Juni 2008 - Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste

  • Hallo zusammen,


    hiermit ist die Leserunde zu Gutzkows "Rittern vom Geiste" eingerichtet und harrt eurer Lesefrüchte.


    Mitlesen wollen


    Regina
    enigma
    Bigben
    sandhofer
    finsbury


    Ich freue mich auf unsere umfangreiche Lesereise!
    Schönen Start in den Juni!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Danke für den Thread!


    Hallo zusammen!


    Sehr weit bin ich ja noch nicht - aber einen ersten blondgelockten Jüngling habe ich schon kennengelernt.


    Ich lese also die dreibändige Ausgabe aus dem Deutschen Verlagshaus Bong & Co., die, wie giesbert freundlicherweise eruiert hat, von 1910/1912 stammt. Das kann, wenn ich Deckel- und Vorblattgestaltung so anschaue, hinkommen :breitgrins:. Typisch für jene Zeit auch der schwache Buchrücken - links und rechts in den Gelenken eingerissen bis fast in die Mitte, vom typischen Griff mit dem Zeigefinger das Buch an seinem Rücken aus der Reihe der andern Bücher kippend, um es aus dem Regal nehmen zu können. Die Ausgabe bringt den vom Autor selber gekürzten Text der 5. Auflage - es scheint diese so etwas wie die Ausgabe letzter Hand gewesen zu sein, da ich keinerlei Hinweise darauf finde, dass die 6. Auflage, die Gutzkow noch erlebte, und zu der er ebenfalls noch ein Vorwort schrieb, dass diese 6. Auflage also nochmals verändert worden wäre.


    Dies nämlich habe ich schon gelesen: die verschiedenen Vorwörter meiner Ausgabe. Zunächst die Einleitung des Herausgebers, Reinhold Gensel. Darin eine kurze Skizze des Nukleus des Textes, eigentlich einer kleinen Novelle mit viel Liebesverwirrung. Die Geheimgesellschaft scheint Gutzkow erst später in die Geschichte eingearbeitet zu haben. Ausserdem bin ich mit zwei Schlüsselbegriffen aus dieser Einleitung gekommen: "Sue" und "Titan". Gutzkow scheint Le juif errant von Eugène Sue gut gekannt zu haben. Sue galt ja seiner Zeit als engagierter Sozialist, und seine Romane wurden weit diskutiert. (Während er heute ja den Ruf der trivialen Kolportage hat.) Sue und seine Romane scheinen so etwas wie eine Vorbildfunktion für Gutzkow gehabt zu haben. Die "titanischen" Figuren hingegen scheinen mir auf Jean Paul hinzudeuten.


    Mal schauen ... Im Moment habe ich einen blondgelockten Jüngling, der eine alte Tempelherren-Kirche in sein Notizbuch zeichnet ...


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich lese die Ausgabe aus der Reihe Haidnische Alterthümer (3 Bände plus Kommentarband). Der Kommentar ist recht umfangreich. Aber mancher Kommentar erscheint mir etwas überflüssig. Da war der Kommentator wohl zu fleißig.


    sandhofer. Inwiefern ist Deine Ausgabe gekürzt?


    Dem Jüngling bin ich auch schon begegnet…

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • sandhofer. Inwiefern ist Deine Ausgabe gekürzt?


    Das weiss ich nicht. Im Vorwort (sowohl des Herausgebers wie im mitabgedruckten Gutzkows zur 5. Auflage) heisst es nur, dass gekürzt wurde, nicht aber inwiefern. Vielleicht finden wir es ja im Laufe der Leserunde heraus. ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Halli, hallo,

    Sehr weit bin ich ja noch nicht - aber einen ersten blondgelockten Jüngling habe ich schon kennengelernt.


    da wären wir gleichauf, wenn du nicht inzwischen weitergelesen hast.



    Ich lese also die dreibändige Ausgabe aus dem Deutschen Verlagshaus Bong & Co., die, wie giesbert freundlicherweise eruiert hat, von 1910/1912 stammt. Das kann, wenn ich Deckel- und Vorblattgestaltung so anschaue, hinkommen :breitgrins:. [...] Die Ausgabe bringt den vom Autor selber gekürzten Text der 5. Auflage - es scheint diese so etwas wie die Ausgabe letzter Hand gewesen zu sein, da ich keinerlei Hinweise darauf finde, dass die 6. Auflage, die Gutzkow noch erlebte, und zu der er ebenfalls noch ein Vorwort schrieb, dass diese 6. Auflage also nochmals verändert worden wäre.


