Um 40% gekürzt

  • Hallo zusammen!


    In der On-line-Ausgabe der Times vom 14. April 2007 gefunden: Der englische Orion-Verlag will Klassiker wie Moby-Dick, Anna Karenina oder David Copperfield in um rund 40% gekürzten Versionen herausgeben: Hier der Link - halt auf Englisch :zwinker: . Witzig am Ende des Artikel die Vorschläge der Times für noch weitergehende Kürzungen. :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer


    Dank für Hinweis an Ehrensenf TV

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Der englische Orion-Verlag will Klassiker wie Moby-Dick, Anna Karenina oder David Copperfield in um rund 40% gekürzten Versionen herausgeben: Hier der Link - halt auf Englisch :zwinker: . Witzig am Ende des Artikel die Vorschläge der Times für noch weitergehende Kürzungen. :breitgrins:


    Die von Woody Allen gespielte Figur in "Love and Death" sagt mal sinngemäß: Ich habe einen Schnelllesekurs gemacht und in einer Stunde "Krieg und Frieden" durchgelesen. Es handelt von Russland.


    CK

  • Mal wieder eine (nicht neue) Idee, um im Buchmarkt ein wenig Geld zu verdienen. Vereinfachte Versionen für Kinder gibt es ja schon länger von vielen Klassikern. Jetzt spricht mal wohl v.a. Schüler und Studenten an, der gemeine Leser liest Anna Karenina ohnehin nicht (die wenigen ernsthaften Leser werden natürlich weiter das Original bemühen). Offensichtlich verspricht man sich davon relevante Auflagen, die Texte selber sind ja größtenteils rechtefrei. Die Investition hält sich also in Grenzen.


    Auf jeden Fall kein Grund, um über den Untergang der Kultur zu jammern.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo!


    Die Idee ist wirklich nicht neu, gerade Tolstoi (und andere) wurden oft schon von "unzeitgemäßen Längen" befreit. Ich glaube, dass sich in derlei eine handlungszentrierte Leseweise widerspiegelt - hat der Gärtner das Beil geschwungen oder reichts bei Klein Maxi diesmal für eine gediegene Kopulation mit der Angebeteten? Diese Lesehaltung ist Nährboden für Zusammenfassungen (wie kürzlich von Dostojewski gepostet) und Kürzungen, wobei man mit einigem Geschick auch eine 80%ige Reduktion zustande bringen sollte.


    Aber nichts, was nicht auch Vorteile birgt: Die Unterhaltung mit obgenannten Woody Allen Lesern trägt bei kreativer Gesprächsführung zum Amusement bei: Ich hab die "Recherche" beim Smalltalk schon als Arbeiterroman des homosexuellen Albert verkauft, der durch den sadistischen Baron Charlus in sexuelle Abhängigkeit gerät. Ad infinitum.


    Grüße


    s.

  • Eigentlich bin ich gegen solche Projekte. Man soll ein Werk einfach nicht kürzen.


    Andererseits kenne ich sehr viele, die sich nicht an die Klassiker wagen weil sie ihnen zu dick sind oder zu umständlich geschrieben. Also ist es ja vielleicht möglich, dass jemand durch diese Lektüre auf den Geschmack kommt und dann das Original liest. Eben weil er weiß, dass es nicht so erschreckend ist.


    Es kommt natürlich auf die Kürzung an. Ich habe letztens "Der Mann in der eisernen Maske" von Dumas gelesen und war sehr enttäuscht. Mir wurde dann gesagt, dass es eine Kürzung ist. Ich habe das im Vorwort natürlich überlesen. Aber etwas derart schlechtes habe ich dennoch nicht erwartet.


    Also grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn Klassiker durch Kürzungen einer breiten Masse zugänglich gemacht werden, andererseits habe ich mittlerweile die Originale sehr schätzen gelernt.


    Katrin

  • Andererseits kenne ich sehr viele, die sich nicht an die Klassiker wagen weil sie ihnen zu dick sind oder zu umständlich geschrieben. Also ist es ja vielleicht möglich, dass jemand durch diese Lektüre auf den Geschmack kommt und dann das Original liest. Eben weil er weiß, dass es nicht so erschreckend ist.


    Soll er halt was anderes lesen. Es gibt genügend kurze Klassiker. Niemand muss "Krieg und Frieden" lesen. Und auch beim vollständigen Buch hat man die Möglichkeit, Seiten zu überblättern.


    Gruß, Thomas

  • Die Zeit, um sie zu lesen, kannst du halt so günstig nicht mitkaufen. Das sind ja Hunderte von Stunden Verdienstausfall, da kommen Tausende von Euro zusammen.


    Das ist so gesehen schon war, aber man liest ja nicht des Inhalts sondern des Vergnügens wegen. Für den Inhalt tut es auch der Kindler.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo!


