Ingeborg Bachmann

  • Nachdem ich vom „Buch Franza“ begeistert war und wieder im „Malina“ geblättert habe, empfand ich etwas, was ich hier im Klassikerforum sehr selten lese, zumindest meine ich, könnte man erwarten, dass so eine Phrase hier oft zu lesen sein müsste, vielleicht zu Unrecht aber vielleicht auch nicht, nämlich: dass sie mir aus der Seele schreibe. Vielleicht ist eine solche Phrase zu persönlich, um sie hier öfter zu schreiben, aber ich finde, dass sie meinen Sachverhalt gut ausdrückt. Ein wenig peinlich ist es möglicherweise auch noch, weil es mich „weiblich“ erscheinen lässt, denn auf Wikipedia las ich, dass Bachmanns Spätwerk als „Paradigma der feministischen Literatur“ gelte. Gibt es überhaupt „im Geist“ einen Unterschied zwischen weiblich und männlich?


    Zu Bachmann will ich noch sagen, so sehr mir ihre zwei obengenannten Romane gefallen (mit all ihren kindlichen oder sogar kindischen Phantasien, mit ihrer Demut, Hilflosigkeit, Sensibilität, mit all ihrer Fähigkeit, alltägliche bedrückende Gefühle sprachlich packend darzustellen), so sehr fehlt mir der Zugang zu ihrer Lyrik.


    Wer von euch hat den Roman zu „Fanny Goldmann“ schon gelesen, ist er ebenso empfehlenswert wie „Malina“ und „Franza“?


    Gruß

  • Mir geht es genau umgekehrt; zur Prosa der Bachmann habe ich nie einen Zugang gefunden (mich stößt schon ab, dass Malina ein Männername sein soll) und die späten, meist Fragment gebliebenen Texte, lassen mich nur verwirrt zurück. Eine Unterscheidung in maskulin-feminin halte ich auch für abwegig. Es gibt keine Frauenliteratur oder Männerliteratur, sondern nur gute oder schlechte Literatur. Ingeborg Bachmann gehört sicher zu den eher guten Literaten, wobei ich den Begriff Dichter nicht scheue, denn ihre Gedichte - die, die sie veröffentlicht hat - begeistern mich immer wieder. (Die aus dem Nachlass ausgekramten sind eine Todsünde an ihrer lyrischen Kraft; sie hat gewusst, warum sie diese nicht publiziert wissen wollte).
    Zudem fasziniert mich schon seit Jahren das bemerkenswerte Verhältnis Ingeborg Bachmanns zu Paul Celan, jüngst im Briefwechsel noch einmal nachlesbar.


  • Ein wenig peinlich ist es möglicherweise auch noch, weil es mich „weiblich“ erscheinen lässt, denn auf Wikipedia las ich, dass Bachmanns Spätwerk als „Paradigma der feministischen Literatur“ gelte.


    Peinlich? wieso? schwul oda was?! sich als mann mit feministischer literatur auseinanderzusetzen lässt dich sicher nicht als "weiblich" erscheinen..zumal ich feminismus nicht als ausschließlich an frauen adressierte bewegung betrachte. abgesehen davon können dich in dem moment in dem dir ein roman aus der seele spricht die sekundärliterarischen phrasen wikipedias kalt lassen, für mich dienen die mehr zur orientierung wenn ich die seele beiseite lassen will und einen roman vom eher verstandsmäßigen gesichtspunkt verstehen möchte. doch ganz hilfreich, die verlinkungen.


    Gibt es überhaupt „im Geist“ einen Unterschied zwischen weiblich und männlich?


    kommt ganz drauf an was du als "weiblich", "männlich" und "geist" definierst. :zunge:


    mich stößt schon ab, dass Malina ein Männername sein soll


    habe die romane nicht gelesen, aber könnte das nicht eine absichtliche verkehrung sein, eine scheinbare umdrehung und zugleich gleichmachung der geschlechter? so als verwirrung für den leser, der zuerst denken mag malina wäre eine frau, die sich dann als mann entpuppt und doch ein und dasselbe ist.


    ich mag ihre gedichte. weiß nich, mir scheint oft, im gegensatz zu anderen gedichten bspw domin oder brecht, wo das gemeinte durch bilder verdeutlicht wird, stehen bei ingeborg bachmann die bilder sozusagen zwischen mir und dem gemeinten. spricht mir mehr indirekt aus der seele. nu so ein grober persönlicher eindruck.
    schönen sonntag euch. :winken:

