Thomas Bernhard

  • Hallo!


    Ich habe das Porträt am Samstag auf 3sat gesehen, es war sehr interessant. Eine sehr intelligente, bemerkenswerte Person, gar nicht der "zwiderne Grantler", ich werde sehr bald wieder was von ihm lesen!

  • Bernhard schwebt halt immer zwischen Extremen und Widersprüchlichkeiten bzw. besser Zweideutigkeiten ;-), speziell auch in seinen Büchern imo. So wirklich festlegen lässt sich das ja bei ihm nie. Ob jetzt das "fiktive" Utzbach z.B. aus dem Theatermacher jetzt die kunstfeindliche Welt (oder doch nur Österreich?) oder aber das konkret existierende Atzbach meint, in dessen Nähe Bernhard einen seiner Höfe hatte, oder aber doch beides, oder aber z.B. seine jüdischen Heldenplatzfiguren, die ja - trotz aller "Hasstiraden" auf Österreich - so sehr österreichisch anmuten.
    Insofern würd ich ihn wohl eher als "intellektuellen, alten Grantler" bezeichnen auch als Person ;-). Also zumindest von den Sachen / Aussagen / Geschichten, die ich soweit über Bernhard gelesen hab.


    Höchst interessant fand ich btw. auch die Episoden über das Verhältnis von Bernhard und seinen Meisterregisseur Peymann in der Biographie über Peymann von Kohberg und Thomsen. Ist aber auch allgemein recht interessant zu lesen.

  • Ich habe gerade "der Untergeher" gelesen und vermutlich setzte ichmich jetzt hier fürchterlich in die Nesseln, wenn ich sage, dass ich selten etwas schlechteres gelesen habe. Das Stilmittel der Wiederholung mag ja für so manches Buch bereichernd sein. In diesem Fall kommt es mir einfach nur so vor, als möchte er dem Leser die Lächerlichkeit der Literatur an sich vor Augen führen. Als ich das Interview mit ihm gesehen habe, dachte ich noch "genau mein Mann" - wenig überflüssige Beschreibungen von Landschaften, Innenwelten etc.. Aber genau diese Innenansichten sind doch in diesm Buch zu kurz gekommen? Ich habe mir von der Geschichte an sich viel mehr versprochen, als (eben doch) die Beschreibungen des Lebens. Es war mir noch viel zu äusserlichund dafür dann eben zu schwach. Weder Fisch noch Fahrrad.


    Nein, das hat mir überhaupt nicht gefallen und ich weiss nicht, ob ich Berhard noch eine zweite Chance geben soll, wo mir schon dieses hochgelobte Werk gar nicht zugesagt hat.

  • Hm, ich tue mich mit der Bernhard'schen Prosa auch nicht immer leicht, speziell im Vergleich zu den Stücken. Die Stücke von Bernhard sind da, wenn auch mit ähnlichen Versatzstücken, doch die leichtere und angenehemere Kost. Wobei man da wohl mit der Besetzung der Monologe führenden Hauptrollen Glück haben muss, wenn man sich's auf der Bühne anschaut. Dürfte imo wenige Autoren geben, bei denen Inszenierungen so von der Performance eines einzelnen Darstellers abhängen.


    Wobei ich die Stücke auch zum Lesen recht "angenehm" finde. Mein persönlicher Favorit soweit und damit dann auch eine Art Empfehlung: "Der Theatermacher" oder aber eben "Minetti".

  • Das ist wirklich interessant und zeigt, dass sich an Bernhard eben die Geister scheiden. Mir hat beispielsweise "Der Untergeher" an bestem von ihm gefallen (auch wenn ich vieles von noch nicht gelesen habe). Der Moment als die Pianisten Glenn Gould spielen hören und für sie sofort klar ist, dass sie nie so spielen können werden, das werde ich z.b. nie vergessen. Seine Prosa hat in meinen Augen so etwas mitreissendes, mitziehendes, Bernhard indoktriniert dem Leser seine Gedanken, indem er auf wiederholende Weise die Sachen aber auch immer leicht variiert. Letztlich eben Geschmackssache! :zwinker: Werde wohl gerade in nächster Zeit viel von Bernhard lesen, seine Stücke kenne ich noch überhaupt nicht.

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen


  • Danke. Interessant darin finde ich die Aussage "Meine Gespräche mit Bernhard haben in der Regel nicht viel ergeben."


    Kann ich mir irgendwie denken. Es gibt aber dennoch ganz gute Gespräche, z.B. mit Krista Fleischmann.


    Gruß, Thomas


  • Bernhard ... Bislang habe ich noch keinen Zugang zu seinem Werk gefunden, aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben ;-)



    Hallo, giesbert,


    Geht mir ebenso. "Die Ursache - eine Andeutung" war bislang mein einziger Bernhard. War ganz o.k., Lust auf Mehr hat der schmale Band aber nicht zwingend ausgelöst.