    Dies hat zumindest den Vorteil der näheren Zeitgenossenschaft zum Autor. Ich lese - wie wohl die meisten hier - die sehr schön aufgemachte Zweitausendeins-Ausgabe (1998, Hg. Thomas Neumann) mit eigenem Materialienband: In diesem steht vermerkt, dass auch diese Ausgabe auf derjenigen Reinhold Gensels fußt, die 1912 erschien und der wohl der Erstdruck von 1850/51 zugrundeliegt. Hier steht allerdings nichts davon, dass es zu irgendwelchen Kürzungen gekommen ist. Mein erster Eindruck nach Durchschau des Materialienbandes und Anlesens des Romans ist, dass hier ein sorgfältig edierter Text vorgelegt wurde, soweit das bezüglich des Standes der Gutzkow-Forschung möglich war.



    Sue galt ja seiner Zeit als engagierter Sozialist, und seine Romane wurden weit diskutiert. (Während er heute ja den Ruf der trivialen Kolportage hat.) Sue und seine Romane scheinen so etwas wie eine Vorbildfunktion für Gutzkow gehabt zu haben. Die "titanischen" Figuren hingegen scheinen mir auf Jean Paul hinzudeuten.


    Mal schauen ... Im Moment habe ich einen blondgelockten Jüngling, der eine alte Tempelherren-Kirche in sein Notizbuch zeichnet ...


    Ich las das Vorwort von Pfingsten 1850, das meiner Ausgabe beigegeben ist, hatte danach aber nicht den Eindruck, dass Gutzkow Sue in jedem Sinne als Vorbild sieht. Vielleicht inhaltlich insofern, als er auch einen Querschnitt durch die Gesellschaft legen will und sozialkritisch ist, aber er betont mehrmals, dass sein überbordender Roman kein Tribut an die relativ neuen Möglichkeiten des Fortsetzungsromans in Zeitungen und damit an den Geldbeutel ist, sondern dass er gar nicht anders kann, wenn er sein thematisches Ziel verwirklichen will.
    Auch hatte ich den Eindruck, dass er den Rezensenten und auch Lesern den Wind der Kritik ein wenig aus den Segeln nehmen will, da er wohl selbst den Eindruck hat, etwas über das Ziel hinausgeschossen zu sein.


    Mal sehen, wie es nun weitergeht: Der Anfang ist schön breit und gemütlich angelegt und von der Personenkonstellation tatsächlich ein wenig "Jean Paulisch".
    Nun schau ich mal, dass ich ein wenig vorankomme.


    HG
    finsbury


    @ BigBen,
    danke für die Einrichtung des Materialienthreads! :blume: :blume:

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Den blondgelockten Jüngling habe ich bereits hinter mir gelassen, bin schon in die ersten von Giesbert angekündigten Stammtischreden geraten.


    Jetzt habe ich Kopfschmerzen.


    Der Rothaarige scheint eine Art Springteufelchen zu sein, so unvermutet wie er immer auftaucht. Interessanter Geselle. Zumindest der einzige der Geheimnisse zu bergen scheint.


    Interessant auch das Vorwort (lese die 2001-Ausgabe). Bin gespannt wie sich der Roman des Nebeneinander statt des Nacheinander gestalten wird.

  • Ich lese - wie wohl die meisten hier - die sehr schön aufgemachte Zweitausendeins-Ausgabe (1998, Hg. Thomas Neumann) mit eigenem Materialienband: In diesem steht vermerkt, dass auch diese Ausgabe auf derjenigen Reinhold Gensels fußt, die 1912 erschien und der wohl der Erstdruck von 1850/51 zugrundeliegt. Hier steht allerdings nichts davon, dass es zu irgendwelchen Kürzungen gekommen ist.


    Gensel druckt die 5. Auflage von 1869 ab, die Gutzkow selber gekürzt hat. (Arno Schmidt in seinem Funkessay über Gutzkow [das zu lesen ich mir gestern Abend dann doch nicht verkneifen konnte ;)] schreibt von 20% - allerdings ohne zu erwähnen, dass das Gutzkows eigene Eingriffe sind. Auch so kann man Polemik machen ...)


