Joseph Roth

  • Hallo,


    ich lese nun schon seit einer geraumen Zeit Joseph Roth's Romane und Erzählungen. Sie sind in einer kleinen Kassette versammelt (KiWi Verlag) und diese Kassette umfasst vier Bände, oder Bändchen besser zu sagen, denn allzu umfangreich sind diese nicht.


    Und ich bin immer wieder erstaunt, mit was für einer sprachlichen Kraft und Tiefe dieser große Erzähler uns seine Geschichten offeriert, oder sollte man vielleicht besser sagen – offenbart. Sei es nun der wohl allen bekannte Radetzkymarsch, das zu Herzen gehende Buch Hiob, sei es die Kapuzinergruft oder das falsche Gewicht, und schließlich Hotel Savoy, alles diese Werke erschütterten mich oft durch ihren fesselnd erzählerischen Stil und die virtuose Wortakrobatik, die eigentlich mehr aus der Stille kommt und oft von einer leisen Demut durchweht ist.


    Das sind, nur einmal so, meine (begeisterten) Eindrücke während der doch schon etwas längeren Lektüre dieses großen deutschsprachigen Schriftstellers, und sein Schicksal, sein Ende, macht mich dann um so nachdenklicher.


    Was ich vielleicht mit alledem eigentlich sagen wollte - es muss ja nicht immer Thomas Mann sein.



    Liebe Grüße aus dem Norden


  • Was ich vielleicht mit alledem eigentlich sagen wollte - es muss ja nicht immer Thomas Mann sein.


    Lieber Vult,


    Joseph Roth ist keineswegs geringer einzuschätzen als Thomas Mann. Ich halte den "Radetzkymarsch" für annähernd so gut wie die "Buddenbrooks". Daher verstehe ich diese letzte Anmerkung nicht so ganz ... :breitgrins:


    Mit Grüßen aus dem Westen


    Sir Thomas


  • Danke, Sir Thomas,


    aus eben diesen Grund, aus dem du deinen "Smeilieh" verwendetest, aus eben diesen Grund machte ich meine "Anmerkung"!
    Vielleicht liegt es mehr daran, das ich gerade einen etwas unerfreulichen Disput mit einem Th. Mannianer hatte, da ist es dann bis zu Anbetung und zur regelrechten Heiligenverehrung nicht mehr weit. Und wenn ich daran denke, was für eine ungeheure Fülle wir an deutschsprachigen Autoren (gerade in dieser schicksalsträchtigen Zeit Deutschlands) haben, dann erstaunt mich diese Manniamie immer wieder.
    Leider artet das dann immer wieder in einem, wohl oft schon mehr grotesken, Fanatismus aus. Ich möchte da lieber nicht bei Nietzsche beginnen, obwohl gerade er wohl den "Nietzscheanern" die größte Verachtung entgegen gebracht hätte.
    Aber es ist wohl immer so.


    Liebe Grüße, Vult

  • Vult: Ich habe die gleiche Kasette zu Hause, bin aber noch nicht dazu gekommen auch nur ein Buch davon zu lesen. Mit deiner Einschätzung hast du mich aber neugierig gemacht. Ich werde sie mir demnächst einmal zu Gemüte führen.


    Immerhin sollte man als Österreicherin zumindest einmal etwas von Roth gelesen haben. :redface:


    Katrin

  • Hallo vult


    "Hiob" hat mich sehr berührt. Mehr kenne ich leider noch nicht.


    Zitat von "vult"


    Was ich vielleicht mit alledem eigentlich sagen wollte - es muss ja nicht immer Thomas Mann sein.


    Das ist allerdings bedauerlich, dass du erst kürzlich eine nicht sehr erfreuliche Diskussion über ThM und sein Werk führtest. Wäre schade, wenn dich sowas abhalten sollte, mehr über Thomas Mann zu lesen.


    ThM's Romane sind für mich nie weit entfernt und ich komme immer wieder auf diesen Schriftsteller zurück. Doch gibt es auch viele andere zu entdecken und zu genießen. Jeder hat wohl seinen eigenen Autoren, der ihn ganz besonders anspricht. Doch ist das individuell.