    Viele Grüße


    Sir Thomas


  • Danke für den Hinweis, den Bernhard-Band hab ich mir mal bestellt. Bislang habe ich noch keinen Zugang zu seinem Werk gefunden, aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben ;-)


    Da kann ich Alte Meister empfehlen. Nervend, aber stilistisch gut gemacht, ist dieses "Wienern". Wienern nicht als Dialekt (er schreibt hochdeutsch), sondern als auf-der-Stelle-Putzbewegung. Er, also Bernhard bzw. sein "Held" Reger bzw. der diesen beobachtende und das Ganze erzählende Atzbacher, greift sich irgendetwas heraus (einen alten Meister, das Kunsthistorische Museum, die dortigen Toiletten, Wien, Österreich, die Politik, die Politiker, Museumsbesucher, Kunstkenner, Kunst, irgendwas), und wiederholt auf einer Seite dutzendmal immer wieder irgendeine Aussage dazu, tritt scheinbar auf der Stelle, bewegt sich aber in kreisend-wiederholenden Bewegungen langsam von einem Thema zum nächsten, immer wieder schlaufenziehend zurückkommend, bis er die ganze Fläche abgewienert hat, wieder neu ansetzt, neue ähnliche aus Mikrokreisen bestehende Kreise zieht, und so weiter. Das ganze Buch besteht nur aus einem einzigen Absatz, auch wenn es 2-3 Stellen gibt, wo man in normalen Romenen inhaltlich einen Ansatz erwartet (möglicherweise sind's zwei drucktechnische Absätze, denn in der Suhrkamp Taschenbuchausgabe st 1553 hört in der Mitte des Buches ein Satz ganz unten rechts auf Seite 170 auf, und es geht oben links auf der nächsten Seite ganz vorne nahtlos weiter - mit einem der o.g. gedanklichen Sprünge; man müsste mal eine andere Druckausgabe sehen, ob das nur Zufall ist :-)


    Stilistisch genial, dieses "bernhardinische Wienern"; inhaltlich: na ja, es geht, österreichisches Lokalgeschwätz halt ...

  • Thomas Bernhard hat zu meiner Menschwerdung beigetragen, ohne die Lektüre seiner Bücher könnte ich mir mein Leben nicht vorstellen. Er war mein Lehrmeister, bleibt mein Leitstern.
    Die Leserin


  • na, na es gibt auch brillante Passagen über Heidegger und die Bilder im Kunsthistorischen Museum sind dezidiert auch keine österreichischen


    richtig, Philosophen, das heißt also insbesondere Nicht-Österreicher, aber dann eben auch Schriftsteller wie der böhmisch-österreichische Stifter, bekommen alle hundert Seiten eins übergewischt.


    Die Bilder im KHM: es sind ja nur zwei, die dran glauben müssen, Tintorettos weißbärtiger Mann und Tizians Kirschenmadonna. Tizians Auftraggeber waren Habsburger, der Grund, warum im KHM die zweitmeisten Tizians hängen (nach dem Prado in Madrid, dem ersten Wohnsitz der Auftraggeber), womit die Kirschmadonna ja eigentlich doch wieder irgendwie österreichisch ist :-)


    Ein sprachliches Meisterwerk sind Alte Meister allemal, dieser dreihundertseitige Absatz aus einem Guss (die 2 oder 3 Atemholpausen fallen kaum negativ auf). Doch einen Beitrag zur Menschwerdung darin zu sehen, fällt mir schwer, aber hierzu kenne ich weder Bernhard noch seine Leserin gut genug.

  • Ihr Lieben,


    wie schon gesagt: "Die Ursache - eine Andeutung" war mein bislang einziger Versuch, mich Bernhard zu nähern. Gefallen hat mir seine unheimliche Sprachkraft, die zweifelsohne ihresgleichen sucht. Nicht gefallen hat mir der Eindruck, dass Bernhard mit drei oder vier zentralen Gedanken auskommt, die er dann immer wieder neu verpackt. Nun kann man einwenden, dass andere Autoren vermutlich froh darüber wären, drei oder vier gescheite Gedanken in gute Sprache verpacken zu können, und da ist sicher etwas dran ... :breitgrins:


    Ich habe TB trotz meines Einwands nicht abgeschrieben oder aus meinem Lesekreis verbannt. Allerdings warte ich noch auf ein "inneres Signal", das mir sagt: Jetzt bist Du reif für ein weiteres Werk jenes Küsntlers, der die Gemüter spaltet wie kaum ein Zweiter.


    Wann es wohl so weit ist?


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Interview mit Josef Winkler in der Wiener Zeitung, Wochenendausgabe (11. Okt 2008):


    "Ich erinnere mich an eine witzige Situation vor einem Jahr im Literaturhaus in Frankfurt auf einer Gedenkveranstaltung für Thomas Bernhard. Da war auch sein Bruder Dr. Fabjan dabei. Ich habe in einer Diskussion gesagt, dass von Bernhards allerbestem Buch kein Mensch mehr spricht, nämlich vom Roman 'Korrektur'. Das ist ein Prosaungeheuer, das wahrscheinlich größte Prosaungeheuer, das er jemals geschrieben hat. Hinterher ist der Bruder zu mir gekommen und hat mir gesagt: 'Wissen's Herr Winkler, der Thomas hat dasselbe gesagt.'"