    Ich bin im übrigen dort, wo der Fuhrmann die ominöse Kiste verloren hat; ich vermute, die Stammtischgespräche werden jetzt dann gleich folgen. Hackert? Ja ... interessant ...


    Sue kann übrigens Vorbild gewesen sein, auch wenn Gutzkow nichts darüber schreibt - ja, es muss ihm selber nicht einmal bewusst gewesen sein. Jean Paul wird von Arno Schmidt als einer der Lieblingsautoren des jungen Gutzkow genannt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    leider komme ich im Moment nur sehr langsam voran, und das wird sich bis Ende nächster Woche nicht grundlegend ändern.
    Dennoch - so ein paar Seiten vor dem Einschlafen kriege ich gerade noch hin.


    sandhofer ,

    Zitat von "sandhofer"

    Sue kann übrigens Vorbild gewesen sein, auch wenn Gutzkow nichts darüber schreibt - ja, es muss ihm selber nicht einmal bewusst gewesen sein.


    in dem von mir gelesenen Vorwort bezieht sich Gutzkow ausdrücklich auf "Die Geheimnisse von Paris" und damit auf Sue und grenzt sich in der früher beschriebenen Weise von ihm ab.


    Ich bin nun erst im "Pelikan" und warte darauf, dass Dankmar vom Schrein erzählt. Von den Motiven, der Personen- und Ortsdarstellung her erinnert mich der Roman sehr an Jean Paul, allerdings ist sein Stil viel weniger kunstvoll und der Ton schärfer und sozialkritischer.


    Bis bald


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • sandhofer ,


    in dem von mir gelesenen Vorwort bezieht sich Gutzkow ausdrücklich auf "Die Geheimnisse von Paris" und damit auf Sue und grenzt sich in der früher beschriebenen Weise von ihm ab.


    Vielleicht, weil er sich der Verwandtschaft und der Ähnlichkeit nur allzu bewusst war?
    [hr]
    Im übrigen gestehe ich, dass ich nach rund 180 Seiten drauf und dran bin, das Buch in eine Ecke zu pfeffern. Seitenlange politische Diskussionen, in denen sich aber die Hauptperson (ich nehme an, Bruder N° 2 ist eine solche) weise bedeckt hält - nein, eine Romankomposition stelle ich mir anders vor. Wenn's nicht wegen der Leserunde wäre, und wegen der Tatsache, dass vielleicht maximal ein halbes Hundert Leute diesen Roman je zu Ende gelesen haben heutzutage, wäre bei mir jetzt wohl Ende.


    Und, ach ja: Jean Paul. Ich erwartete, Titanen vorzufinden. Was finde ich? Einen Leibgeber ... Und nicht mal den des Siebenkäs, der eine gewisse Erhabenheit über die Welt vorstellte, sondern den des Titan ... *seufz* ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Im übrigen gestehe ich, dass ich nach rund 180 Seiten drauf und dran bin, das Buch in eine Ecke zu pfeffern.


    das wird noch, Gutzkow tut sich anfangs etwas schwer und sei Personal redet Leitartikel. Aber das ändert sich noch. (Ich wurschtel mich dafür gerade durch den Zauberer von Rom und fürchte, dass ich wohl kaum mehr als die ersten drei Bücher lesen werde.)

  • Bin jetzt bei Seite 615 und stimme Giesbert zu: Die Leitartikelrederei hat sich gelegt, die ersten Intrigen, Geheimnisse werden angegangen, Hackert hüpft immer wieder durchs Bild, das Figurenpersonal wird erweitert und Dankmar verliebt sich.


    Läuft aber alles noch recht nacheinander ab.


  • Im übrigen gestehe ich, dass ich nach rund 180 Seiten drauf und dran bin, das Buch in eine Ecke zu pfeffern.


    He, den Humboldt hast Du auch durchgehalten.


