft zwar nicht meinen Geschmack, aber durch die beschränkte Auswahl auf wenige Werke, die in zeitlichem Abstand freigeschaltet werden, lädt es zum reinschauen und zur Diskussion ein. Zumal ich die meißten Bücher sonst nicht mal aus der Ferne anschauen würde...


    "Erfrischend" ist in diesem Zusammenhang ein gewagtes Epitheton, da gäbe es möglicherweise treffendere Bezeichnungen, die aber die gute Kinderstube zu verwenden verbietet.


    Als einigermaßen erfahrener Antiquariatsbesucher vermag man anhand der Buchumschläge bereits eine Vorauswahl zu treffen. Von den dort präsentierten Werken würde ich keines geschenkt wollen - und die Besprecher scheinen alle den gleichen Volkshochschulkurs für Rezensenten besucht zu haben. Da ist auch durch das beste Impressum nichts mehr zu retten ;-) Was etwa soll man mit einem Buch machen, dessen Inhaltsbeschreibung sich wie folgt liest:


    "Rina, TV-Produzentin und echte Powerfrau, Mutter von zwei Kindern, geschieden und glücklich liiert, erfährt mit 48 Jahren, dass sie einen Tumor zwischen Herz und Lunge hat. Doch sie hat Glück, denn Erez Green, ein begnadeter Chirurg, schafft es, den Tumor zu entfernen – und berührt dabei ihr Herz, im wahrsten Sinne des Wortes."


    Ich besitze einen Zentralheizungsofen für feste Brennstoffe - was aber machen Menschen mit Ölheizung oder Fernwärme? Arme Papiermülltonne ...

  • Um Missverständnissen (beim letzten Posting) vorzubeugen: Ich habe gegen eine solche Form der "Literatur" nicht das geringste. Mich langweilt sie (vergleichbar irgendwelchen Daily Soaps oder Vorabendserien); das bedeutet keineswegs, dass ich ihr die Existenzberechtigung absprechen würde. Eigentlich kann ich über solche Bücher gar nicht urteilen (und will es auch nicht), weil sie nicht zu jener Gruppe Bücher gehören, die ich als Literatur im weitesten Sinne bezeichnen würde (Bücher, mit deren Inhalt man sich in irgendeiner Form auseinandersetzen kann, deren Sprache nicht bloß zum Fortschreiben eines Handlungsablaufes - nebst gutem oder schlechtem Ende - dient).


    Man kann solche Bücher auch nicht "besprechen", man kann bloß Inhaltsangaben liefern (wie bei den erwähnten Fernsehserien oder bei Hollywoodfilmen). Es ist schlicht eine von vielen Formen der Unterhaltung - und jeder wählt für sich aus. Ärgerlich werden solche Bücher (bzw. Besprechungen) immer nur dann, wenn sie plötzlich einen Anspruch zu stellen sich anmaßen, den sie nicht einhalten können. So habe ich etwa das häufige Harry Potter-Bashing überhaupt nicht verstanden. Das ist ein Jugendroman - und er will auch nicht mehr sein. Vom Räuber Hotzenplotz oder dem gestiefelten Kater erwartet ja auch keiner philosophische Erkenntnisse. Insofern habe ich den Büchern auf der verlinkten Seite ein wenig Unrecht getan. Erst wenn dieses Buch von Rina Frank, dessen Kurzbeschreibung ich im vorigen Posting zitiert habe, den Anspruch auf "hohe Literatur" stellen würde (die Autorin oder der Rezensent), erst dann wäre eine harsche Kritik berechtigt.


    Und so ist der Satz mit dem Entsorgen in Ofen oder Tonne missverständlich und wohl unangebracht, weil ich zur Annahme neige, dass eben der vorhin erwähnte Anspruch nicht gestellt wird.


    Grüße


    s.

  • Ich besitze einen Zentralheizungsofen für feste Brennstoffe - was aber machen Menschen mit Ölheizung oder Fernwärme? Arme Papiermülltonne ...