    Dennoch kann ich es nicht lassen, einen Ausspruch von Martin Walser zu erwähnen, nicht böse sein. Der ging ungefähr so...


    "Kein Autor kann verlangen gelesen zu werden .... , außer vielleicht Thomas Mann :breitgrins: (Martin Walser im CH-Literaturclub vom 18.12.2007)


    Den "Radetzkymarsch" habe ich übrigens erst kürzlich als Hörbuch geschenkt bekommen. Ich freu mich drauf.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Ach, Maria,


    du schreibst:


    Dennoch kann ich es nicht lassen, einen Ausspruch von Martin Walser zu erwähnen, nicht böse sein. Der ging ungefähr so...


    "Kein Autor kann verlangen gelesen zu werden .... , außer vielleicht Thomas Mann :breitgrins: (Martin Walser im CH-Literaturclub vom 18.12.2007)


    Viele Grüße
    Maria


    Und genau dieser Martin Walser wäre es, von dem ich unbedingt, gegenüber mir selbst, verlangen würde, dass er von mir - nicht gelesen wird. :smile:
    (Wenn es dann wenigstens noch der Robert Walser wäre).
    :winken:


    Du weißt doch, die Geschmäcker und Lesevorlieben des Menschen sind ...


    Und genau das macht mein "Bibliomanendasein" dann auch so lebenswert und interessant.


    Aber wer diese Perfekton in oder aus der Sprache heraus mag, die Stille mag, hinter der die täglichen, unsere täglichen Apokalypsen lauern, der Abgrund in dem wir eigentlich in jedem Moment unseres Lebens hinein stürzen können und es oft genug auch tun (müssen), der sollte unbedingt diesen Autoren lesen, ich glaube hier ist man vor den (leider allzu oft) über uns hereinbrechenden Leseenttäuschungen - gesichert.


    Liebe Grüße in die Runde, Vult

  • Hallo vult



    Aber wer diese Perfekton in oder aus der Sprache heraus mag, die Stille mag, hinter der die täglichen, unsere täglichen Apokalypsen lauern, der Abgrund in dem wir eigentlich in jedem Moment unseres Lebens hinein stürzen können und es oft genug auch tun (müssen), der sollte unbedingt diesen Autoren lesen, ich glaube hier ist man vor den (leider allzu oft) über uns hereinbrechenden Leseenttäuschungen - gesichert.


    das empfand ich bei "Hiob". Diese Einsamkeit, so vorsichtig und leise beschrieben ... das ist große Literatur.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Hallo vult


    das empfand ich bei "Hiob". Diese Einsamkeit, so vorsichtig und leise beschrieben ... das ist große Literatur.


    Viele Grüße
    Maria


    Danke, Maria, das freut mich.


    Aber dieses Gefühl der Einsamkeit und des Verlorenseins, das empfand ich beim Lesen des "Radetzkymarsches" noch stärker, noch eindringlicher. Ich kann mich auch täuschen, aber ich glaube das Werk Joseph Roth's ist von einer großen Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit durchzogen, vielleicht sind seine "Gestaltungen" auch deshalb von (s)einer tiefen Liebe geprägt, so merkwürdig diese dann auch oft Wandeln und Handeln.