    Ich komme aufgrund meines gegenwärtigen gesundheitlichen Dilemmas gar nicht richtig zum Lesen. Ich bin noch am Anfang des Pelikan-Kapitels und warte gespannt auf die Leitartikel. :zwinker:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo,


    nun lasst ihm doch erst mal ein bisschen Zeit, dem Herrn Gutzkow: Ich bin erst gerade im Heidekrug angekommen und warte ab, welche neuen Personen hier wie eingeführt werden, dann wird's ein bisschen weitergehen.
    Aber soo schlecht find ich's bisher nicht: Schließlich müssen einige der hundert Personen erstmal vorgestellt, ihre Einstellungen dargelegt werden! Zwischendurch gibt es ein paar schöne geruhsame Szenen - wie die Schilderung der Gartentafel in Tempelheide, den Abend im "Pelikan" und die Ankunft im "Heidekrug" - da erkennt man doch, dass Gutzkow Atmosphäre zu schaffen versteht.


    Wir lesen uns!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Aber soo schlecht find ich's bisher nicht: Schließlich müssen einige der hundert Personen erstmal vorgestellt, ihre Einstellungen dargelegt werden! Zwischendurch gibt es ein paar schöne geruhsame Szenen - wie die Schilderung der Gartentafel in Tempelheide, den Abend im "Pelikan" und die Ankunft im "Heidekrug" - da erkennt man doch, dass Gutzkow Atmosphäre zu schaffen versteht.


    Na ja, verzweifelt bin ich erst an dem, was jetzt folgt ...


    Ich komme - mangels Zeit - auch nur langsam voran. Allerdings stört mich das weniger ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Ich komme - mangels Zeit - auch nur langsam voran. Allerdings stört mich das weniger ...


    da bin ich beruhigt. Ich bin am Wochenende vor den Toren des Pelikan stehen geblieben und befürchte, im Juni nicht wesentlich voranzukommen. Reginas Tempo werde ich nie vorlegen können, als Langsamleser. Die ersten beiden Kapitel fand ich allerdings sehr nett - schöne ruhige Ausmalung der Szenerie, nach dem erfreulich kurzen, aber doch reichlich nichtssagenden und überflüssigen Vorwort. Regelrecht entsetzt war ich, als ich bei Ausrufen der Leserunde in den Links, die jemand von Euch gepostet hatte, zeitgenössische Rezensionen des Romans fand, ausdruckte uns las. Eines dieser Machwerke ist ja auch im Materialband der 2001ten Ausgabe zu finden. Ich habe wirklich nicht verstanden, was der Rezensent wollte, und konnte mich nach ein paar Seiten auch nicht mehr drauf konzentrieren. Da die Stücke seitenweise Zitate aus dem Roman enthielten, schwante mir Schlimmes. Was haben die Leute damals für Unmengen Zeit gehabt, so viel Leergut aufzuschreiben und dann auch wieder abzuschreiben (heutzutage bekäme man bei derartig langen Zitaten gleich Abmahnpost vom Hausjuristen des Rechteverwerters). Um so schöner dann die 2 ersten Kapitel.


    Den Arno Schmidt Beitrag über Gutzkow hatte ich vor Jahren mal gelesen; vielleicht sollte ich ihn nochmal rauskramen. Die Geheimnisse von Paris würden mich heutzutage auch interessieren, das Buch hat einmal mein Vater besessen (und gelesen), aber ich finde es nirgends ...

  • Die ersten beiden Kapitel fand ich allerdings sehr nett - schöne ruhige Ausmalung der Szenerie, nach dem erfreulich kurzen, aber doch reichlich nichtssagenden und überflüssigen Vorwort.


    Die waren auch nicht übel, ja. Dann kommte eine längere Durststrecke, nachher bessert es wieder etwas. (Ich bin jetzt in Buch II, Kapitel 2.)


    Interessant: Die genaue Beschreibung jeweils der Kleidung der Protagonisten. Und, bei den (jüngeren) Frauen, der Figur der Protagonistinnen :lachen: . (Obwohl mit Dingen wie "Perlenreihe im Mund" für Zähne" auch hanebüchene Beschreibungen vorkommen ...)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Die waren auch nicht übel, ja. Dann kommte eine längere Durststrecke, nachher bessert es wieder etwas.


    Ich bin jetzt im Kapitel 4. Ich finde die Story um die Templer interessant. Für mich ist das keine Durststrecke. Und ich warte immer noch auf die bekritelte Leiteartikelrederei.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)