    Wie Klassikfreund schon schrieb: Kein Mensch muss Klassiker lesen. Und ich halte es für einen Irrtum (wahrscheinlich der Eitelkeit oder Angeberei oder Wichtigtuerei geschuldet), dass man nach Lesen einer Inhaltsangabe nun das Buch "kennt". Aber es kommt wohl auch drauf an, was man als das wirklich Wichtige eines Buches betrachtet, worauf man Wert legt. Die Vorstellung etwa, den Zauberberg oder den MoE nachzuerzählen mutet grotesk an, man würde von beiden Büchern noch immer keine Vorstellung haben. Das funktioniert auch in der bildenden Kunst nicht: Auf dem Gemälde von XY findet sich die Darstellung von Amor und Psyche, als diese die Identität von jenem entdeckt ...


    Ich halte es zwar nicht für den Untergang des Abendlandes, wenn derlei große Resonanz findet, es scheint aber eine Grundhaltung widerzuspiegeln: Man möchte schlicht "kenn ich" sagen dürfen in einer Unterhaltung oder "hab ich auch gelesen". Im Idealfall findet sich der Viel- und Inhaltsangabenleser bei Th. Gottschalk wieder und erkennt anhand von beliebigen Absätzen in einer Minute 50 Klassiker aus einem Gesamtvolumen von 2000 Werken. So ein g'scheiter Mensch aber auch ...


    Grüße


    s.

  • Moin, Moin!


    Wie Klassikfreund schon schrieb: Kein Mensch muss Klassiker lesen. Und ich halte es für einen Irrtum (wahrscheinlich der Eitelkeit oder Angeberei oder Wichtigtuerei geschuldet), dass man nach Lesen einer Inhaltsangabe nun das Buch "kennt". Aber es kommt wohl auch drauf an, was man als das wirklich Wichtige eines Buches betrachtet, worauf man Wert legt. Die Vorstellung etwa, den Zauberberg oder den MoE nachzuerzählen mutet grotesk an, man würde von beiden Büchern noch immer keine Vorstellung haben.


    Das Wichtige eines Sach- und Fachbuches ist IMHO nicht seine Länge und sein Ausgewälztsein. Für mich wäre sogar ein Zugewinn, wenn man die Thesen und Grundaussagen eines solchen Buch in einem Exzerpt vefügbar hätte, freilich nur kostenfrei. Bei 199.- Euro vergeht mir aber sofort die Lust, auch nur darüber nachzudenken.

  • Hallo!



    Das Wichtige eines Sach- und Fachbuches ist IMHO nicht seine Länge und sein Ausgewälztsein. Für mich wäre sogar ein Zugewinn, wenn man die Thesen und Grundaussagen eines solchen Buch in einem Exzerpt vefügbar hätte, freilich nur kostenfrei. Bei 199.- Euro vergeht mir aber sofort die Lust, auch nur darüber nachzudenken.


    Versteh ich nicht - von Sach- oder Fachbüchern war doch nicht die Rede. - Und in der "schöngeistigen" Literatur ist solches Unsinn. Um bei den von mir erwähnten Beispielen zu bleiben: Was nützt mir die zusammenfassende Beschreibung einer Schweizer Lungenheilanstalt, wenn ich nicht Settembrinis Tischgespräche kenne, Mynheer Pepperkorn, den Großmeister der fragmentarischen Ausdrucksweise oder die moralinsauren Ausführungen Naphtas? Wie eine Parallelaktion beschreiben, das Paradigmatische der Kurzschriftsysteme Öhl und Vogelsang für die Sinnhaftigkeit des vorzubereitenden Jubiläums?


    Ich versteh's auch aus grundsätzlichen Überlegungen nicht. Man _muss_ eben nichts gelesen haben, wenn man aber _gern_ liest, wird man's tun. Das Wissen um den Inhalt eines Buches hat nichts, aber rein gar nichts mit dem Genuss des Lesens zu tun. Er kann eben bestenfalls als Tischgesprächsgrundlage dienen (man denke an die Frau Stöhr im Zauberberg, die zur Freude Settembrinis auch den guten Tantalos mal den Marmor wälzen lässt).


    Vielleicht ist meine Abneigung gegen diese Art Unterhaltung auch durch Erfahrung geprägt und verstärkt, da ich - leider - viele Menschen kenne, die da glauben, dass es mir eine besondere Freude sei, mich über Literatur zu äußern. Was prinzipiell stimmt, vorausgesetzt, jemand hat sich mal auch Gedanken über das lesetechnisch Konsumierte gemacht. Ansonsten ziehe ich Gespräche über die Fußballbundesliga oder die zweifelhafte Gegnerwahl bei Erdeis nächster Titelverteidigung im Halbschwergewicht (WBO) bei weitem vor.


    Grüße


    s.

  • Versteh ich nicht - von Sach- oder Fachbüchern war doch nicht die Rede.


    Das kommt daher, dass Dostoevskij in einem früheren Beitrag die Seite "GetAbstract" angesprochen hat, wo hauptsächlich Fachliteratur für Führungskräfte zusammengefasst wird ... Führt aber tatsächlich von den um 40% reduzierten Klassikern ab ... :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    Versteh ich nicht - von Sach- oder Fachbüchern war doch nicht die Rede. - Und in der "schöngeistigen" Literatur ist solches Unsinn.