    Liebe Grüße,
    Vult

  • Wie schön, lieber Vult, auch ich liebe Joseph Roth über alles; schon seit ich die Kinderbücher verlassen habe, ist er mein Begleiter. Man sollte ihn nicht gegen Thomas Mann ausspielen, sie sind viel zu verschieden. Thomas Mann war zum Beispiel unfähig zur Zärtlichkeit, die das Werk von Joseph Roth durchzieht. Dafür konnte er so tief in die Verzweiflung vorstoßen, dass es einen schaudert. Beide haben ihren Platz, es gibt gar keinen Grund, daran zu zweifeln. Wenn du Leuten begegnest, die nur Thomas Mann gelten lassen wollen, sind sie einfach nur bedauernswert. Er selbst war in dieser Hinsicht viel toleranter, schätzte so dieses und jenes, vielleicht auch nur, weil er sich selbst sowieso für den Größten hielt, aber das muss man ihm, denke ich, nicht übel nehmen, denn diese Überzeugung findet man auch bei anderen, auf die es weniger zutrifft, als auf ihn. Wenn es überhaupt Ähnlichkeiten zwischen dem getriebenen Heiligen Trinker und dem Zauberer gibt, dann, dass sie sich beide gequält haben und beide unverzichtbare Autoren sind.
    Martin Walser (den ich überhaupt nicht lesen kann) ist übrigens gar kein Freund von Thomas Mann, was seine ewigen Kontroversen mit Reich-Ranicki zu diesem Thema belegen. Er hat ein interessantes kleines Buch über die Ironie bei Thomas Mann. die ihn abstößt, und die Ironie bei Robert Walser, der er bewundert, geschrieben.
    Und du lies einfach weiterhin (natürlich) Joseph Roth, aber auch Thomas Mann, Robert Walser und all die anderen.
    Das wünscht dir


    die Leserin

  • Ihr Lieben,


    dieses Forum ist schon eine tolle Sache! Hier werde ich beinahe täglich angeregt, Bücher noch einmal zu durchstöbern, die ich zwar nicht vergessen, aber auch nicht gerade aktuell "im Visier" habe. Gestern ging es mir so mit Roth und dem "Radetzkymarsch". Leider ist das Buch unauffindbar - wahrscheinlich habe ich es verliehen und nicht wiederbekommen (geht mir in letzter Zeit öfter so :grmpf:).


    Ich musste mich also mit der "Kapuzinergruft" begnügen, habe es aber nicht bereut und unterschreibe Vieles von dem, was hier gestern Abend diskutiert und geschrieben wurde. Welch eine Einsamkeit nach dem Zusammenbruch des Habsburgerstaats! Welche eine Verzweiflung darüber, sich in den neuen Verhältnissen nicht zurecht zu finden!


    Mal sehen, ob ich mir gelegentlich "Hotel Savoy" oder "Das Spinnennetz" besorge - die Rezensionen im Internet klingen vielversprechend.


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Und du lies einfach weiterhin (natürlich) Joseph Roth, aber auch Thomas Mann, Robert Walser und all die anderen.
    Das wünscht dir


    die Leserin


    Liebe Leserin,


    ich wollte hier eigentlich keine Thomas Mann Diskussion anstoßen, ich mag das schon lange nicht mehr und dieses "Aufwiegen" verschiedener Autoren gegeneinander, ist mir mit der Zeit zuwider geworden.
    Aber so sehr ich Th. Mann auch früher mochte, so ist er mir nun, ja wie soll ich das sagen, mit der Zeit nicht mehr lesbar geworden, und ich kann dir nicht einmal sagen, woran das nun wirklich liegt.
    Vielleicht hätte ich die Tagebücher nicht lesen sollen, aber auch das ist nun vorbei.


    Einiges wird bleiben und einiges ist unvergesslich, aber es mag vielleicht auch daran liegen, das sich der Mensch Zeit seines Lebens "geistigen Häutungen" unterziehen will oder muss, und so ist man dann oft über deren Ergebnisse mehr als erstaunt. Auch und erst recht in den literarischen Bereichen.


    Liebe Grüße,
    Vult


  • Schön das ich dir einen kleinen "Leseanstoß" geben konnte, Sir Thomas, damit gebe ich nur ein klein wenig von dem zurück, was ich durch dieses Forum an Leseempfehlungen geschenkt bekam .
    Und oft genug waren darunter kleine und auch große Perlen.
    (Leider fehlt mir die Zeit, hier allzu oft zu schreiben)


    Liebe Grüße,
    Vult


  • Leider fehlt mir die Zeit, hier allzu oft zu schreiben.


    Lieber Vult,


    es zählt die Qualität, nicht die Quantität ...