    Nun - jedenfalls im Sommer benötigt mein Grill auch Material, um entzündet zu werden ... :breitgrins:


    So habe ich etwa das häufige Harry Potter-Bashing überhaupt nicht verstanden. Das ist ein Jugendroman - und er will auch nicht mehr sein. [...] Erst wenn dieses Buch von Rina Frank, dessen Kurzbeschreibung ich im vorigen Posting zitiert habe, den Anspruch auf "hohe Literatur" stellen würde (die Autorin oder der Rezensent), erst dann wäre eine harsche Kritik berechtigt.-


    Ersteres mag sein - oder auch nicht. Es gab bzw. gibt aber Kritiker, die in Potters Harry einen höheren bzw. tieferen Sinn zu sehen vermögen. Und da stelle ich mich auf die Hinterfüsse ... Insofern verstehe ich jeden, der (z.B.) auch dem Buch von Frau Frank (so das denn ihr/sein bürgerlicher Name ist) schon mal - quasi prophylaktisch - eins auf den (Buch)Deckel gibt ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Man kann solche Bücher auch nicht "besprechen", man kann bloß Inhaltsangaben liefern (wie bei den erwähnten Fernsehserien oder bei Hollywoodfilmen).


    Ts, da kennst Du sagenwirmal "Buffy – The Vampire Slayer" nicht. Oder "Dead Like Me". Und ein paar andere Serien auch nicht. Gegen eine gute TV-Serie verdampfen gefühlte 90 % der bedeutungsschwangeren Tagesliteratur in das ihnen gebührende Nichts. (Btw - ich halte es da mit Raymond Chandler: Shakespeare würde nicht über das Fernsehen schimpfen, sondern sich fragen, was man damit machen kann. Und ohne, dass ich die guten bis sehr guten Serien-Autoren nun gleich für Shakespeare halten wollte: sie arbeiten mit der Form. Und die Ergebenisse sind mitunter erstaunlich.)


    Zitat

    Vom Räuber Hotzenplotz oder dem gestiefelten Kater erwartet ja auch keiner philosophische Erkenntnisse.


    Der Witz ist ja, dass man sie von HP durchaus bekommen kann. Also jugendgerecht aufbereitet, aber doch. Azkaban und die Dementoren bei Harry Potter sind zB eine sehr sagenwirmal jugendgerechte Darstellung von "Depression". (Disclaimer: ich liebe Harry Potter 8-))


  • Ts, da kennst Du sagenwirmal "Buffy – The Vampire Slayer" nicht. Oder "Dead Like Me". Und ein paar andere Serien auch nicht. Gegen eine gute TV-Serie verdampfen gefühlte 90 % der bedeutungsschwangeren Tagesliteratur in das ihnen gebührende Nichts. (Btw - ich halte es da mit Raymond Chandler: Shakespeare würde nicht über das Fernsehen schimpfen, sondern sich fragen, was man damit machen kann. Und ohne, dass ich die guten bis sehr guten Serien-Autoren nun gleich für Shakespeare halten wollte: sie arbeiten mit der Form. Und die Ergebenisse sind mitunter erstaunlich.)


    Was die Serien betrifft, hatte ich eher die Herz-Schmerz Daily-Soaps im Auge. Aber dass es TV-Serien gibt, die ganz ausgezeichnet sind, in jedem Fall ungleich besser als die im Link angeführten Bücher, bezweifle ich nicht im mindesten (obschon keineswegs ein Experte in diesen Dingen).


    Der Witz ist ja, dass man sie von HP durchaus bekommen kann. Also jugendgerecht aufbereitet, aber doch. Azkaban und die Dementoren bei Harry Potter sind zB eine sehr sagenwirmal jugendgerechte Darstellung von "Depression". (Disclaimer: ich liebe Harry Potter 8-))


    Ich vermag den Smily nicht so ganz zu deuten und bin mir unsicher, ob du nicht zu scherzen beliebst ;-). - Ich weiß nicht, ich kenne zwar auch alle Bände (bis auf den letzten, weiß also noch immer nicht, wie's ausgeht), aber ob das eine "jugendgerechte Darstellung der Depression" ist? (Vielleicht melden sich depressive Jugendliche an dieser Stelle zu Wort.) Ich finde HP nicht besonders originell, auch nicht besonders schlecht. Jugendbuch, die Idee vom Jungen, der es den Erwachsenen mal so richtig zeigt, ist unzählige Male schon verarbeitet worden - von Pippi und den 5 Freunden bis ich weiß nicht was. Aber sicher besser als Frau Frank mit ihrer Herzoperation (auf diese Vermutung lege ich mich fest).