    Sagen wir so: Es ist nicht so, als würde man das Buch gelesen haben. Es gibt aber Bücher, die ich nie werde lesen können - eben die Mehrzahl -, die mich aber nichtdestotrotz interessieren. Und bevor ich sie überhaupt nie kennenlerne, würde ich ein 10-seitiges textnahes Exzerpt mit Inhalt und Textbeispielen einem Nichts bevorzugen. Ich beziehe mich, wie sandhofer richtig mutmaßte, auf Getabstracts. Die Orion-Sache ist nun halbgar, weil man immer noch 60 Prozent lesen muß. Dann doch lieber ein ganzes Buch.


    Zitat

    Ansonsten ziehe ich Gespräche über die Fußballbundesliga oder die zweifelhafte Gegnerwahl bei Erdeis nächster Titelverteidigung im Halbschwergewicht (WBO) bei weitem vor.


    Ein Kampf Erdei-Adamek würde mich schon interessieren...

  • Die Orion-Sache ist nun halbgar, weil man immer noch 60 Prozent lesen muß. Dann doch lieber ein ganzes Buch.


    Es gibt, das haben die Herausgeber des Orion-Verlages schon richtig gesehen, durchaus ein Publikum für diese Sachen. Das ist der (nennen wir ihn) eher handlungsorientierte Leser, der mit Beschreibungen oder Exkursen wenig anfangen kann. All das Geschwafel über Wale oder den Walfang in Moby-Dick ist für so einen Leser, der eigentlich nur wissen will, wann und wie denn nun Ahab den Wal endlich erlegt, natürlich nur störtendes Beigemüse. Das kann er, wenn er eine vollständige Ausgabe vor sich hat, nun im Teller liegen lassen - sprich: überblättern - oder er bestellt gleich das Steak pur ... :zwinker: Diesem Leser geht es vielfach nicht einmal ums Prestige, den Moby-Dick gelesen zu haben. Er sucht pure Unterhaltung ohne störende Ablenkung von der zentralen Story. Die Editiones ad usum delphini gehorchen im Grunde genommen demselben Prinzip, indem dem kindlichen Leser nur zugemutet wird, was er nach Meinung der Pädagogen verdauen kann: ein bisschen Komik, ein bisschen Unterhaltung, ein bisschen Spannung. Liliputaner: ja - Yahoos: nein.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    Es gibt, das haben die Herausgeber des Orion-Verlages schon richtig gesehen, durchaus ein Publikum für diese Sachen.


    Im Literaturwelt-Blog hat sich (heute) eine kleine Diskussion <a href="http://blog.literaturwelt.de/archiv/kurz-und-nicht-gut-kompakte-klassiker/">entwickelt</a>. Daß es, wie du schreibst, ein Klientel für diese Ausgaben gibt, geht schon daraus hervor, daß sie sie überhaupt verlegen. Kein Verleger begeht freiwillig Selbstmord. "In dem <a href="http://news.bbc.co.uk/1/hi/programmes/newsnight/review/6571287.stm">Interview</a> mit Newsnight Review (...) (Einstieg bei 24:20min) gibt Orion Verleger Malcom Edwards ganz klar an, dass 'der Leser heutzutage keine Zeit mehr hat' und sie deshalb die kompakten Versionen auflegen."


  • gibt Orion Verleger Malcom Edwards ganz klar an, dass 'der Leser heutzutage keine Zeit mehr hat' und sie deshalb die kompakten Versionen auflegen."


    Diesen Satz höre ich nur allzu oft. "Ich habe keine Zeit zum Lesen", dem kann ich nur bedingt zustimmen. Denn diese Leute schauen dann stundenlang fern.


    Dennoch finde ich, auch nach längerem Nachdenken, diese Bücher immer noch ganz gut. So kann man sich wenigstens einen Überblick über die Klassiker verschaffen.


    Dass man Klassiker nicht lesen muss, stimmt schon, aber ich habe mich auch lange nicht rangewagt. Und daher kann ich es sehr gut verstehen, dass man sie zwar lesen möchte, aber sich einfach nicht ranwagt, weil man Angst hat sie nicht zu verstehen.
    Ich habe auch immer gedacht, ich brauche Zusatzliteratur, habe es aber auch ohne ganz gut geschafft.
    Und wenn ich diese Kurzversionen gekannt hätte, hätte ich wahrscheinlich auch auf diese zurück gegriffen.


    Katrin

  • Moin, Moin!


    Dass man Klassiker nicht lesen muss, stimmt schon, aber ich habe mich auch lange nicht rangewagt. Und daher kann ich es sehr gut verstehen, dass man sie zwar lesen möchte, aber sich einfach nicht ranwagt, weil man Angst hat sie nicht zu verstehen.


    Ich hätte ja eher gerne all die modernste Literatur in bequemen 10-Seiten-Häppchen, damit ich mich bei bedarf dann dafür entscheiden könnte, die guten Bücher herauszusieben, um sie mit Genuss und zur Gänze zu lesen. NUR mit Rezensionen und Buchtipps scheint mir das Risiko hereinzufallen immer noch zu groß. <meinjanur>