    Noch eine Bermerkung zum Forum: Es sind nicht allein die Hinweise und Anregungen, die wertvoll sind. Auch der hier praktizierte Umgang miteinander unterscheidet sich angenehm von anderen Foren. Möge es so bleiben ...


    Hoffnungsfroh


    Sir Thomas

  • Hallo zusammen !


    Ich habe auch das Hörbuch Radetzkymarsch hier liegen, nachdem ich mit "Hiob" Joseph Roth entdeckte. Er hat mich eben durch die erschütternde Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann, sehr beeindruckt. Euren Beiträgen entnehme ich, dass auch seine anderen Bücher vielversprechend sind und ich freue mich schon darauf.


    Übrigens, "nur" Thomas Mann zu lesen, das wäre ja viel zu einseitig und gerade um dem zu entgehen, tummeln wir uns doch hier, oder ?


    Gruß von Steffi

  • Moin, Moin!


    Ich möchte noch auf das Erinnerungsbuch Géza von Cziffras <a href="http://www.amazon.de/heilige-Trinker-Erinnerungen-Joseph-Roth/dp/3937834141/">Der heilige Trinker. Erinnerungen an Joseph Roth</a> hinweisen, das mir als langjähriger Leser und Bewunderer Roths sehr gefallen hat.

  • Lieber Vult,


    Lieber Vult,


    was du schreibst, kann ich gut verstehen, man kann Thomas Mann nicht so lieben wie Joseph Roth. Er war gewiß kein sympathischer Mensch; und das ist ja oft das Problem, wenn man zu viel über einen Schriftsteller liest, wenn man zu viel von ihm weiß, mag man nichts mehr von ihm lesen. Dem Menschen hinter dem Schriftsteller sollte man vielleicht nicht zu nahe kommen (bei Stifter ist es mir so gegangen - eine tiefe Enttäuschung, bei Canetti ebenso- er hat mir heute nichts mehr zu sagen). Darum lese ich auch nicht gerne Biographien. Doch bei Thomas Mann gibt es Stellen, besonders im "Zauberberg" und im "Doktor Faustus", die für vieles entschädigen.
    In diesem Sinne viele Grüße von der
    Leserin

  • Gestern habe ich in meiner kleinen Bibliothek gestöbert und da ist mir der Radetzkymarsch in die Hände gefallen und ich habe in das erste Kapitel ein wenig reingeschmökert. Mich hat es überrascht mit wie vielen kleinen Details Roth aufwartet. Allerdings habe ich bemerkt, dass ich sehr genau lesen muss, da er wichtige Hinweise oft in Nebensätzen versteckt.


    Ein schnelles Drüberlesen ist hier also nicht möglich, aber das ist auch sicher nicht gewollt.


    Katrin


  • Bonaventura <a href="http://bonaventura.musagetes.de/?p=1319">weist</a> auf die einzige umfangreiche Biografie über Joseph Roth hin. Eigentlich müßte er Joseph Blau heißen.


    Das stimmt so nicht, die Biographie David Bronsens ist möglicherweise umfänglicher (die Taschenbuchausgabe hat über 700 Seiten). Allerdings ziemlicher Mist, weil überladen und angereichert mit unzähligen Werkzitaten und auch nicht aus jener notwendigen Distanz heraus geschrieben, die für eine möglichst objektive Darstellung vonnöten ist. Auf v. Sternburgs Werk bin ich gespannt ...


    Grüße


    s.

  • Das stimmt so nicht, die Biographie David Bronsens ist möglicherweise umfänglicher (die Taschenbuchausgabe hat über 700 Seiten). Allerdings ziemlicher Mist, weil überladen und angereichert mit unzähligen Werkzitaten und auch nicht aus jener notwendigen Distanz heraus geschrieben, die für eine möglichst objektive Darstellung vonnöten ist. Auf v. Sternburgs Werk bin ich gespannt ...


    Die ist aber nicht mal mehr antiquarisch mehr zu bekommen :grmpf:


    CK