    Grüße


    s.

  • HP hat meiner Meinung nach nichts mit der Beschreibung einer Depression zu tun. Es braucht keine Finesse um in der Pubertät Züge einer Depression zu finden. Eine Identitätskrise in diesem Lebensabschnitt ist normativ.
    HP ist m. E. eher ein "Außenseiterroman", Schwerpunkt Hochbegabung.


  • Aber dass es TV-Serien gibt, die ganz ausgezeichnet sind, in jedem Fall ungleich besser als die im Link angeführten Bücher, bezweifle ich nicht im mindesten


    no doubt about it. Die Serien, die ich schätze, würden sich über diesen Unfug von wegen "Herz berühren" nur amüsieren (wobei mir einfällt - Buffy tut das sogar explizit, aber das führt hier zu weit).


    Zitat

    Ich vermag den Smily nicht so ganz zu deuten


    das gibt’s nicht viel zu deuten. Ich lache gerne. Und meine eigentlich alles genau so, wie ich es schreibe 8-)

  • Das gehört nun wirklich nicht hier her, aber: ich bin ein großer Fan von Buffy the Vampire Slayer. Und um das gemeinte Zitat dann doch noch zu bringen:


  • [quote author=Christoph Schröder]
    "Ein guter Freund von mir, der Schriftsteller ist, hat kürzlich zu mir gesagt, dass er Berlin für eine völlig literaturverhindernde Stadt hält. Einfach deshalb, weil dort die Themen schon diskursiv vorgegeben sind und die Freiheit fehlt, sich mit bestimmten Themen nicht auseinander zu setzen. Nicht alle Themen sind literaturfähig. Literatur muss nicht etwas mit Gegenwart zu tun haben. Und in dem Augenblick, in dem man in einer Stadt ist, die nur für die Gegenwart lebt, wie Berlin, ist das aus schriftstellerischer Sicht sicher horizontverengend."
    [/quote]



    Wenn ich solche Sätze lese, staune ich immer über die apostrophierte "Horizontverengung" dessen, der sie von sich gibt. Als ob gute Literatur nicht alle Themen besetzen könnte (wenn sie denn gut gemacht ist), als ob nicht auch in Brunsbüttel, Wanne-Eickel und jeder beliebigen Großstadt geschrieben werden könne. Und welche Themen "diskursiv vorgegeben" sind - etwa in vorerwähnten Orten - will sich mir auch nicht erschließen; und die Behauptung, dass Berlin eine "literaturverhindernde" Stadt sei, kann eigentlich kaum noch bewertet werden, sie ist nicht einmal redundant oder tautologisch, entzieht sich vollkommen jeder Beurteilung und stellt nichts anderes dar als eine beliebige, grammatikalisch korrekte Anordnung deutscher Wörter.


    Ob Literaturkritik ausstirbt? Eigentlich ist schon die Frage Unsinn; hingegen ist es offenkundig, dass über Literatur in mehr-weniger anspruchsvoller Weise immer gesprochen werden wird, solange es eben Bücher gibt. Dass die Neuerscheinungen der letzten Jahre austauschbar erscheinen und stark nach Eintopf schmecken, ist möglicherweise eine ebenso ephemere Erscheinung. "Ein guter Freund, der Schriftsteller ist" hat mir gegenüber kürzlich den Verdacht geäußert, dass sich dies wieder ändern wird, dass es eine Art Renaissance kleiner Verlage, kleiner Literaturveranstaltungen gibt, die sich dann im Laufe der Zeit zu etablierten "Events" und Musilschen Großschriftstellern entwickeln. Das "Forum Stadtpark" war etwa (wie wohl die meisten anderen) einer solchen Entwicklung unterworfen, die anfangs revolutionär anmutenden Schreiber wurden schließlich zu ältlichen Kulturhonoratioren, die einander gegenseitig Preise verleihen. Wohl ein normaler, sich ständig wiederholender Kreislauf.