    "Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?" Stanislaw Jerzy Lec


  • Eine Unterscheidung in maskulin-feminin halte ich auch für abwegig. Es gibt keine Frauenliteratur oder Männerliteratur, sondern nur gute oder schlechte Literatur.


    das wär ne diskussion wert. deine aussage scheint auf ersten blick absolut logisch, nur kann ich mir beispielsweise die meisten gedichte von mascha kaleko nicht als von z.b. erich kästner geschrieben vorstellen, auch nicht von von einem mann geschrieben. auch hilde domin, deren gedichte ich als unwahrscheinlich feminin empfinde so in ihrer leichten schwermut und ihrer intimität. will damit nicht auf einen käse hinaus wie so eine aussage, dass frauen nur watteweichen sentimentalitätskrust über liebe schreiben, oder männerlyrik zwischen vulgärem pragmatismus und pathetischer melancholie ersäuft, mehr die frage ob es (was einige gedichte und dichter betrifft) doch tendenzen zu gewissen themen oder ausdrucksweisen gibt.

    "Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?" Stanislaw Jerzy Lec


  • habe die romane nicht gelesen, aber könnte das nicht eine absichtliche verkehrung sein, eine scheinbare umdrehung und zugleich gleichmachung der geschlechter? so als verwirrung für den leser, der zuerst denken mag malina wäre eine frau, die sich dann als mann entpuppt und doch ein und dasselbe ist.


    Das glaube ich nicht. Ich zumindest gewöhnte mich leicht an die Tatsache, dass Malina männlich sei. Auch seine Sprache ist "männlich" im Sinne von souverän und gefasst, im Gegensatz zur Protagonistin, die eine wirre Ergebenheit zu sein scheint.


    Yoana, vielleicht gibt es nicht nur im Schreiben erkennbare Tendenzen zwischen Weiblich und Männlich, sondern auch im Lesen.
    Denn diejenige, die mir Bachmanns Romane mit Vorsicht empfahl, sagte mir auch, dass sie viele Frauen kenne, die Bachmann über alles lieben, gleichzeitig aber auch viele Männer, die sie ganz und gar unverständlich finden. Keinen einzigen Mann, sagte sie mir damals, kenne sie, die Bachmann schätze. Nun also bin ich der erste in ihrem Bekanntenkreis... ;)


    Gruß


  • .


    Yoana, vielleicht gibt es nicht nur im Schreiben erkennbare Tendenzen zwischen Weiblich und Männlich, sondern auch im Lesen.


    klar gibts die. jeder erlebt nen text individuell in funktion der eigenen biografie, entwicklung, geschlechts etc. aber natürlich gibts ebenso eine objektivere, allgemeine verständnisebene, logisch, sonst gäbs dieses forum ja nich.

    "Von den meisten Büchern bleiben nur Zitate übrig. Warum nicht gleich nur Zitate schreiben?" Stanislaw Jerzy Lec

  • Hallo zusammen,


    die Manuskripte galten als verloren:


    Die Radiofamilie:
    http://www.suhrkamp.de/buecher…eborg_bachmann_42215.html


    In der Sonntagsbeilage der NZZ gibt es auf der S. 7 einen ausführlichen Bericht:
    http://static.nzz.ch/files/5/6…S_20110529_1.10696565.pdf (ca. 7 MB)


    [kaufen='978-3518422151'][/kaufen]



    Edit:
    hier gehts zu einer 5 min. Hörprobe:


    http://www.mediathek.at/staats…tur_im_Radio/seite2_6.htm


    ich hoffe ja, dass auch die Hörspiele herausgebracht werden.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Also ich habe als Mann Malina und auch Bachmanns Gedichte gerne gelesen. Überhaupt mag ich Gedichte von Dichterinnen sehr gerne. Ich habe mal gelesen dass jeder Mann auch eine weibliche Seite hat (vielleicht geistig-seelisch gemeint - wichtig ist die Stärke der Ausprägung). Fragt mich nicht, wo ich das gelesen habe... Feministische Literatur lese ich in dem Sinne eigentlich nicht, wohl aber kritische und angagierte Literatur von Frauen, ich will damit aussagen, dass ich nicht das Bekenntnis zum Feminismus meine oder eine politische Einstellung, sondern den literarischen Umgang mit den Themen, die Frauen und indirekt auch uns Männer beschäftigen. Viele "-mus" haben mir einen Hang zum Institutionellen und Fundamentalistischen und Ideologischen. Wichtig ist, wie die Themen bearbeitet werden und das hat mir bei Malina gefallen. Leider liegt die Lektüre auch schon wieder etwas zurück und wird die Erinnerung löchrig... FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10