    Grüße


    s.

  • @scheichsbeutel: Hast Du eigentlich keine anderen Argumente, als die Leute gleich Idioten zu nennen und ihnen jegliches Urteilsvermögen abzusprechen, nur weil sie eine andere Ansicht als Du vertreten? Nur weil Du es geschwollen formulierst, wird es nicht salonfähiger oder weiser. Bring mal vernünftige, sachliche Argumente ohne Polemik und Herabsetzungen, dann gehe ich auch gern darauf ein. :zwinker:

  • Hallo!



    @scheichsbeutel: Hast Du eigentlich keine anderen Argumente, als die Leute gleich Idioten zu nennen und ihnen jegliches Urteilsvermögen abzusprechen, nur weil sie eine andere Ansicht als Du vertreten? Nur weil Du es geschwollen formulierst, wird es nicht salonfähiger oder weiser. Bring mal vernünftige, sachliche Argumente ohne Polemik und Herabsetzungen, dann gehe ich auch gern darauf ein. :zwinker:


    Ich habe niemanden als Idioten bezeichnet (sondern einmal - eingebettet in eine Paralipse - eine Argumentation als dümmlich bezeichnet, was sie nach meinem Dafürhalten auch war und was ich anhand von Beispielen zu demonstrieren versuchte, allerdings offenbar vergeblich).


    Das, was du als geschwollen (schwülstig) bezeichnest, ist einem Gran Ironie geschuldet, welches ich in fast allen meinen Postings unterzubringen versuche. Um - implizit - einen Hinweis darauf zu geben, dass man alles so ernst nicht nehmen sollte. Offenbar kann das beim Empfänger der Botschaft manchmal eine missverständliche Interpretation auslösen.


    Da du - im Gegensatz zu deiner Behauptung - auf keines meiner Argumente eingegangen bist, dich auf einen Justament-Standpunkt gestellt hast ("aber ich sehe es trotzdem so") war (ist) die Diskussion mit dir für mich beendet. Mein Hinweis auf die "Eindimensionalität" des Denkens (in bezug darauf, dass du dir keinen anderen Grund für Anonymität vorzustellen in der Lage warst als jenen, dass damit in irgendeiner Form Schindluder betrieben werden kann) bleibt für mich aufrecht, diese monokausale Interpretation der Anonymität ist befremdlich (dieser Hinweis sollte aber keinesfalls beleidigend sein).


    Ich weiß eigentlich gar nicht, was genau du mit diesem letzten Posting von mir willst; ich habe in meinen Antworten dich zitiert und versucht darzulegen, warum ich manches für falsch halte. Und ich habe meine Position mehrfach, allerdings offenbar vergeblich wiederholt - mit dem Resultat deiner oben zitierten Feststellung, dass "du es eben trotzdem so sehen würdest". Das nehme ich zur Kenntnis, ist aber als Grundlage für eine weitere Unterhaltung nach meinem Dafürhalten höchst unergiebig.


    Bei aller Polemik (die mir im Schreiben durchaus unterläuft und manchmal, sofern nicht beleidigend, durchaus unterhaltend sein kann und soll) sehe ich nicht, dass ich dich beleidigt haben sollte, während dein Hinweis auf meinen "Stil" (dessen Sinn dir entgangen zu sein scheint, was ich aber gerne mir selbst zuschreiben will) als ein argumentum ad hominem interpretiert werden könnte. Du hast mehrfach auf eine seltsame Streitkultur in dir bekannten Foren hingewiesen, ich bin aber nicht willens, mich auf einen solchen Wettbewerb einzulassen (der meist darauf hinausläuft, wer mehr Lacher auf seine Seite bringt). Dazu gebricht es mir an Zeit und Lust.


    Ich habe bereits im letzten an dich gerichteten Posting darauf hingewiesen, dass ich mich nicht ständig zu wiederholen wünsche und mir deshalb weitere Antworten versagen werde. Daran hat sich nichts geändert; wenn ich also auf weitere Beiträge - wie angekündigt - nicht mehr antworte, so liegt der Grund dafür in dem Wunsch des "repetitio non placet".


    Grüße


    s.